Preise im RPG-Markt

  • Gibt ja auch Facebook schon eine hitzige Diskussion dazu. Kurz meine Sicht (als jemand der keinen Einblick in die Branche hat):

    Bezahlung:
    Arbeit soll fair bezahlt werden. Dann lieber an anderen Stellen sparen.

    Preis eines Rollenspielproduktes:
    Kino, Disco usw. kosten recht viel für einen Abend oder ein paar Stunden Spaß. Ein Rollenspielbuch bietet über Monate / Jahre Spaß. Daher zahle ich da auch gerne etwas mehr, habe aber Erwartungen an den Inhalt. Hier meine ich nicht zwingend die Masse, sondern die Nutzbarkeit am Spieltisch, einen möglichst geringen Aufwand bei Anpassungen auf die eigene Runde und Anregungen für das Spiel allgemein (Toolbox).

    Dabei sollte man Einsteiger/Grundbücher versuchen günstig zu halten, um auch Schüler, Studenten usw. bedienen zu können bzw. überhaupt neue Kunden zu gewinnen. Quellenbände, Abenteuerbände usw. - die ja eher Luxus sind und dem SL Arbeit abnehmen, können gerne mehr kosten. Leider scheint man aber gerade damit weniger zu verdienen.

    Was ich nicht brauche: Sammlerstücke, also krampfhaft auf "limitiert" getrimmtes Zeug, das zu schade ist für den Spieltisch und nur als "Altersvorsorge" für eBay im Schrank lagert. Auch beim Layout, Bildern usw. kann man wegen mir sparen. Ich will nicht nur lieblosen Text, aber statt 100 Bildern reichen auch 20, wenn die dafür auch gut und passend sind. Und nicht einfach irgendwo herkopiert.

    Texte sollen übersichtlich, kurz und knackig sein, und man muss Infos schnell und einfach finden, auch am Abend selbst. Ewiges Blättern ist einfach lästig. Daher Übersichten, Zusammenfassungen, Listen usw. für den schnellen Zugriff.

    Besonders gerne lege ich Geld auf den Tisch wenn es sich um neue Ideen, ungewöhnliche Ansätze oder wirkliche neue Themen / Abenteuer handelt, vielleicht auch mit Bezug auf Deutschland (z.B. sowas wie "Auf den Inseln").

  • Geht mir ähnlich. Ich bin mit schwarz-weiß vollkommen zufrieden und im Zweifeslfall lieber an fancy Layout und Artwork sparen. Grade im hobbymäßig verlegten Bereich gibt es ja einige sehr... sparsam gelayoutet Sachen (z.B. die meisten der englisch-sprachigen FATE-Playsets), merkt man natürlich, aber funktioniert. Natürlich genieße ich sehr ein wundervoll aufgemachtes Regelwerk und freue mich über schöne Bilder. Aber Hauptpunkt ist das nicht und da zahle ich lieber 40€ für ein Buch OHNE Bilder und in schwarz-weiß, als dass das Ganze dann mit Blut und Unzufriedenheit der freien Mitarbeiter produziert wird.

    Dann viellecht noch lieber ein paar Postermotive in Auftrag geben und die dann seperat verkaufen, kommt meiner Meinung nach dann auch besser zur Geltung.

    PS: Wo ich das Sparen allerdings ungerne sehe ist, wenn es um die Haltbarkeit der Bücher geht. Hardcover ist vielleicht kein Mindeststandard, aber zumindest die vielbespielten Bücher brauchen das meiner Meinung nach schon und wenn ich darüber nachdenke, wie viele Publikationen bei mir nach 3mal lesen auseinander fallen (als ganz krasses Beispiel Dementophobia... das habe ich nicht mal gelesen aus Angst es noch weiter zu zerstören), kommt mit der Dampf aus den Ohren. Dann lieber 5-10€ teurer und dafür ne vernünftige Bindung und/oder Papier was nicht beim Anschauen schon reisst.

  • Ich gebe euch beiden absolut recht. Für gute Arbeit und Qualität bezahle ich auch gerne einen höheren Preis. Verarscht komme ich mir dagegen vor, wenn etwas künstlich teuer ist - und dann aber keinen Mehrwert bietet. Und für mich gibt es auch einen "moralischen Mehrwert": das Wissen, dass die Mitarbeiter fair bezahlt werden.

    Zum Thema: man mag das bewerten wie man möchte - ich finde es von Ulisses schon mal beeindruckend, das überhaupt so offen zu kommunizieren.

    • Offizieller Beitrag
    Zitat von Case


    daraus zitiert bzgl. des Ulisses-Rechenexempels:

    Ein interessanter Artikel aus der Sicht des derzeit größten Verlags in Deutschland. Gleichzeitig ein wenig unehrlich in meinen Augen, da es sich um die Übersetzung eines absoluten Nischenproduktes handelt. Spannender und aussagekräftiger wäre es in meinen Augen gewesen, eines der aktuellen DSA-Abenteuer abzuarbeiten.

    dem ist mM nichts hinzuzufügen...

  • Ich habe nie ein Rollenspielprodukt veröffentlicht. Darum habe ich keine Ahnung, ob und wieviel in diesem Markt (noch) verdient werden kann. Aber die Darstellungen der Produzenten erscheinen mir immerhin zu meiner Wahrnehmung des Marktes zu passen.

    Wenn ich vergleiche, was in den 80er/90er-Jahren auf der Spielemesse im Rollenspielbereich für ein Andrang herrschte, wieviel Umsatz getätigt wurde und wie groß das Angebot war und das dann mit der Spiel in Essen der letzten Jahre vergleiche, entspricht das Bild den behaupteten drastisch zurückgegangenen Auflangehöhen.

