Lovecraft und der Rassismus

  • Danke Joran, für diesen Blickwinkel! Finde ich sehr erhellend und gut auf den Punkt gebracht.
    Tatsächlich zeigt ja der bisherige Austausch am lebenden Beispiel, dass es schwer ist, konkrete Argumente zu finden. Daher habe ich mich auch nicht eingebracht, weil ich es selber schwer finde, etwas dazu zu sagen.
    Vor einer möglichen Konfrontation mit dieser Frage ist man aber ja trotzdem nicht gefeit.

    Eine offizielle Stellungnahme ist auch eine gute Idee :).

  • Eine Stellungnahme dazu finde ich schwierig. Wir sind ein kulturell ausgerichteter Verein und keine politische Vereinigung, da kann es eigentlich keine Missverständnisse geben, wenn man sich anschaut, was wir hier tun. Insofern finde ich nicht, dass man sich als so ein Verein politisch irgendwie positionieren muss/sollte. Inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Thema in Bezug zu Lovecraft kann und soll stattfinden, aber alles darüber hinaus finde ich unnötig.

    Die aktuelle Ausgabe des Politik-Magazins "Compact" widmet Lovcecraft einen Nachruf zum 80. Todestag. Dort schreibt er Autor, Lovecraft habe sich "Mein Kampf" direkt bei erscheinen in englischer Sprache gekauft, habe Hitler später jedoch lächerlich gefunden und eine Karikatur von ihm gezeichnet. Beides war mir bisher unbekannt, sofern zutreffend.

    • Offizieller Beitrag

    es gab vor Kurzem einen Kommentar auf der dLG-Facebookseite, dass der Rassist Lovecraft keinen Verein verdient habe, der ihn und sein Andenken/Werk ehrt - ich halte es für wichtig, solchen Kommentaren mit einer offiziellen Stellungnahme (in welcher Form auch immer) zuvorzukommen, immerhin wird das Thema auch hier rege diskutiert

  • Zitat

    Die Deutsche Lovecraft Gesellschaft ist ein gemeinnütziger Verein und versteht sich als kulturelle Gemeinschaft von Personen, die sich, in welcher Form auch immer, für das Werk des Autors H. P. Lovecraft interessieren. Hierbei geht es um seine Geschichten und deren Figuren einerseits und um deren kulturelle Nutzung in Rollenspielen, Filmen, Brettspielen und anderen Medien andererseits.

    Der Anfang des 20. Jahrhunderts lebende amerikanische Schriftsteller Howard Phillips Lovecraft gilt als einer der einflussreichsten Autoren im Bereich der phantastischen Literatur und hat dem Genre der Horrorgeschichten eine Unmenge an wundervollen Geschichten hinterlassen. Der Verein unterstützt bereits eine Reihe von Projekten, die sich mit dem Erbe von Lovecraft und anderen zeitgenössischen Autoren befassen.

    Mitglied der Deutschen Lovecraft Gesellschaft kann jeder werden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat Der Vereinsbeitrag beträgt derzeit 30€ pro Jahr. Darin ist der Bezug der Vereinszeitschrift Lovecrafter enthalten. Ein ermäßigter Familienbeitrag (10€ pro Jahr ohne Zeitschriftenbezug) ist ebenfalls möglich. Alle weiteren Hinweise zur Mitgliedschaft finden sich in der Beitrittserklärung und in der Vereinssatzung.

    Als nicht dLG´ler und Außenstehender kann ich nur sagen, obiges sollte ausreichen. Jede offizielle Stellungnahme wird angreifbar sein und solche Kommentare wie auf der Facebookseite nicht verhindern. Irgendjemand wird sich immer berufen fühlen eure Stellungnahme ggf. zu wiederlegen oder einfach nur "dagegen" sein. Die Person stört sich ja grundsätzlich an dem Verein/der Person Lovecraft, auch wenn ihr ganz klar definiert habt wo eure Schwerpunkte sind und welches Erbe ihr für förderfähig und -würdig haltet.

