H. P. Lovecraft
Howard Phillips Lovecraft
Der Anfang des 20. Jahrhunderts (1890 – 1937) lebende amerikanische Schriftsteller Howard Phillips Lovecraft gilt als einer der einflussreichsten Autoren im Bereich der phantastischen Literatur und hat dem Genre der Horrorgeschichten eine Unmenge an wundervollen Geschichten hinterlassen. Die Deutsche Lovecraft Gesellschaft hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Arbeit dieses Autoren, sowie seiner zeitgenössischen Kolleginnen und Kollegen, in die Gegenwart zu transportieren und widmet sich der kritischen Auseinandersetzung mit diesen größten Teils gemeinfreien Werken.
Leben
Howard Phillips Lovecraft wurde am 20. August 1890 in Providence, Rhode Island, geboren. Sein Vater, Winfield Scott Lovecraft, war ein Handelsreisender und verstarb bereits 1898 nach fünfjährigem Aufenthalt im Butler Hospital, wo er, vermutlich aufgrund einer Syphiliserkrankung, behandelt wurde. Der junge Lovecraft wuchs mit seiner Mutter, Sarah Susan Phillips Lovecraft, auf. Sein Großvater, der Industrielle Whipple Van Buren Phillips, wurde schnell zu Lovecrafts männlicher Bezugsperson. Zusätzlich kümmerten sich die beiden Tanten um den Jungen. Lovecraft lernte bereits im Alter von einem Jahr zu sprechen, mit zwei Jahren einfache Gedichte aufzusagen und im Alter von vier zu schreiben. Die frühesten noch erhaltenen Texte sind die Geschichte The Little Glas Bottle und das Gedicht The Poem of Ulysses, beide aus dem Jahr 1897 (Joshi: Leben; S. 14f).
Früh begeisterte er sich für Chemie und Astronomie, sodass er bald begann, kleinere Abhandlungen zu verfassen und wurde bis zu seinem zwanzigsten Lebensjahr auch in regionalen Zeitungen und Magazinen veröffentlicht. Aufgrund seiner schlechten Gesundheit, vor allem seiner psychischen Verfassung, gelang es ihm nicht, einen Oberschul-Abschluss zu erreichen, wodurch ihm der Zugang zu einer Universität verwehrt blieb. 1909 verfiel er deswegen in eine Depression, aus der er sich erst 1914 befreite. In diesem Jahr lernte Lovecraft den amerikanischen Amateur-Journalismus kennen, eine Art Graswurzelbewegung, deren Mitglieder sich gegenseitig selbstverfasste Texte zusandten.
Dieses Engagement im Amateur-Journalismus sollte Lovecrafts Leben auf zwei Arten verändern: Zum einen holte es ihn aus der selbstgeschaffenen Isolation und zum anderen schloss er dort Freundschaften, die zum Teil bis zu seinem Tod halten sollten. Zu seinen Freunden zählten etwa der junge Autor Frank Belknap Long oder der Dichter Samuel Loveman (Kirde: Lovecraft; S. 143f).
1921 verstarb seine psychisch labile Mutter nach zweijährigem Aufenthalt im Butler Hospital.
Im Jahr 1923 wurde das Magazin Weird Tales gegründet. Keinem anderen Medium sollte Lovecraft länger als Verfasser phantastischer Geschichten zur Verfügung stehen.
Er galt neben Robert E. Howard und Clark Ashton Smith als der beste Autor des Magazins.
Im Jahr 1924 heiratete Lovecraft die Jüdin Sonia Haft Greene und zog zu ihr nach New York. Doch hielt diese Ehe nicht lang, sodass er 1926 zurück nach Providence ging. Die Zeit zwischen 1926 und seinem Tod 1937 gilt als Lovecrafts literarisch bedeutendste Phase. In diesen Jahren lebte er mit seinen Tanten zusammen und pflegte sie. Einer geregelten Arbeit ging Lovecraft nicht nach, sodass er begann, Auftragsarbeiten und Überarbeitungen anzufertigen. Sein geringes Vermögen gab er für Ausflüge zu seinen Brieffreunden oder in die Region Neuenglands aus. Lovecraft starb am 15. März 1937 an Darmkrebs.
Werke
Neben seinem – eher überschaubaren – Prosawerk war Lovecraft auch ein begeisterter Briefschreiber, Poet und Essayist. Allein seine Essays füllen fünf Bände und das Ausmaß seiner Briefe lässt sich nur schätzen. Bisher sind fünf Bände ausgewählter Briefe sowie etwa ein Dutzend Briefsammlungen von Korrespondenzen Lovecrafts mit spezifischen Partnern erschienen.
Neben Lovecrafts schwärmerischer Begeisterung für Edgar Allen Poe und Lord Dunsany war er ein begeisterter Leser des walisischen Phantasten Arthur Machen. Diese drei Autoren sollten die Art prägen, wie er Mythen erschuf und in seine Welt einarbeitete. Dennoch war Lovecraft auch gut mit gleichgesinnten Autoren vernetzt. So unterhielt er mit Clark Ashton Smith, Robert E. Howard, Fritz Leiber, August Derleth, Robert Bloch und vielen anderen Phantasten seiner Zeit Korrespondenzen. Gerade Clark Ashton Smith hatte es ihm besonders angetan, so sehr, dass er diesen sogar in Berge des Wahnsinns und Pickmans Modell namentlich erwähnte.