    Wenn ich das Angebot im Einzelhandel in Münster in den 80er/90er-Jahren mit heute vergleiche, kann man nur den Eindruck haben, dass der PnP-Bereich stirbt. Von mehreren Läden, die sich stark oder ganz überwiegend auf Rollenspiele konzentriert hatten (neben Karstadt) ist im Prinzip ein einziges Regal in einem Laden für Brettspiele und Tabletop verblieben, wenn mir nichts entgangen ist.

    Wenn Schulfreunde meiner Kinder schon einmal etwas von PnP-Rollenspielen gehört haben, dann liegt das an meinen Kindern. Spielen tut dort meiner Kenntnis nach niemand. Vielleicht sind die noch etwas jung, aber 14 Jahre wäre zu meiner Kindheit kein ungewöhnliches Einstiegsalter gewesen.

    Mich haben die Beiträge nachdenklich gemacht. Wenn die Ulisses Spiele GmbH ihr Stammkapital aus Gewinnrücklagen erhöht, bedeutet das zunächst einmal nur, dass der hierfür erforderliche Gewinn zwar (in wieviel Jahren?) erwirtschaftet aber nicht entnommen wurde und auch langfristig nicht mehr ohne weiteres entnommen werden kann. Das Stammkapital muss nicht in liquiden Zahlungsmitteln bestehen, sondern kann ebensogut in angeschafften Sachwerten (nicht abgeschriebene EDV, Maschinen, Warenlager etc.) gebunden sein.

    Der verlinkte Beitrag von Infernal Teddy ist eine kritische Bewertung der lediglich beispielhaften Darstellung von Ulisses. Richtig ist, dass das von Ulisses / André Wiesler ausgewählte Produkt (Pathfinder: Almanach der okkulten Geheimnisse) kein Bestseller sein dürfte und daher nur einen Teil der Wahrheit darstellt. Ebensowenig könnte man aber ein DSA-Regelbuch zum Maßstab nehmen, denn wieviele vergleichbare Veröffentlichungen gibt es auf dem deutschen Rollenspiel-Markt überhaupt? Und auch ein DSA-Abenteuer ist verglichen mit Abenteuerbänden anderer Systeme kaum repräsentativ.

    Vor allem aber vermag mich diese Argumentation nicht recht zu überzeugen:

    Zitat

    Aber schauen wir uns doch mal die Realitäten an – es sind nicht mehr die späten Achtziger und frühen Neunziger, wo es zu DSA, Shadowrun und der Welt der Dunkelheit (Und vielleicht noch AD&D) keine Konkurrenz gab. Die Verkaufszahlen einzelner Produkte gehen zurück, ja – weil wir mittlerweile einfach mehr Auswahl auf dem Markt haben, als je zuvor. Neben den Giganten haben halt auch Cthulhu, Savage Worlds, Iron Kingdoms, Splittermond, Der Eine Ringe, usw, ad infinitum. Und da ist die internationale Szene noch nicht berücksichtigt – viele Rollenspieler kaufen mittlerweile auch lieber englische Produkte, entweder weil sie keine Lust haben, auf eine Übersetzung zu warten (Wann erscheint eigentlich mittlerweile Numenera?), oder davon ausgehen müssen, dass es keine Übersetzung geben wird. Addiert man noch diverse Crowdfunding-Projekte hinzu… Die Auswahl wird größer, man ist nicht mehr gezwungen, sein Geld bei einer kleinen Auswahl an Verlagen zu lassen, und da gehen halt die Zahlen zurück. Der Markt ist im Vergleich zu den frühen Neunzigern wahrscheinlich nicht kleiner – aber um ein vielfaches fragmentierter.

    Ich habe erhebliche Zweifel, ob das der Wahrheit entspricht. Ist die Auswahl an Print-Produkten im PnP-Segment wirklich soviel größer geworden?

    Der Rollenspielmarkt war nicht so begrenzt, wie er in dem bezeichneten Artikel beschrieben wird. Wenn ich an die späten 80er und die 90er denke, dann fallen mir auf auf dem deutschen Markt auf Anhieb ein: MERS, RuneQuest, Rolemaster, diverse D&D / AD&D - Welten (Forgotten Realms, Ravenloft, ...), KULT, DSA, MIDGARD, MIDGARD 1880, Private Eye, Pendragon, Earthdawn, Cthulhu hatten wir damals auch schon, Hârnworld, Space 1889, Spelljammer, Castle Falkenstein, Fading Suns, Traveller, Paranoia, Cyberpunkt, Shadowrun, Saga, Ruf des Warlock, Ars Magica und und und ...

    Hinzu kamen von diverse systemunabhängige Reihen Kleinverlage wie damals von Drachenland (DL, TR) und Feder & Schwert.

    Was haben wir heute, was wir damals nicht hatten und was sich länger halten könnte? Degenesis (Erstausgabe 2004 und damit auch nicht mehr taufrisch) dürfte sich halten können. Daneben einige Systeme mit Lebensdauern von wenigen Jahren und nur geringer Artikelzahl.

    Ich finde es schon bemerkenswert, wenn als Beispiel für den heute so breiten Markt 'Der Eine Ring' aufgenommen wird. Ich bitte, mich da nicht misszuverstehen: Ich mag das System. Ich finde seinen Ansatz sehr stimmungsvoll und es kommt meinem Geschmack sehr entgegen. Aber wird es sich dauerhaft halten können? Ich glaube eher nicht. Es hat immer wieder ein Mittelerde-Rollenspiel gegeben. Nach dem Ende von MERS kam das Herr der Ringe-Rollenspiel zur Zeit der HdR-Verfilmungen. Es starb (leider als Merchandising-Artikel verkannt) nach relativ kuzer Zeit wieder. Pünktlich zu den Hobbit-Filmen kam 'Der Eine Ring', wobei das RPG sich thematisch passend auf die Region um den Einsamen Berg (Wilderlande) zunächst beschränkt. Wird jemals eine Verbreitung und Produktvielfalt wie MERS erreichen (können)?