  • Ich halte schon für wichtig, dass das Thema von Vereinsseite aus irgendwie kommentiert wird.
    Das würde jetzt zu weit führen, aber ich bin mit diesem Problem im Pagan und Black Metal leider immer wieder konfrontiert (auch wenn es da um echte, noch lebende Neo-Nazis geht) und bin nach jahrelangem Diskutieren und Kämpfen zu dem Entschluss gekommen, dass nur "unpolitisch" sein kann, wer sich unpolitisch platziert. Und bei einer potenzielle rechten, bzw rassistischen Grundposition, muss ich mich dagegen positionieren, um wieder unpolitisch zu sein. Damit meine ich jetzt kein "Refugees welcome" Banner auf der Homepage oder so, sondern einfach ein "Der Verein sieht sich als Verwalter des kulturellen und nicht des politischen Erbes und distanziert sich daher von Lovercrafts politischen Ansichten". Am Besten natürlich eingebettet in eine längere Ausführung wie eben die von Joran (oder auch vorher von Axel oder Nils).

  • Naja. Aber das trifft ja genau das Problem. Der Kommentar auf Facebook zielt nicht auf die Aktivitäten des Vereins ab. Er lehnt Lovecraft generell ab.

    Ihr habt euch ja schon bestmöglich unpolitisch platziert (s.o.). Jemand der Anstoß an Lovecraft nimmt wird ihn mit oder ohne Vereinsstellungnahme ablehnen und Vereine wie euren negativ kommentieren.

  • Auch hier gibt es vermutlich kein richtig und falsch.
    Es muss ja auch keine öffentliche Stellungsnahme sein, die sicherlich auch angreifbar macht. Ich sehe aber schon einen gewissen Vorteil in einer einheitlichen Aussage für Mitglieder, die sich in Situationen begeben, in denen sie den Verein offiziell vertreten.
    Es ist nunmal ein Mitmachverein, der davon lebt, dass sich motivierte Mitglieder in die Öffentlichkeit begeben, nicht nur der Vorstand. Nehmen wir die SPIEL letztes Jahr, bei der verschiedene Vereinsmitglieder den Stand betreut und Interessenten Auskunft gegeben haben. Auf die Infos überr Lovecraft auf der dLG Seite wurde vorab verwiesen, aber einen "How to"-Guide, wenn man unvorbereitet mit Lovecraft Gegnern konfrontiert wird, gab es nicht.

  • Gedanken, Teil 1
    Lässt sich das Werk von seinem Autor trennen?
    Lässt sich der Leser von seiner Lektüre trennen?

    Die Antwort auf die letztere Frage ist schwer zu verallgemeinern und hängt vom Wissen des jeweiligen Lesers ab. Lovecrafts rassistische Positionen wurden im deutschen Sprachraum bisher nicht nachdrücklich thematisiert (die Diskussion innerhalb dieses Forums ist ein Novum). Gehen wir also von einem unwissenden, antirassistischen Leser aus. Diesem Ideal-Leser ist die rassistische Seite des Menschen Lovecraft unbekannt und folglich kann er sich davon auch nicht abschrecken lassen. Also lautet meine Antwort auf die zweite Frage mit Vorbehalt: Ja.

    Wer sich freilich tiefer für Lovecrafts Leben und Werk interessiert, hat schon lange die Möglichkeit, das Thema aufzuarbeiten. Vor allem dank einer regen Diskussion im englischsprachigen Raum. Wie ich jedoch an anderer Stelle schrieb, erscheint mir die mangelnde Konzentration auf diese Angelegenheit folgerichtig. Denn weder war Lovecraft ein Ideologe des Rassenhass’ noch ein Brandstifter oder Gewalttäter. Er verfolgte eine politisch konservative Linie, wobei er sich bisweilen zu indiskutablen, hasserfüllten Äußerungen über Menschen hinreißen ließ. Wie üblich für Rassisten, dachte Lovecraft in dem Zusammenhang nur in Gruppen – und hat auch nur solche adressiert. So weit ich weiß, hat er sich niemals mit einem Individuum einer der von ihm verachteten Gruppen angelegt. Im Gegenteil: Sein Antisemitismus fiel mit erstaunlicher Leichtigkeit zusammen, als er eine Jüdin heiratete.

    Lovecrafts literarisches Werk selbst ist nicht rassistisch und kann davon unabhängig gelesen werden. So lautet meine Antwort auf die erste Frage ebenfalls: Ja.

