Cthulhoide Literatur: Eure Favoriten

  • Ligotti scheitert an der Pulp-Kompatiblität

    Das ist zwar gemeinhin zutreffend, ich würde dieses Kriterium aber doch zur Debatte stellen. Auch Lovecraft ist nicht in allen Momenten Pulp-kompatibel, vergleicht man seinen Stil mit dem anderer Autoren der Zeit (dass er trotzdem gedruckt wurde, sei es drum). Das ist natürlich eine These von mir, aber ich finde, dass einige von HPLs besten Stories so gar nicht pulpig wirken.

    Ligotti ist insofern unverzichtbar, als dass er Lovecrafts philosophischen Strang aufnahm, Ich erinnere mich gern an die Erstlektüre von The Conspiracy against the Human Race, auch wenn es natürlich hoch spekulativ ist und eher Sachbuchcharakter hat, aber dennoch war das Buch für mich ein lovecraftiger Genuss ersten Ranges, getragen vom True-Detective-Fieber zugegebenermaßen.

  • Wie steht ihr zu Montague Rhode James? Wenn ich mich an den von Axel genannten Punkte bedienen darf, gibt es einige Gemeinsamkeiten.

    Das Einzige, was komplett bei James fehlt, ist das "kosmische Grauen". Meines Wissens nach wurde James mal gefragt, was er von Lovecraft und dessen Geschichten hält. Im Gedächtnis geblieben ist mir, dass er äußerst allergisch auf die Begrifflichkeit "kosmisches Grauen" reagierte und so gar nichts damit anfangen konnte.


  • Persönlich halte ich sehr viel von James. Aber der wohl wichtigste Punkt der Definition, was Lovecrafts Texte ausmacht, greift hier, wie du ja auch sagst, nicht.

    Daher nochmal zur Definition:

    Rahel , deine Frage zielte sicher vor allem auf den kosmischen Aspekt ab bzw die Mischung mit dem Mythos, oder?

    “I couldn’t live a week without a private library – indeed, I’d part with all my furniture and squat and sleep on the floor before I’d let go of the 1500 or so books I possess.”
    H.P. Lovecraft in einem Brief vom 25. Februar/1. März 1929 an Woodburn Harris
  • Wie steht ihr zu Montague Rhode James? Wenn ich mich an den von Axel genannten Punkte bedienen darf, gibt es einige Gemeinsamkeiten.

    Auf jeden Fall! Bei James finden wir auch den allein vorgehenden Protagonisten, der seine Nase in Sachen steckt, die selten Gutes bringen. Was uns natürlich auch noch zu Arthur Machen führt. Na ja, doch war das – Lovecrafts Vorbilder und Einflüsse – wohl kaum das Thema dieses Threads.

  • Ich bin erstaunt, wie wenig mir hinsichtlich "kosmischen Horrors" in der Literatur einfällt. Würde mich jemand nach Filmen in diese Richtung fragen, könnte ich sofort einige Beispiele nennen.

    Warum ist es Eurer Meinung nach so schwierig, diese Art von kosmischer Bedrohung in der Literatur treffend darzustellen? Wie hat es Lovecraft geschafft, die Stimmung der unheimliche Erhabenheit des Weltalls so gekonnt einzufangen?

  • ich finde, dass einige von HPLs besten Stories so gar nicht pulpig wirken.

    Ich beziehe das nicht allein auf die Sprache, sondern generell auf die Machart der Texte: Wie geradlinig sind sie? Gibt es eindeutige Schock-Effekte? Gibt es fancy Monster? Ist eine gewisse Hemdsärmeligkeit vorhanden? … Ich meine schon, dass Lovecraft solche Kriterien erfüllt.


    Das Problem bei einer so engen Definition - auch wenn ich sie verstehe und richtig finde - ist natürlich auch, dass man dann unweigerlich nicht bei selbsttätigen Autoren landet, sondern bei Verfassern von reinen Pastiches, Leuten, die bewusst nur Lovecraft kopieren um der Kopie willen.

    Ich behaupte sogar, dass es möglich ist, Geschichten zu schreiben, die – ohne irgendein Element des C.-Mythos zu enthalten – näher an Lovecraft sein können als viele der sog. Mythos-Autor*innen.

    Ein Marcel Proust zum Beispiel, ein Wilhelm Raabe oder Franz Kafka stehen mir in der Hinsicht manchmal näher als die dezidierten Lovecraft-Epigonen. (Doch auch hier muss ich feststellen, dass es im Thread ursprünglich ja um cthuloide Literatur ging: also diejenigen Werke, die sich bewusst auf den C.-Mythos berufen.)