    Mein Eindruck des Marktes ist gerade gegenteilig der Darstellung in dem verlinkten Artikel von Infernal Teddy. Konkurrenz hatten wir damals nach meinem Gefühl mehr als heute.

    Und Crowdfunding tritt da an die Startlinie, wo sich niemand findet, das unternehmerische Risiko alleine und mit eigenen Kapital zu stemmen. Crowdfunding ist eine gute Erfindung, aber kein Argument in diesem Zusammenhang, meine ich. Denn es ist eigentlich eher ein Beleg für eine schwierige Marktlage als für das Gegenteil.

    • Offizieller Beitrag

    Und Crowdfunding tritt da an die Startlinie, wo sich niemand findet, das unternehmerische Risiko alleine und mit eigenen Kapital zu stemmen. Crowdfunding ist eine gute Erfindung, aber kein Argument in diesem Zusammenhang, meine ich. Denn es ist eigentlich eher ein Beleg für eine schwierige Marktlage als für das Gegenteil.

    Das erklärt nicht wirklich, warum Big Players wie Sandy Petersen, Pegasus usw. Crowdfunding machen. Die machens, weil sies können.

    Ich habe selbst "Gatsby und das Große Rennen" produziert und veröffentlicht und kann daher wohl ein wenig mitreden. Ich will nicht bestreiten, dass es für kleine Verlage schwierig ist. Mein Appell ist nur: Lasst euch von den Großen in der Branche nicht verarschen. ;)

    Damit bin ich raus aus dem Thema. :)

  • Thema 1: Ihbäh Crowdfunding / Wo sind meine Print-Medien?

    Vielleicht bin ich mit meinem Jahrgang 1990 zu sehr "Rollenspieler 2.0", aber mal im Ernst:

    Internet und Crowdfunding ist eines der besten Dinge, die dem Hobby passiert sind.
    Es gibt so viel Material, so viele coole Ideen, so viele Leute mit denen man reden kann. Du kannst auch mal schnell mit nem Chummer aus Seattle chatten oder telefonieren, um dir erzählen zu lassen, wie die Ecke Sonstwas-Street aussieht. Und wenn es zwei Leute auf der Welt gibt, die gerne ein Rollenspiel für diese Nieschenserie aus den 60ern machen wollen, sie aber in Australien und auf den Philippinen sitzen, dann ist das total egal, man kann das trotzdem zusammen entwickeln.

    Schaut euch wirklich mal unvoreingenommen und ohne "früher war alles besser" den derzeitigen Markt an. Es ist großartig, wie viele wirklich gute neue Ideen da größtenteils auf wirklich hohem Niveau produziert werden. Und dann oft nicht mal viel kosten!! Klar, viel davon kann man nicht über Jahre hinweg jede Woche spielen, sondern sind eher so Happen für zwischendurch. Aber zumindest mir ist das eh lieber. Ich kann auch CoC oder DSA oder Shadowrun nicht über Jahre hinweg ununterbrochen spielen.
    Und - damit mag ich jetzt auf die Füße treten - ABER, wenn der großen Namen der Markt wegbricht, dann nicht, weil das Interesse kleiner geworden ist, sondern weil die Kleinen vielleicht einfach bessere und innovativere Produkte liefern und auch unterm Strich besser an die "neuen Gegebenheiten" angepasst sind.

    Dann zu Crowdfunding: Crowdfunding ist erstmal eine ganz einfache Sache - ein Test des Absatzmarktes. Ein Team kündigt ein Produkt an und lässt sich Kaufzusicherungen geben. Wenn eine bestimmte Geldmenge erreicht wurde, die reicht um das Projekt zum gewünschten Grad zu finanzieren, dann passiert das.
    Und das ist klasse! Es reicht, ein paar "begeisterte Spinner" sich finden, die bereit sind ein paar Dollar oder Euro in einen Topf zu schmeissen und man kann noch so verrückte Ideen umsetzen. FATE-Erweiterungen, Dieselpunk, ein deutsches Steampunk-Setting, GM-freie Noir-Erzählspiele und was weiß ich. Ich bin Crowdfunding-Freak, daher unterstelle ich mir recht guten Überblick über die "Szene" da zu haben, dazu meine Beobachtungen:
    1) Da ist viel, viel Geld im Spiel. Als Beispiel mag man sich mal KULT oder 7.See anschauen. Da wird einem schwindelig.
    2) Fast jedes Projekt wird finanziert. Ich habe bis jetzt 2 Projekte gesehen, die nicht finanziert wurden und die hatten beide offensichtliche Schwächen. Hätte man diese Schwächen ausgemerzt, wären auch diese Projekte erfolgreich gewesen.
    3) Die Produktionen sind erfolgreich/ Das Vertrauen ist da. Klar, Crowdfunding ist immer mit Risiken verbunden. Aber im Ernst: Fast alle Projekte werden (manchmal mit Verspätung, oft ziemlich pünktlich) fertig gestellt und meistens auf einem Level, dass man als Mitfinanzierer sehr zufrieden sein kann. Ich habe nur einmal wirklich reingelangt und da war Kickstarter noch jung ;)
    4) Mitbestimmung ist wertvoll. Im Gegensatz zu "klassicher" Verlagsarbeit ist die Arbeit mit den Kunden aka mitfinanzierern viel stärker eingebunden. Es gibt regelmäßige Updates, verschiedene Produktionsstadien werden zugänglich gemacht und man hat immer die Möglichkeit, Kommentare abzugeben, die so gut wie immer gehört und ernst genommen werden. Das führt zu einer viel breiteren Menge an Ideen und auch dazu, dass am Ende eher das heraus kommt, was man sich hofft und wünscht. Natürlich mit der Gefahr, dass dem Team auf der Nase herum getanzt wird aber auch da: Es gibt keine Verpflichtung, Vorschläge einzuarbeiten, aber nach meinem Gefühl tut das Projekten sehr, sehr gut.
    5) Diener keiner Herren Vor Allem Huan Vu pocht da in seinen Updates immer sehr drauf und ich verstehe ihn sehr gut: Wer Gruppenfinanziert ist, ist sein eignen herr. Es gibt keine Produktionsfirma und keinen Verlag, der einem auf die Finger hauen kann und einem Sachen verbietet oder Ideen zerschießt. Und das ist verdammt wertvoll. Wir sind alle Nischenkreaturen. Alle. Und wir wollen, dass unsere Nischen so produziert werden, wie wir das wollen nicht so, wie sie den meisten Umsatz abwerfen.
    Außerdem spart man sich eine Menge Lektorat(-skosten), denn viele der Mitfinanzierer lesen und testen das Werk mit großen Enthusiasmus.