    Gedanken, Teil 2
    Warum habe ich die zweite Frage – Lässt sich der Leser von seiner Lektüre trennen? – unter Vorbehalt bejaht? Deshalb, weil es zweifelsohne Zustimmung für Lovecraft aus dem konservativen bis rechten Spektrum gibt. Hier müssen wir von einem Publikum ausgehen, das nicht dezidiert antirassistisch eingestellt ist und daher auf entsprechende Äußerungen nicht mit reflexartiger Ablehnung reagiert.

    Konkret möchte ich hier den erwähnten Artikel im „Compact“ nennen. Dass ein Text über Lovecraft in diesem Magazin erscheint, ist durchaus delikat. Wem der Name nichts sagt, hat ausreichend Möglichkeiten, sich ein Bild zu machen. Auf der „Compact“-Webseite jedenfalls finden sich Äußerungen (in Form von Kommentaren), die die Grenze von der geistigen bis zur tatsächlichen Brandstiftung aufweichen. Man blicke etwa in den Kommentar-Thread zu dem Dresdner Bus-Denkmal und der Aktion der „Identitären Bewegung“. Zu bedenken ist, dass es sich dabei nicht um Äußerungen eines seit 80 Jahren toten Autors handeln, sondern um öffentliche (freilich anonymisierte) Kommentare, die in eine aufgeheizte Situation fallen und diese zusätzlich anfeuern.

    Ich will den Text im „Compact“ nicht überbewerten; auch links-alternative Medien haben Lovecraft schließlich schon erwähnt und in ihm eine Projektionsfläche gesehen. Der Artikel selbst ist gut verfasst, nur das Umfeld hat halt einen Hautgout. Dass Lovecraft mit seinen politischen Überzeugungen sowie dem erzählerischen und essayistischen Werk Anknüpfungspunkte für eine rechts-konservative Klientel bietet, sollte jedem klar sein. Nicht unbedingt wegen seines Rassismus’, aber doch aufgrund der unübersehbaren Kulturkritik. Insofern ließe sich die Frage nach der Trennung von Leser und Lektüre genau so gut verneinen.

    Wie aber soll sich nun die dLG verhalten?
    Eine Äußerung wie auf der FB-Seite, dass der Rassist Lovecraft keine Gesellschaft verdient habe, ist kontraproduktiv und zeugt von einer beschränkten Herangehensweise an ein komplexes Thema. Ein Autor kann rassistisch sein – seine Leser und Rezipienten müssen es deshalb noch lange nicht sein. Diese selbstverständliche Tatsache allein erfordert in meinen Augen noch keine Stellungnahme.
    Sollte es allerdings so weit kommen, dass sich solche Kommentare – oder Vorwürfe – mehren und die Vereinsarbeit zu schädigen drohen, würde ich mich für eine Position von Seiten der dLG aussprechen.

    • Offizieller Beitrag

    Zunächst einmal finde ich es sehr begrüßenswert, das diese Diskussion sich hier herausbildet. Und wenn schon nicht als Antwort auf die zitierten Äußerungen auf FB, so ist sie auf jeden Fall für ein allgemeines Verständnis des möglicherweise mit diesem Thema noch überhaupt nicht vertrauten Lovecraft-Fans absolut gewinnbringend.

    Nebenbei bemerkt halten sowohl Marc als auch ich eine grundsätzliche Position der dLG für vorteilhaft, um nämlich inhaltlich solche Diskussionen zuvor zu kommen bzw. unsren Mitgliedern, die sich in Zukunft hoffentlich auf ganz vielen Veranstaltungen herum treiben, eine Perspektive im Umgang damit an die Hand zu geben.

    Und wenn diese Position eben auch "nur" auf die hier bereits geäußerten Feststellungen zurück geht.

  • Danke für die Ausführungen, Axel. Ist auf jeden Fall einiges zum Nachdenken, dabei, daher nur eine kurze Antwort.

    Ich weiß nicht, ob man wirklich warten will, bis eine Stellungnahme eindeutig reaktiv ist. Auch aus Erfahrung bzw eher Beobachtung - da ist man dann ganz schnell in der Ecke "Ja, die haben das nur gemacht, weil sie mussten, in Wirklichkeit..."