  • Ich behaupte sogar, dass es möglich ist, Geschichten zu schreiben, die – ohne irgendein Element des C.-Mythos zu enthalten – näher an Lovecraft sein können als viele der sog. Mythos-Autor*innen.

    Da bin ich voll bei dir - und genau das betrifft nicht nur Literatur, sondern auch Medien wie Film, Comics und Spiele. Eben weil Kulturschaffende dann kosmischen Horror erzeugen können, ohne explizit den Regeln/Traditionen/Historie des Mythos gerecht werden zu müssen.

  • Ich meine schon, dass Lovecraft solche Kriterien erfüllt.

    Okay, das würde ich in vielen Fällen tatsächlich so nicht oder nur sehr begrenzt sehen. Interessant.


    Ich behaupte sogar, dass es möglich ist, Geschichten zu schreiben, die – ohne irgendein Element des C.-Mythos zu enthalten – näher an Lovecraft sein können als viele der sog. Mythos-Autor*innen.

    Das ist gar keine Frage, meine Argumentation bzgl. Ligotti schließt exakt an diese Beobachtung an.

  • Hm, auch auf die Gefahr hin, offiziell gesteinigt zu werden:

    Es gab eine Phase in meinem Leben, in denen mir die "Der Hexer von Salem"-Bücher wirklich viel Freude bereitet haben, Hohlbein hin oder her. Und auch, wenn es stilistisch kaum etwas mit Lovecraft gemein hat, mixt es einige seiner Motive in einem extrem pulpigen Potpourri zusammen - eine Interpretation, die ich nach wie vor unterhaltsam finde (auch, wenn mir der Schreibstil mittlerweile nicht mehr zusagt).

  • Was haltet ihr denn von Lin Carter? Hab ich selbst nie gelesen, ist aber ein Name, der immer wieder auftaucht (sogar schon hier im Thread).

    Die "Hexer von Salem"-Bücher habe ich ebenfalls nie gelesen. Ich erinnere mich aber, dass ich als laufender Meter Hohlbein ganz gut lesen konnte, inzwischen aber nicht mehr. Vielleicht eine Einsteigerdroge?

  • Ich bin grundsätzlich auch pulpig-abenteuerlichen Ansätzen gegenüber offen und mag auch Occult Detective Fiction, daher finde ich sowas wie den Hexer von Salem grundsätzlich interessant. Aber Hohlbein hat einfach so eine miese Schreibe... nee, kann ich nicht lesen. Sehr ärgerlich, dass z. B. auch seine Indiana-Jones-Romane durch seinen schlechten Stil komplett unbrauchbar werden.

    Ich habe ein paar Kurzgeschichten von Lin Carter aus unterschiedlichen Anthologien gelesen und fand sie eher nicht gut geschrieben und vom Inhalt auch wenig ergiebig. Ein bisschen wie Ramsey Campbell, nur schlechtere Prosa. Für mich ist Carter hauptsächlich als Dunsany-Herausgeber interessant.

  • Hohlbeins Hexer... schwierig. Das Prequal, welches er Jahre später schrieb war ganz gut (für ein Groschenheft). Die eigentliche Reihe (ab sie vor ein paar Jahren als E-Book angefangen) musste ich nach dem dritten Band weglegen, weil das mir nicht zusagte.

    Lin Carter... Magst du August Derleths Geschichten? :)

    “I couldn’t live a week without a private library – indeed, I’d part with all my furniture and squat and sleep on the floor before I’d let go of the 1500 or so books I possess.”
    H.P. Lovecraft in einem Brief vom 25. Februar/1. März 1929 an Woodburn Harris
  • Angeregt durch diesen Thread habe ich mir einen Titel vorgenommen, den mir just mein Podcast-Kollege Mirko vermacht hat. Meine verhaltene Besprechung gibt es hier:

    Edward P. Berglund (Hrsg.): Cthulhus Schüler

    Das Buch wurde ja schon erwähnt ( Leuchtendes Trapezoeder sei Dank) ; ich fand es zudem interesssant zu sehen, dass die darin genannte Göttin Yidhra bereits einen stattlichen Wiki-Eintrag aufzuweisen hat.

    Vielleicht nicht gerade ein Favorit, aber ein ordentlich fabriziertes Beispiel für cthuloide Literatur ist für mich jedenfalls:

    Wo Yidhra geht (Where Yidhra walks) von Walter C. DeBill Jr.

