Lovecrafter Online – 056 – Le Tre Madri


Welcher Kultist mag nicht stets den Großen Alten Cthulhu bei sich tragen? Verborgen vor den neugierigen Augen Nichteingeweihter, gut verstaut in der Hosentasche, immer bereit in die Hand genommen zu werden, um zu beten und zu huldigen oder ihn einfach nur unterwürfig zu berühren. IÄ! Cthulhu! Der Kult kann sich freuen, denn die Sterne standen günstig und beeinflussten den Künstler Oliver Weber, der eine wunderschöne kleine Taschenversion des großen Schlafenden in Zinn kreierte, den ich euch gerne mit dem folgenden unausweichlichen Interview vorstellen möchte.
Bitte stelle dich und deine Arbeit den Leser*innen des Lovecraft Online vor.
Ahoi, ich grüße! Mein Name ist Oliver Weber, ich bin 34 Jahre alt und komme aus dem schönen Büdingen in Hessen. Zu meinen Steckenpferden zählen die nordische Mythologie der alten Skandinavier, die Werke des Howard Phillips Lovecraft und das künstlerische Arbeiten mit Schnitzmaterialien und das Gießen von Zinn und Kunstharzen.
Vor nun genau drei Jahren habe mich als Figurengießer selbstständig gemacht. Dazu sollte man wissen, dass mein Interesse schon von klein auf dem künstlerisch/kreativen Sektor galt. Mit meinem 16. Lebensjahr verließ ich mein Elternhaus, um meine Ausbildung als Elfenbeinschnitzer an der BSO der Berufsfachschule für das Holz und Elfenbein verarbeitende Handwerk im Odenwald Michelstadt zu beginnen. Ich möchte vornweg mit dem Irrtum einräumen, dass es sich bei den zu verarbeiteten Materialien um Elefantenelfenbein handelt. Hierbei werden ausschließlich Materialien wie Edelhölzer, Mittelfußknochen vom Rind, Horn, Geweih, die mittelamerikanische oder südafrikanische Taguanuss (auch als Steinnuss bezeichnet), sowie fossiles Mammutelfenbein zur Herstellung von Kleinplastiken oder Schmuck verarbeitet. Nach Abschluss meiner Lehre als Elfenbeinschnitzer zog ich ohne weitere Pläne ins Allgäu. Lange Zeit verfolgte mich der Traum, mich als Künstler selbständig zu machen, was mir schließlich vor drei Jahren gelang.
Wie bist du zum Figurengießen gekommen?
Während meiner Lehre als Elfenbeinschnitzer erlernte ich den händischen Formenbau. Hierzu wurden Modelle aus Keramik, Ton oder Gips nahtlos eingeschalt und sorgfältig mit Formensilikon behandelt. Dem ein oder anderen Zahntechniker dürfte das Prinzip bekannt sein. Nach der Lehre und 4 scheinbar endlosen Jahren im Allgäu zog ich wieder zurück nach Hessen und verschwendete ab 2013 meine Zeit in Gummi- und Kunststofffabriken. Hier lernte ich allerdings das ein oder andere über das "Getemperte Spritzgussverfahren" von Elastomeren. Das Herstellungsverfahren von elastischen Kunststoffobjekten rief wieder meinen kleinen Traum wach. „Sollte ich mich je selbständig machen“, sagte ich mir, „so möchte ich meine erlernten Fähigkeiten hinsichtlich des Schnitzens mit den Kenntnissen des Gießens kombinieren“
Wie kann man sich den Entstehungsprozess einer Figur vorstellen?