    Crowdfunding ist also eine super Möglichkeit für Klein- und Kleinstverlage oder Privatpersonen, Projekte umzusetzen, ohne das nötige Kleingeld zu haben oder gleich Haus und Hof versetzen zu müssen bei Misserfolg. Das macht die Landschaft so viel diverser und dynamischer und - man glaubt es kaum - Verlage und Spieler arbeiten enger zusammen.
    Wenn das Verlage wie Pegasus oder Cublicle machen bin ich verwundert, aber gut, so lange Backer Geld in den Topf tun - wer bin ich um zu beurteilen, wofür Crowdfunding gedacht ist und wofür nicht.


    Thema 2: Die Szene stirbt!!111

    Euch spielen zu wenige Leute Rollenspiele? Dann organisiert mal was! Nachdem ich meine alte Gruppe "frei gelassen" habe und wir jetzt lockerer und damit auch mit wechselnder Zusammensetzung spielen, haben wir mindestens 4 regelmäßige Spieler "rekrutiert", die meisten davon absolute Neulinge. In weniger als einem Jahr. Mit weniger als einem Spielabend pro Woche. Einer davon hat in Kiel gleich mal ne neue Rollenspielgruppe aus dem Boden gestampft, weil sie die zwei Spielabende bei uns so toll fand. Ist jetzt natürlich anekdotisch, aber nach meiner Erfahrung als Wald-und-Wiesenmeister, der gerne auch mal lange Zug- und Autofahren, verregnete Campingnachmittage oder wasweißich mit spontanen Rollenspielrunden überbrückt: Es gibt ganz wenige Menschen, die Rollenspielen wirklich doof finden. Fast egal, welches Alter, fast egal, welches soziale Umfeld. Was sich ändert sind die präferierten Systeme, der Wunsch nach Geschichten bleibt.
    Wenn die Szene tot wirkt, dann nur, weil die Leute nicht wissen, wo sie anfangen sollen oder dass es noch mehr als DnD gibt, sicherlich nicht, weil es kein Interesse gäbe. Und das ist was wo ich oder jeder andere semi-engagierte Meister wirklich was gegen tun kann.

    Ich habe eher das Gefühl, die Szene sei "besser" geworden. Früher(TM) hatte Rollenspiel viel von Keller, Nerds und Nummergewusel, man spielte teilweise über Jahrzehnte an der gleichen Geschichte. Heutzutage wirkt alles auf mich viel offener, vielfältiger und dynamischer. Und zumindest mir gefällt es so besser. Ich war aber weder in den 80ern noch in den 90ern dabei, also kann ich da nicht mitreden ;)

    Geschichten erzählen ist vermutlich das älteste Hobby der Menschheit. Daran ändert auch das neue Jahrtausend nichts.

  • Die Verfügbarkeit von Rollenspielprodukten am Markt ist heutzutage sicher nahezu unüberschaubar gross geworden.

    Die Anzahl der Rollenspieler hat m.M.n. seit Ende der 70er genau so stetig zugenommen, wie die Bekanntheit des Genres. Auch ist die Altersstruktur der Spieler viel, viel breiter geworden (damals männliche Spieler um die zwanzig, heute männliche und weibliche Spieler zw. 15-50).

    Anfang der achziger gab es in Deutschland nur Material über den Loock in Hamburg zu beziehen. Da hat man über den Kataloock eingekauft oder man ist dort halt hin gefahren. Ich bin sogar zweimal nach London geflogen, um mein Geld dort für Nerdiges unter das Volk zu werfen.

    Die Palette des Materials ist seit dieser Zeit viel, viel breiter geworden und deren Verfügbarkeit hat sehr, sehr stark zugenommen.

    Die Materialen machen sich aber heutzutage allein durch ihre Präsenz im Internet (Amazon, ebay) immer sebst Konkurrenz. Zweit- und Drittverwertung gab es früher einfach nicht. Hätte ich damals mein Zeug loswerden wollen, hätte ich nur einen Zettel mit “Zu verkaufen“ an der Uni aushängen können oder ich hätte die Altpapiertonne als Möglichkeit gehabt. Heutzutage verkauft man ältere Sachen an Leute im Netz, die dann vielleicht erst einmal keine neu produzierte Ware mehr erwerben. Das Material verschwindet nicht, sondern es wird recycelt. Die Verlage konkurrieren also oftmals mit den eigenen Produkten.