Lovecraft nach den herkömmlichen Genre-Kriterien zu bewerten ist schwer: Seine frühesten Geschichten erinnern an die makaberen Werke von Edgar Allen Poe.
Zwischen 1919 und 1927 schrieb er hingegen viele Geschichten, die von den phantastischen Anderswelten Lord Dunsanys beeinflusst waren.
Erst sein Spätwerk, also ab Cthulhus Ruf (1926), zeigt Geschichten, die wirklich typisch Lovecraft sind. Sie bestehen aus einer Mischung von Weird Fiction (deren Ziel es ist, den Leser zu verunsichern), Regionalliteratur (bezogen auf sein halbreales Neuengland) und den Anfängen von Science-Fiction. Dennoch lässt sich Lovecraft diesen Genregrenzen nicht zufriedenstellend zuordnen, auch wenn er sich stets als Weird-Fiction-Autor sah.
Viel wichtiger ist Lovecrafts Weltanschauung, die in seinen Geschichten ebenso mitschwingt wie in seinen Briefen und Essays.
Es ist zutreffend, Lovecraft als „Kopernikus der Horrorgeschichte“ zu bezeichnen, der „den Brennpunkt übernatürlichen Grauens vom Menschen und seiner kleinen Welt […] zu den Sternen und […] unausgeloteten Abgründen des interstellaren Weltraums“ verschob, wie es Fritz Leiber in seinem Essay Ein literarischer Kopernikus tat (Leiber: Kopernikus; S. 44).
Dieser Kosmizismus ist Lovecrafts größte literarische Leistung. Seine Wesen sind nicht übernatürliche Götter, sondern außerirdische Wesen, die nach physikalischen Regeln funktionieren, die der Mensch nicht zu verstehen im Stande ist. Lovecraft hinterfragt in seinem Werk nicht nur die menschlichen Vorstellungen von Moral, Erkenntnis und dem Platz des Menschen im Universum, sondern bietet eine pointierte Kritik an Mystizismus, Okkultismus und Religion. Dennoch darf man nicht vergessen, auch die unschöne Seite Lovecrafts zu zeigen, denn in vielen seiner Geschichten schwingt auch ein tiefer Rassismus mit, der seinen Höhepunkt wohl in Der Schatten über Innsmouth findet.
Dennoch gehört Der Schatten über Innsmouth, neben Cthulhus Ruf und Der Schatten aus der Zeit zu den besten Geschichten, die er in seiner späten Phase geschrieben hat. Zudem muss noch Die Ratten im Gemäuer erwähnt werden. Jene Geschichte seiner frühen Phase, die auf unnachahmliche Art eine Atmosphäre der Beklemmung erzeugt und die mit einem sorgsam komponierten Ende aufwartet.
Rezeption
Über Lovecrafts Leben und Werk wurden bereits viele Regalmeter gefüllt und es werden ständig mehr. Immer neue Generationen von Lesern entdecken in seinen Werken Themen, Motive und Aspekte, die für sie aktuell sind, die Fragen aufwerfen und zu einer intensiveren Beschäftigung einladen. Außerdem ist Lovecraft, und noch viel mehr sein Werk, Teil der Popkultur geworden. Neben eher subtilen Anspielungen, etwa in der beliebten Serie Game of Thrones, tauchen seine Kreaturen unter anderem in Mike Mignolas Comic-Reihe Hellboy auf. Besondere Bekanntheit genießt der Name Lovecraft unter Rollenspielern: Das auf Lovecrafts Geschichten basierende Rollenspiel Call of Cthulhu gehört seit dreißig Jahren zum Kanon der großen Rollenspiele und gilt für viele als das beste Rollenspiel.
Auch in der Musikwelt, besonders im Heavy-Metal-Bereich, binden viele Künstler seine Kreaturen und Geschichten in ihre Texten ein.
Lovecraft und seine Rezeption sind noch nicht an ihrem Ende angelangt. Für sie gilt, was Lovecraft in Das Grauen von Dunwich seiner Schöpfung, den Großen Alten, zusprach: „Die Alten waren, die Alten sind, die Alten werden sein.“ (Lovecraft: Dunwich; S. 93).
Literatur
- Joshi, S.T.: H.P. Lovecraft. Leben und Denken. S. 12–34. In: Rottensteiner, Franz (Hg.): H.P. Lovecrafts kosmisches Grauen. Suhrkamp Verlag. 1997
- Kirde, Kalju: H.P. Lovecraft (1890–1937) Bemerkungen über das Leben und Werk eines bedeutenden Horrorerzählers. S. 141–173. In: Alpers, Hans Joachim (Hg.): H.P. Lovecraft – Poet des Grauens. Corian Verlag. 1993
- Leiber jr., Fritz: Ein literarischer Kopernikus. S. 44–59. In: Rottensteiner, Franz (Hg.): H.P. Lovecrafts kosmisches Grauen. Suhrkamp Verlag. 1997
- Lovecraft, H.P.: Die Literatur der Angst. Zur Geschichte der Phantastik. Aus dem Amerikanischen von Michael Koseler. Suhrkamp Verlag. 1995
- Lovecraft, H.P.: Das Grauen von Dunwich. S. 73–132. In: Festa, Frank (Hg.): Namenlose Kulte. Horrorgeschichten. Aus dem Amerikanischen von Andreas Diesel und Frank Festa. Festa Verlag. 2006