Schon in frühen Teenager-Tagen interessierte mich die Nordische Mythologie. Um eine kleine Gottheit - ich nenne sie Taschengötter - zu kreieren bedarf es erstmal eines umfangreichen Wissens um Charakter, Attribute und Design zu bestimmen. Stehen die Merkmale der jeweiligen Figuren-Gottheit fest, skizziere ich einen groben Riss, um keines der ermittelten Attribute zu vergessen. Nach dem Riss übertrage ich meine Zeichnung auf einen kleinen Gipsblock und passe sämtliche Einzelheiten an, um mich an den Linien beim Herausarbeiten der Figur zu orientieren. Oftmals bedarf es erst keiner Skizze und ich schnitze wild darauf los. In diesen Momenten scheint es mir so, als wäre ich bloß Beobachter meiner eigenen Hände, während sie die Figuren aus dem Gipsblock herausarbeiten. Nach Fertigstellung des Gipsmodells wird die Figur mit vier kleinen Aluminiumwänden eingeschalt. Als Formensilikon verwende ich das sogenannte RTV-HB, ein hitzebeständiges Silikon, welches es mir erlaubt Zinngüsse bis 450 °C abzuformen. Nach Auskühlung der Figur, wird sie abschließend nachgeschliffen und folglich poliert.
Was war deine erste Figur?
Meine erste Figur war ein kleiner Taschengott-Thor. Seinerzeit stellte ich hobbymäßig 21 dieser Figuren her. Ich sollte mir allerdings erst später über das Potential dieser kleinen Figuren klar werden. Ab 2015 fragte mich ein Freund, woher ich denn diese "kleine coole Figur" hätte. Ich sagte ihm, dass ich sie selbst hergestellt hätte und noch über rund 20 Stück von dieser Sorte verfügte. Rasch ergab ein Wort das andere und ich hatte meinen ersten Kunden, der mir gleich drei von ihnen abkaufte. Die Figuren machten die Runde und erfreuten sich einer Beliebtheit, mit der ich nicht gerechnet hatte. Nach Vorschlägen, ich solle doch mal mehrere Charaktere der nordischen Mythologie kreieren, kam mein Traum wieder zum Vorschein. Aber die tatsächliche Selbstständigkeit sollte ich erst in fünf Jahren erlangen.
Woher nimmst du deine Inspiration?
Für einige mag das vermutlich irre klingen, aber außer, dass die Arbeit wahnsinnigen Spaß macht gibt es einen wesentlich größeren Aspekt den ich gerne mit euch teilen möchte. Mich inspiriert das Gefühl, anderen Menschen etwas mit auf den Weg zu geben. In der nordischen Mythologie vertritt jeder Gott seine ganz individuellen Eigenschaften, welche mit ihrer Bedeutung in der jeweiligen Figur einhergeht. So haben wir beispielsweise Freya, die Göttin der Liebe oder Heimdall, den Wächter der Götterwelt Asgard. Im Falle Heimdalls ist die Figur ein Wächter und Schützer des Heimes und Freya soll in Sachen Liebe unterstützend wirken. So mache Menschen stempeln das als blanken Unsinn ab, doch die Menschen, denen ein Taschengott auf die Sprünge hilft, ist er ein kleiner Begleiter eines Abschnitts des eigenen Weges. Mich macht es sehr glücklich mein Handwerk als einen unterstützenden Part vieler Menschen zu betrachten.
Wie kamst du das erste Mal mit H.P. Lovecraft in Berührung?
Ich schätze es war 2015, als ich nach Hörbüchern für meinen Hobby- und Basteldachboden gesucht habe. Während kreativer Handarbeiten tuts sich oftmals schwer, zugleich ein Buch zu lesen. Schnell erkannte ich, dass mich das literarische Universum Lovecrafts in seinen Bann zog und ich immer mehr davon hören wollte. Leider waren seinerzeit nicht alle Hörbücher verfügbar, und so entschloss ich mich, das Gesamtwerk von H.P. Lovecraft zu bestellen und mein eigen nennen zu dürfen. Beim Lesen der ersten Zeilen tauchte ich sofort in die Tiefen dieser literarischen Meisterwerke und war plötzlich ein Bestandteil dieser grandiosen Welten. Auch musste ich feststellen, dass sich meine innere Lesestimme von der des Synchronsprechers David Nathan gar nicht mehr unterschied.
Cthulhu Sonderedition gekommen?