    Dann sind da ja noch die vielen Online-Spiele, die auch eine nicht zu unterschätzende Konkurrenz ausmachen.
    Jederzeit verfügbar. Immer Spieler zur Hand. Immer Erfolgserlebnisse. Null Vorbereitung. Nichts lesen müssen. Und so etwas gibt es für jedes Genre.

    Nur wenige Menschen sind stark genug, um die Wahrheit zu sagen und die Wahrheit zu hören.
    - Luc de Clapiers Marquis de Vauvenargues -

  • Zitat

    Das erklärt nicht wirklich, warum Big Players wie Sandy Petersen, Pegasus usw. Crowdfunding machen. Die machens, weil sies können.

    Tja, das habe ich mich auch schon gefragt. Ich vermute - aber das ist eine pure Unterstellung meinerseits - der Anreiz könnte in folgenden Aspekten zu suchen sein:

    1) Der Einzelhandel wird umgangen und der Gewinn ist auch bei einem Crowdfunding-Rabatt noch größer als beim Verkauf über den Einzelhandel.
    2) Die Werbewirkung eines Crowdfundings angesichts der gegenwärtigen Beliebtheit dieses Modells.
    3) Die Möglichkeit einer Einschätzung der Absatzchancen eines Produktes vor seiner tatsächlichen Produktion / Veröffentlichung.

    Zitat

    Ihbäh Crowdfunding


    Ich glaube, das hast Du missverstanden, Antonia. Ich bin nicht grundsätzlich gegen Crowdfunding.

    Crowdfunding soll von seiner Idee her die Verwirklichung von Projekten ermöglichen, die es sonst wegen des hiermit verbunden wirtschaftlichen Risikos oder mangels der erforderlichen Mittel beim Urheber nicht geben würde. Das ist zunächst einmal ein guter Gedanke.

    Verlage, die über genug Kapital / Liquidität verfügen, um ein Produkt ohne wirtschaftliche Hilfe eines Crowdfunding finanzieren zu können, bedienen sich dieser Möglichkeit aber in aller Regel nicht, weil sie es eben nicht brauchen. Es gibt vereinzelt auch Aktionen von großen Verlagen, aber das dürfte nur einen ganz kleinen Anteil von deren Produktpalette betreffen.

    Ich wollte auch nicht sagen, früher sei alles besser gewesen. Ich habe nur Zweifel an der These, das Angebot im PnP-Bereich sei heute breiter als früher und dies sei der Grund dafür, dass die Absatzmengen bei dem einzelnen Produkt gesunken sind. Ich nehme eine Ausweitung des Angebotes jedenfalls nicht wahr. Ich würde mich sehr wundern, wenn die Gesamtmenge der in Deutschland verkauften PnP-Artikel in den letzten 15-20 Jahren nicht darstisch gesunken wäre.

  • Zitat

    Die Anzahl der Rollenspieler hat m.M.n. seit Ende der 70er genau so stetig zugenommen, wie die Bekanntheit des Genres. Auch ist die Altersstruktur der Spieler viel, viel breiter geworden (damals männliche Spieler um die zwanzig, heute männliche und weibliche Spieler zw. 15-50).

    Anfang der achziger gab es in Deutschland nur Material über den Loock in Hamburg zu beziehen. Da hat man über den Kataloock eingekauft oder man ist dort halt hin gefahren. Ich bin sogar zweimal nach London geflogen, um mein Geld dort für Nerdiges unter das Volk zu werfen.


    Das stimmt so jedenfalls für mich nicht. Ich habe in den 80ern weder beim Loock noch in London eingekauft. Ich bekomme langsam den Eindruck, dass das irgendwie ein regionales Phänomen sein könnte. Oder irgendetwas stimmt an meiner Wahrnehmung überhaupt nicht.

    Mich würde interessieren, woraus Du schließt, dass die Zahl der Rollenspieler seit Ender der 70er stetig zugenommen hätte, Läuterer?

    Ich war seit der zweiten Hälfte der 80er praktisch in jedem Jahr auf der SPIEL und ich frage mich, wo sich die ganzen Spieler heute verstecken? Der PnP-Bereich wird jedenfalls nach meinem Empfinden von Jahr zu Jahr kleiner, das Gedränge geringer, die Besucher mit Kisten voller PnP-Bücher seltener, die Arktikelauswahl kleiner. Und auch die Händler und Kleinverlage bestätigen mir diesen Eindruck, wenn man sich mit ihnen unterhält (manchen kennt man nun schon gut dreißig Jahre). Ein Teil der Interessenten kauft heute sicher im Internet ein und nicht mehr auf der Messe. Vielleicht täuscht mich deshalb mein Eindruck.

    Ich bin nicht mehr oft auf Cons, aber auch die sind nach meinem Eindruck eher kleiner geworden oder gleichen einen Rückgang im PnP-Bereich durch andere Segmente (LARP, Tabletop etc.) aus.

    In den 80ern/90ern war es in einer Universitätsstadt wie Münster überhaupt kein Problem, Rollenspielartikel vor Ort zu kaufen. Es gab gleich mehrere Läden, die sie unfangreich angeboten haben und zwar deutsche und englische Produkte. Hinzu kamen Buchhandlungen und Karstadt mit den "Bestsellern". Wir haben hier immer noch eine Uni, aber keinen Laden mehr mit einem ernstzunehmenden Angebot an PnP-Rollenspielartikeln.

    Die Zahl der PnP-Spieler hat jedenfalls hier nach meiner Wahrnehmung ganz enorm abgenommen.

    Damit will ich überhaupt nicht sagen, früher oder heute sei es besser oder schlechter. Nur glaube ich nicht, dass sinkende Absatzzahlen (so es sie gibt) an einem breiteren Angebot liegen würden. Das Angebot war in den 80ern auch sehr breit. Manches hat man nur vielleicht heute schon wieder vergessen.