  • Danke fürs Teilen.

    Nicht komplett uninteressanter Text, der wenigstens da und dort mal mit Belegen arbeitet, wenn auch nicht immer befriedigend und immer noch mit einem hohen Gehalt an unbelegten Behauptungen. Auch die teils fast hysterische Küchenpsychologie in den Kommentaren ist bemerkenswert.

  • Dass Lovecrafts Rassismus häufig Bestandteil seiner Geschichten sein soll, halte ich für eine gewagte These. Dass er eine Story namens "On the Creation of Niggers" geschrieben hätte, ist falsch; es handelt sich um ein Gedicht.

    Der Verfasser widersetzt sich dem Versuch, Kunst und Künstler zu trennen. Was jedoch im Fall Lovecraft immer wieder frappiert: Gerade Vertreter aus einem dezidiert linken Spektrum lesen sein Werk (freilich: Manche davon, weil sie seine rassistischen Texte oder Briefe nicht kennen). Es wäre also einmal die Frage interessant nicht nur nach Kunst und Künstler, sondern ebenso nach den Rezipienten.

  • Kann ich aus Erfahrung bestätigen. Viele Angehörige der linken/antifaschistischen Szene lesen Lovecraft trotz Kritik an seiner politischen Einstellung, bei der sich dann eben genau auch die Frage gestellt wird ob man Werk und Autor trennen darf. (Das Ganze wurde z.b. im Plastic Bomb Fanzine #91 thematisiert.)

    Es ist halt keine leicht zu beantwortende Frage. Wo fängt es an, wo hört es auf? Pierre-Joseph Proudhon bspw. hat mit seinen Ansichten und seinem Satz "Eigentum ist Diebstahl" den Anarchismus geprägt bzw. "erfunden"...gleichzeitig hatte er antisemitische Vorurteile.

    Ich für mich persönlich habe Lovecraft als Teil eines Tentakelgeschwurbels sogar tattoowiert, da er für mich schon ein Teil seines eigens erschaffenen Mythos geworden ist. Zwar geht er mit so ziemlich jeglicher Ansicht völlig konträr zu meinen politischen Ansichten aber seit ich das erste mal etwas von ihm gelesen habe ist diese kindliche Faszination ausgebrochen, bei der man solche Dinge irgendwie ausblendet. (Obwohl man sowas normalerweise kritisiert bis zum gehtnichtmehr.)

    Schwieirig zu erklären. Naja.

  • Schön gesagt [mention]Error404[/mention] . Ich glaube, dass es aber auch ein bisschen dieser Widerspruch ist, der Lovecraft für "uns" (Linke...) interessant macht. Wie kann jemand, der mit zum Teil sehr antiemanzipatorischen Ansichten daherkam eine Geschichte schreiben die einem so unter die Haut geht. Antwort: Das kann er natürlich, diese Fähigkeit ist kein Privileg irendeiner Gruppe/Partei/Ethnie.
    Dennoch ist es dieses Spannungsfeld, was einen Teil des Reizes ausmacht.

    ( In der Plastic Bomb 91 wird Lovecraft besprochen???? )

    “I couldn’t live a week without a private library – indeed, I’d part with all my furniture and squat and sleep on the floor before I’d let go of the 1500 or so books I possess.”
    H.P. Lovecraft in einem Brief vom 25. Februar/1. März 1929 an Woodburn Harris
  • Wo die Trennlinie zwischen Autor und Werk zu ziehen ist, muss man wohl immer wieder prüfen, eine klare Definition oder ähnliches gibt es eher nicht. Und dass für die profunde Antwort in der Regel enorme Kenntnisse vonnöten sind, kann man immer wieder dann beobachten, wenn damit Schindluder getrieben wird.

    Was genau ist die "Plastic Bomb" und wie wird Lovecraft in der genannten Ausgabe abgehandelt?

  • [mention]Nils[/mention]
    Die Plastic Bomb ist quasi die Bravo für Punker.

    “I couldn’t live a week without a private library – indeed, I’d part with all my furniture and squat and sleep on the floor before I’d let go of the 1500 or so books I possess.”
    H.P. Lovecraft in einem Brief vom 25. Februar/1. März 1929 an Woodburn Harris

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