Wie bist du auf die Idee derDa ich ohnehin als Göttermacher tätig bin, stellt sich erst gar nicht die Frage, nicht auch in anderen kulturellen, fiktiven oder mythologischen Welten zu angeln. Da mich die Erzählung The Call of Cthulhu sehr gefesselt hat, musste Cthulhu ein Teil der Familie meines Katalogs werden. Eine Neuauflage für Cthulhu ist für Januar 2024 in Planung.
Woran arbeitest du aktuell?
Aktuell beschäftige ich mich mit der 4. Götterreihe, bestehend aus 6 ca. 4cm hohen Figuren. Jede der Reihen erhält 5 bis 6 Götter der nordischen Mythologie. Der Plan ist, bis Ende des Jahres ein Götterorakel zu entwickeln, in dem jede Figur entweder einzeln gezogen oder in gewisser Formation gelegt werden kann, um seinen eigenen Tag oder Woche zu bestimmen. Die Funktionsweise gleicht einem Tarotkartendeck bzw. den Futharkrunensteinen. Dem Nutzer soll es anhand der Figuren mit ihren individuellen Eigenschaften erlauben, das Schicksal zu erfragen, um sicherer in eigene Projekte zu starten. Das Götterorakel soll zudem einen Leitfaden darstellen, um eigene Überlegungen sorgfältiger zu überdenken, um das wesentliche nicht außer Acht zu lassen. Hierbei ist das Ziel, noch ein literarisches Beiwerk aufzusetzen, wodurch die Anwendung des Orakels mit den beinhalteten Göttern spielend leicht erläutert wird.
Wie viele Figuren hast du bislang angefertigt?
Der aktuelle Katalog umfasst mittlerweile 116 Artikel. Bedauerlicherweise mussten einige Projekte anderen Neuauflagen weichen. Über den Daumen geschätzt dürfte ich insgesamt um die 130 Artikel ins Leben gerufen haben. Leider ist es mir nicht möglich, eine genaue Anzahl der veräußerten Figuren anzugeben. Grob über den Daumen gerechnet sind es etwa 3.000 Figuren jährlich. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es mal gute und schlechte Monate gibt. Bedingt durch die Tatsache, dass ich ein Ein-Mann-Betrieb bin, sind größere Mengen leider nicht realisierbar, da Produktion, Buchhaltung und Versand parallel zur direkten Kundenbetreuung laufen. Der große Wunsch ist es, eines Tages einen Betrieb zu leiten in dem es jungen Künstlern möglich ist, sich im Kunstwesen zu entdecken und ihr eigenes Renommee aufzubauen.
Wie sehen deine Pläne für die Zukunft aus?
Es gibt Fälle, in denen Wunschdenken nicht ganz von der Realität abweicht. In anderen Fällen sehen wir uns in einer Traumblase, bekommen aber keinen Fuß vor den anderen. Wie ich abschließend zur letzten Frage schon andeutete, ist es ein großer Wunsch, zukunftsorientierte Arbeitsplätze für junge Künstler ins Leben zu rufen. Das sehe ich aber noch in ferner Zukunft. Zuallernächst ist es mir sehr wichtig, in eine angemessene Werkstatt umzusiedeln, um meinen Arbeitsprozess effizienter durchführen zu können. Ansonsten geht die tägliche Arbeit wie gewohnt weiter
Wie kann man dich kontaktieren?
Schaut einfach bei Facebook vorbei unter:
„NORDISCHE GÖTTERWELT TORDENSØNN“
Ich freue mich auf euch!
Antworten 1
Bloo
Sehr angenehmes Interview. Vielen Dank.
Der kleine Taschen-Cthulhu sieht echt gut aus (und hat verdächtige Ähnlichkeit mit Lokey 's Profilbild
).
Es freut mich immer sehr zu hören, oder zu lesen, wenn Künstler/Kunsthandwerker von ihren Werken leben und selbstständig arbeiten können.
Vielleicht ist die Neuauflage Cthulhus ja auch so schnell vergriffen, dass es sich lohnt auch andere Große Alte ihren Weg in die Hosentaschen finden. Meine hätte auf jedenfall noch Platz.
Schade nur, dass der Kontakt scheinbar nur über Facebook möglich ist, da ich dieses nicht nutze.