    Möglicherweise spielt es eine Rolle, wie man den Rahmen absteckt. Ich betrachte nur das klassische PnP, denn darum geht es bei Verlagen wie Ulisses etc. ja, die der Aufhänger in dieses Threads waren. Natürlich gibt es heute ein größeres Angebot an Online-Rollenspielen, Computer-Rollenspielen, Larps und vielleicht auch Tabletops, Tradingcard-Games etc. Aber das hat mit den Absatzzahlen bei PnP-Arktikeln nichts zu tun.

  • Gut, man muss dazu sagen, ich bin auch viel "international" unterwegs. Viele Sachen werden nicht ins Deutsche übersetzt oder es dauert ewig und drei Tage. D.h. das wirklich übertrieben breite Angebot, also so breit, dass man keine Chance hat, Überblick zu bekommen und zu behalten, ist in erster Linie englisch-sprachig, das stimmt schon.
    Und wenn ich mal in meinen Rollenspielfund schaue, dann haben wir auch in erster Linie englischsprachige Sachen gekauft. Aber auch da liegts zumindest bei mir eher an mangelndem Angebot als an Interesse. Außer FATE, Eis&Dampf, Dresden Files, ein paar CoC-Büchern und der Shadowrun 5-Schwemme habe ich jetzt nichts deutschsprachiges auf dem Schirm, was mich interessiert. Mich würden mal Zahlen von Splittermond, Eis&Dampf, ..., also den "neuen" orginal deutschen Spielen interessieren.

    Was die Messen betrifft: Ich mag keine Messen. Mir ist das zu laut und zu voll und ich bin da nur, wenn ich für irgendwen irgendwas vertrete. Was dann auch okay ist, dann bin ich aufgeräumt und habe was zu tun. Sonst kriegt man mich da nur mit sehr viel gutem Zureden dazu. Und zumindest aus meiner Rollenspiel-Enklave bin ich noch am meisten unterwegs, zumindest auf Conventions sieht man mich doch hin und wieder. Bei meinen befreundeten Enklaven in Nürnberg und Kiel sieht es ähnlich aus. Ich würde also mal so dreist sein, zu sagen, die meisten Rollenspieler lassen sich auf Großevents einfach nicht blicken. Ich denke, in den 80ern und 90ern wäre ich da auch präsenter gewesen, ist das ja die einzige Möglichkeit zum sozialisieren innerhalb des Hobbies. Aber heute? Ich setz mich vor meinen Rechner und kann alles bequatschen, was auf der Seele brennt.
    Natürlich kein Vergleich zu persönlichen Gesprächen auf Conventions, aber um sich nicht durch Messe-Gedränge prügeln zu müssen, reicht es mir vollkommen aus ;)

    Was das kaufen vor Ort betrifft denke ich, gibt es die gleichen Probleme, die jedes Ladengeschäft jeder Branche inzwischen hat: Online-Fachhändler. Man müsste echt mal aufschreiben, wie viel Geld über die Online-Händler fließt. Ansonsten habe ich das Gefühl, gut sortierte Rollenspiel-Läden sind schon immer eine Rarität gewesen. Ich kenne zwei, von denen ich wirklich überzeugt bin, in meiner Heimatstadt ist keiner davon, und die hat immerhin über 1 Mio. Einwohner.

    Aber um mal deine und meine Thesen unter einen Hut zu bringen:
    Das "klassische Rollenspiel" mit ihren Vertretern DnD, DSA, ... nimmt stetig ab, ebenso das Format sich wöchentlich über Jahre hinweg zu treffen, um Kampagnen im immer gleichen Setting zu schreiben. Auch die "alten Vertriebswege" werden immer weniger genutzt.
    Rollenspieler, die verschiedene P&P durcheinander spielen, teilweise unregelmäßig, oft etwas experimenteller (Spielleiterfrei, verrückte Settings, ...) haben deutlich zugenommen. Auch werden Rollenspiele inzwischen oft als elektronische Dokumente oder über Online-Händler gekauft oder von Fans ins Netz gestellte Materialien werden verwendet.

    Ob - beide Gruppen zusammen gerechnet - jetzt ein Zuwachs oder ein Schwund zu verzeichnen ist, wissen wir vermutlich erst, wenn wir eine Volkszählung gemacht haben ;)

    Edit: Und in Bezug auf Crowdfunding. Ich hatte wirklich das Gefühl, dass die meisten Crowdfunding-Projekte von mehr oder weniger Privatpersonen gestartet werden. Teilweise steckt da noch eine Spieleentwickler-Vergangenheit dahinter oder eine Kooperation mit irgendeinem Verlag, aber meistens
    Oft geht es auch erstmal wirklich nur um dieses eine Projekt und keinen erfolgreichen Verlag, viele Projektleiter belassen es dann auch erstmal wirklich bei diesem einen Projekt. Oder starten eben noch mal ein neues Crowdfunding-Projekt. Und das sind meiner Meinung nach die Leute, die "damals" einfach gar nichts hätten rausbringen können. Ist also einfach eine andere Nische. Dass das Geld das in Crowdfunding-Projekte fließt nicht gleichzeitig auch für DSA5 und Pathfinder ausgegeben werden kann ist schon klar. Aber das ist dann eher ein szeneinterner "Kampf", denke ich.

    In Bezug auf die großen Namen: Naja, du kannst auch den Überschuss einfach behalten, ohne irgendeine Form von Rechenschaft abzulegen. Grade bei so Beträgen wie für die Neuauflage von KULT ist das schon ganz schön, um sich ein Polster zuzulegen. Risiken gibt es auch keine, grade für einen etablierten Verlag nicht, der dürfte in die typischen Kickstarterfalle des falschen Kalkulierens ja nicht fallen. Außerdem kommt man um die Verlagspolitik herum, was denke ich, bei Berge des Wahnsinns eine Rolle gespielt haben könnte.