  • Das Buch wurde ja schon erwähnt ( Leuchtendes Trapezoeder sei Dank) ;

    Kleine Korrektur: Ich habe Cthulhu's Kinder erwähnt, nicht Cthulhu's Schüler. ;)

    IMG_20210429_064423.jpg

    Das Originalbuch "The Disciples of Cthulhu" wurde in diese beiden deutschen Büchlein gesplittet.

    In Cthulhu's Kinder, was ich habe, ist die von mir erwähnte wunderbare Kurzgeschichte "Und Dunkelheit ist mein Name" von Eddy C. Bertin drin.

  • Um mal bei guten (also wirklich guten) Cthulhu-Anthologien zu landen:

    Jedem empfehle ich immer immer wieder die wohl beste Anthologie, die je gedruckt wurde:

    Turner, James (Hg.): H.P. Lovecraft Hüter der Pforten. Heyne

    H. P. Lovecraft: Cthulhus Ruf (The Call of Cthulhu, 1928

    Clark Ashton Smith: Des Magiers Wiederkehr (The Return of the Sorcerer, 1931)

    Clark Ashton Smith: Ubbo-Sathla (Ubbo-Sathla, 1933)

    Robert E. Howard: Der schwarze Stein (The Black Stone, 1931)

    Frank Belknap Long: Die Hetzhunde von Tindalos (Hounds of Tindalos, 1929)

    Frank Belknap Long: Die Raumfresser (The Space-Eaters, 1928)

    August Derleth: Der Bewohner der Dunkelheit (The Dweller in Darkness, 1944)

    August Derleth: Jenseits der Schwelle (Beyond the Threshold, 1941)

    Robert Bloch: Der Schlächter von den Sternen (The Shambler from the Stars, 1935)

    H. P. Lovecraft: Der leuchtende Trapezoeder (The Haunter of the Dark, 1936)

    Robert Bloch: Der Schemen am Kirchturm (The Shadow from the Steeple, 1950)

    Robert Bloch: Das Notizbuch (Notebook Found in a Deserted House, 1951)

    Henry Kuttner: Das Grauen von Salem (The Salem Horror, 1937)

    Fritz Leiber: Der Schrecken aus den Tiefen (The Terror from the Depths, 1976)

    Brian Lumley: Aufstieg mit Surtsey (Rising With Surtsey, 1971)

    Ramsey Campbell: Schwarz auf Weiß (Cold Print, 1969)

    Colin Wilson: Die Rückkehr der Lloigor (Return of the Lloigor, 1969)

    Joanne Russ: Mein Boot (My Boat, 1976)

    Karl Edward Wagner: Stecken (Sticks, 1974)

    Philip José Farmer: Das Erstsemester (The Freshman, 1979)

    Stephen King: Briefe aus Jerusalen (Jerusalem’s Lot, 1978)

    Richard A. Lupoff: Die Entdeckung der Ghoorischen Zone (Discovery of the Ghooric Zone, 1977)

    Hierbei handelt es sich um die Übersetzung von Arkham Houses 1990er Ausgabe von Tales of the Cthulhu Mythos.

    Die dürfte noch bei @Thorsten als Leihgabe liegen. Wie fandst du "Die Entdeckung der Ghoorischen Zone" denn, Thorsten?

    “I couldn’t live a week without a private library – indeed, I’d part with all my furniture and squat and sleep on the floor before I’d let go of the 1500 or so books I possess.”
    H.P. Lovecraft in einem Brief vom 25. Februar/1. März 1929 an Woodburn Harris

    Einmal editiert, zuletzt von derTräumer (7. Mai 2021 um 11:23)

  • Das Originalbuch "The Disciples of Cthulhu" wurde in diese beiden deutschen Büchlein gesplittet.

    Danke für den Hinweis. Über diese Aufteilung war ich mir nicht im Klaren. Den Namen Eddy C. Bertin habe ich mir schon vorgemerkt. Zum Glück hat mir Mirko auch den Chaosium-Nachdruck von The Disciples of Cthulhu vermacht: die Story wurde beibehalten. Ich habe schon gesehen: deutscher Spruch am Anfang und dann gehts gleich in Hamburg los … ich bin gespannt.

    völlig umsonst

    So würde ich das nicht sehen. In puncto Yidhra konnte ich eine Mythos-Lücke auffüllen. Und … meine zurückhaltende Einschätzung von Ramsey Campbell fand ich einmal mehr bestätigt. :P

  • Danke für den Tipp!

    Direkt bestellt :love:

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!