  • Nun. Zur Anfangszeit des Rollenspiels in Deutschland war es schwer an Material jenseits von DSA zu kommen. Das kam 1984 auf den Markt. Ein Freund brachte zu dieser Zeit AD&D aus Hamburg nach Konstanz mit. Midgard (1981) kannten damals nur sehr wenige.
    Es gab, ausser Loock (Laurin / bis '93), sicher noch in anderen Grossstätten Läden, die engl. Produkte schon seit den frühen 80ern importiert haben (z.B. Welt der Spiele in Frankfurt / bis '98), aber wie sollte man herausfinden wo die sich verstecken? So etwas wie Internetrecherche gab es ja nicht. Bei der Auskunft anrufen? Was sollte man da fragen? “Ich suche nen Laden, der Spiele verkauft und vermutlich nen tolkinesken Namen hat???“ Damals war das alles noch sehr regional beschränkt.

    Mit den 90ern schossen dann die Rollenspielläden überall wie Pilze aus dem Boden. 1993 auch bei uns der Seetroll. Damals wurde auch das Tabletop von GW gross. Mitte der 90er kamen dann mit Magic die TCGs auf den Markt. Von da an wanderte das Geld und auch die Zeit vieler RPGamer in die beiden anderen Bereiche und das P&P verlor an Boden. Noch mehr vom Kuchen brach weg, als Ende der 90er immer mehr geLARPt wurde. Viele (ca. 50%) Läden machten seinerzeit zu. Inwieweit auch Cons von der Marktentwicklung betroffen waren/sind ist schwer zu belegen.

    Mit dem Internethandel wurde es dann für den Einzelhandel noch schwerer. Im Gegensatz zu Brettspielen und Comics sind Rollenspielprodukte aber keine Durchlaufware, sondern verkaufen sich nur sporadisch. Sie werden angesehen, durchgeblättert und gerade die Exoten des Marktes liegen zumeist jahrelang auf Halde im Regal. Das ist totes Kapital für einen Laden.
    Mit den MMORPGs (Anfang der 90er) bekam das P&P dann erneut einen starken Konkurrenten. WoW (seit 2005) hat derzeit über 5 Mio. aktive Spieler weltweit.

    Es wird geschätzt, dass ca. 500 Tsd. Rollenspieler (150-650 Tsd.) bei uns in Deutschland aktiv sind. 95% aller Rollenspieler sind demnach zw. 15-35 Jahre alt; bei einem Durchschnittsalter von 26 Jahren; 80% davon sind Gymnasiasten und Studenten; mit ca. 80-90% männlichem Anteil.

    Der Markt wird grösser bzw. bleibt relativ stabil, dennoch hat der P&P Markt viele Anteile an die Online- und Konsolen-Spiele verloren.

    Nur wenige Menschen sind stark genug, um die Wahrheit zu sagen und die Wahrheit zu hören.
    - Luc de Clapiers Marquis de Vauvenargues -

  • Antonia:
    Zahlen zu Splittermond, Eis&Dampf etc. wären tatsächlich sehr interessant. Wenn Du künftig mal darüber stolpern solltest, gib Bescheid.

    Deinen Hinweisen auf eine geringere Wahrnehmbarkeit von Rollenspielern durch Kontakt- und Kaufmöglichkeiten im Internet sind sicher richtig.

    @Läuterer:

    Zitat

    Mit den 90ern [...] wurde auch das Tabletop von GW gross. Mitte der 90er kamen dann mit Magic die TCGs auf den Markt. Von da an wanderte das Geld und auch die Zeit vieler RPGamer in die beiden anderen Bereiche und das P&P verlor an Boden. Noch mehr vom Kuchen brach weg, als Ende der 90er immer mehr geLARPt wurde. Viele (ca. 50%) Läden machten seinerzeit zu. Inwieweit auch Cons von der Marktentwicklung betroffen waren/sind ist schwer zu belegen.

    Mit dem Internethandel wurde es dann für den Einzelhandel noch schwerer. Im Gegensatz zu Brettspielen und Comics sind Rollenspielprodukte aber keine Durchlaufware, sondern verkaufen sich nur sporadisch. Sie werden angesehen, durchgeblättert und gerade die Exoten des Marktes liegen zumeist jahrelang auf Halde im Regal. Das ist totes Kapital für einen Laden.
    Mit den MMORPGs (Anfang der 90er) bekam das P&P dann erneut einen starken Konkurrenten. WoW (seit 2005) hat derzeit über 5 Mio. aktive Spieler weltweit.

    Es wird geschätzt, dass ca. 500 Tsd. Rollenspieler (150-650 Tsd.) bei uns in Deutschland aktiv sind. 95% aller Rollenspieler sind demnach zw. 15-35 Jahre alt; bei einem Durchschnittsalter von 26 Jahren; 80% davon sind Gymnasiasten und Studenten; mit ca. 80-90% männlichem Anteil.


    Das ist interessant. Woher stammt die Schätzung? 150-650 Tsd. ist allerdings eine sehr vage Angabe, die offenbar eine enorme Fehlertoleranz konstatiert.

    Das scheint mir im Ergebnis auch meinem Eindruck zu entsprechen:
    Die Zahl an Rollenspielinteressierten mag wachsen, das vermag ich nicht zu beurteilen, aber die Zahl an Spielern und Käufern des klassischen PnP sinkt - jedenfalls meiner Wahrnehmung nach - seit Ende der 90er stetig. Die Interessen haben sich immer mehr in andere Bereiche (Computer-RPG, Online-RPG, TCG, TableTop, LARP etc.) verlagert. Der Gesellschafts-/Brettspielbereich leidet ja wohl auch unter diesem Phänomen.
    Darum erscheint es mir plausibel, wenn die Verlage rückläufige Verkaufszahlen bei PnP-Artikeln vortragen. Niedrigere Stückzahlen verursachen infolgen von Fixkosten bei verschiedenen Produktionsschritten höhere Stückkosten und erzeugen damit einen steigenden Kostendruck.

  • Die Entwicklung des Rollenspiels ist m.M.n. ein Spiegel der gesellschaftlichen Entwicklung. Es geht um den Wert der Zeit, um eine ständige Verfügbarkeit und Präsenz, sowie um Individualitätsansprüche. Schneller, schneller, immer schneller und die Gier des ichs.

    Ich nehme mal unser Forenspiel als Beispiel. Das ist ein sehr schönes Rollenspiel. Im Gegensatz zu einer P&P Runde sind wir hier frei zu schreiben wann wir wollen und wieviel wir wollen. Das dauert zwar, macht mir aber viel Spass. Das funktioniert bei uns, weil wir uns Zeit dafür nehmen, weil es uns wichtig ist, und weil wir zeitlich nicht festgelegt oder gebunden sind und uns gegenseitig Raum geben. Wir passen das Spiel immer unseren Bedürfnissen an und nicht umgekehrt.

    Es ist doch so, dass es ab einem gewissen Alter immer schwierig wird Termine in einer Gruppe abzugleichen und diese auch noch einzuhalten. Hinzu kommt die Rücksicht auf den Partner bzw. die Familie und in diesem Zusammenhang das Setzen von Prioritäten, denn in den Augen anderer liegt das Bedürfnis am Rollenspiel ganz weit hinten.

    Fertig nach der Arbeit und dann noch entspannt bis in die Puppen rollenspielen? Das ist nicht drin. Manchmal reicht es noch am WE. Manchmal... selten... und immer seltener.

    Doch das zu planen ist mehr als mühsam und wird zunehmend schwieriger. Hat man es dennoch auf die Reihe bekommen, sagen vielleicht Spieler ab, oder man bekommt selbst den Kopf nicht frei.

    An der Konsole oder online ist das alles viel einfacher und vor allem unverbindlich. Dort kann man sich ausleben wie, wann und wie lange man das möchte und zwar genau dann, wenn man das möchte. Ohne Planung, ohne Vorbereitung, ohne Terminprobleme. Nur einsam und allein halt. Das ist sicher nicht besser, aber zuverlässig.

    Die jüngeren Spieler suchen die schnelle Bestätigung. Den Erfolg. Den Headshot. Den Highscore. Wenn es nicht klappt, wird neu geladen und ... nächster Versuch. Wenn jedes Draufgehen im Netz und an der Konsole dazu führen würde, dass sich der Spieler einen neuen Charakter erstellen müsste, dann würde das Gezocke wohl kaum einer machen.

    [ edit ] Das ist jetzt irgendwie sehr deprimierend zu lesen. War aber nicht so gedacht. Es war eher nüchtern und objektiv betrachtet intendiert... dennoch... irgendwie sehr deprimierend.

    Nur wenige Menschen sind stark genug, um die Wahrheit zu sagen und die Wahrheit zu hören.
    - Luc de Clapiers Marquis de Vauvenargues -

    2 Mal editiert, zuletzt von Der Läuterer (26. April 2016 um 15:14)

  • Nachtrag:
    Die von mir gelisteten Daten sind immer mal wieder dem Netz zu entnehmen. Diese stammen aus dem Buch: Leben in Szenen - Formen juveniler Vergemeinschaftung heute.

    Nur wenige Menschen sind stark genug, um die Wahrheit zu sagen und die Wahrheit zu hören.
    - Luc de Clapiers Marquis de Vauvenargues -

  • Eure Schilderungen sind für mich sehr interessant. Ich bin quasi der dienstälteste Spieler und Meister meiner Enklave, daher kenne ich mich mit den Frühzeiten nicht aus. Wirklich was dazu zu sagen kann ich auch nicht mehr, nur meine Beobachtungen, von denen ich nicht weiß, wie allgemeingültig sie sind.

    Das

    Zitat von Der Läuterer


    Die jüngeren Spieler suchen die schnelle Bestätigung. Den Erfolg. Den Headshot. Den Highscore. Wenn es nicht klappt, wird neu geladen und ... nächster Versuch. Wenn jedes Draufgehen im Netz und an der Konsole dazu führen würde, dass sich der Spieler einen neuen Charakter erstellen müsste, dann würde das Gezocke wohl kaum einer machen.


    mag ich dann aber doch nicht so stehen lassen. Da schwingt bei mir wieder ein bisschen zu sehr "Die Jugend von heute" mit. Das ist glaube ich keine Frage des Alters, sondern des Charaktertyps. Das ist ein ganz bestimmter Typ Mensch, dessen Gehirn so gut auf Highscores und schnelle Erfolge reagiert. Meiner Beobachtung nach stark korreliert mit dem, was wir als "Powergamer" bezeichnen. Und diese Leute (also nicht alle, aber doch die meisten) wandert letztendlich zu den Computerspielen ab. Da sind sie imho auch besser aufgehoben. Interessante 'anecdotical evidence' von meiner Seite: Der Altersdurchschnitt der Zocker meines Umfelds ist fast 10 Jahre höher als der Rollenspieler.
    Nebenbei gibt es für PnP durchaus auch Modi und Systeme mit schnellem Erfolg. Oder Systeme wo die Charaktererschaffung im Wesentlichen aus der Namenswahl besteht. Daran soll's also mal nicht Scheitern ;)

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