Lovecrafter Online – Musik im cthuloiden Rollenspiel
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Knochensang -
27. Februar 2023 um 12:00 -
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Im Laufe meiner Zeit als Leiter verschiedener Pen & Paper-Gruppen bin ich nicht umhingekommen, mir immer wieder Gedanken über das Ambiente während einer Rollenspielrunde zu machen. Ein wichtiger Faktor, der hier im Vordergrund steht, ist natürlich die musikalische Untermalung. In diesem ersten Teil meiner zweiteiligen Artikelreihe spreche ich ein wenig über die Verwendung von Musik an sich. Im zweiten Teil werde ich dann einige Bands, Projekte und Playlists vorstellen, welche sich meiner Meinung nach gut für ein Spiel nach Lovecrafts Motiven eignen.
Aufbau der Musikwahl
Ich persönlich neige dazu, je nach Szenerie eine andere Musik laufen zu lassen. Das bedeutet also nicht durchgängig einen einzigen Soundtrack, sondern unterschiedliche Stücke, die immer an die jeweilige Szene angepasst sind. Im Vordergrund steht dabei natürlich der Aufbau einer unheilvollen und bedrohlichen Stimmung: Immerhin bewegen wir uns im hier Bereich des Horror-Rollenspiels.
In diesem Zusammenhang tendiere ich stark dazu – wenn ich mir den Soundtrack zu einem Szenario überlege – zunächst mit „seichter“ Musik zu beginnen. Die darf natürlich dennoch ein wenig unterschwelliges Grauen enthalten. Dann erfolgt der Übergang zu konkreten Gruselthemen, und am Ende versuche ich, den blanken Horror in akustischer Form in die Runde zu bringen. Dieses Unterfangen mag nicht immer gelingen, denn neben der Musik spielen natürlich auch andere Faktoren eine Rolle, wie etwa Beleuchtung, Wortwahl des Spielleiters, Handlung des Abenteuers und – am entschiedensten – das Mitwirken der Spieler. Dennoch ist Musik eine äußerst wichtige Sache, und richtig eingesetzt, vermag sie die anderen Faktoren zu beeinflussen bzw. es entsteht im Idealfall eine Wechselwirkung.
Beginn
Zu Beginn eines Abenteuers würde ich Lieder aus den 20er- und 30er-Jahren abspielen, auch wenn die Geschichte nicht in dieser Zeit angesiedelt ist. Dies dient nämlich auch der Betonung des Lovecraft-bezogenen Hintergrunds. Jazz und Swing eignen sich besonders gut, es sollte nur keine allzu schnelle Musik sein. Einen besonderen Gruseleffekt erreicht man, wenn es sich bei den Songs um alte Grammophon-Aufnahmen handelt – auf diese Weise klingt fast jedes Lied leicht gespenstisch. Ein interessantes Genre stellt in diesem Zusammenhang der sogenannte Dark Jazz dar, eine Mischung aus Jazz und Dark Ambient. Diese Musik ist von sich aus sehr düster und eher ruhig gehalten, nicht so hektisch wie manch anderes jazzige Stück.
Es spricht übrigens nichts dagegen, eine passende Playlist schon vor dem eigentlichen Spiel einzusetzen, also die Musik bereits laufen zu lassen, auch wenn noch nicht alle Spieler anwesend sind oder man sich zunächst noch über andere Dinge unterhält. Gleiches gilt für die Erstellung von Charakteren. Meiner Erfahrung nach ist es wichtig, dass Atmosphäre nicht erst mit der Eröffnung der Runde beginnt, sondern schon vorher den Raum für sich beansprucht. Dadurch wird eine gewisse Grundstimmung geschaffen, die einen erleichterten Einstieg in das Spiel ermöglicht und alle Anwesenden frühzeitig zu der beabsichtigen Gemütslage hinführt.
Mittelteil
Für den Hauptteil eines Lovecraft-Szenarios eignen sich meiner Meinung nach am ehesten Soundtracks von entsprechenden Filmen und Videospielen. Diese haben den Vorteil, dass sie
erstens) konkret in den Horror-Bereich eintauchen und
zweitens) eine breite Abwechslung von verschiedenen Themen und Gefühlslagen enthalten.
Da sie mitunter auch Phasen der Ruhe enthalten, sorgen sie direkt für Abwechslung und halten das Spiel dynamisch. Auch gibt es moderne Komponisten, die ebenfalls Stücke von cineastischem Charakter zur Verfügung stellen, allerdings nicht für Filme und Games, sondern zur gezielten Verwendung in Rollenspielen. Und wer sich darüber hinaus noch in den Bereich der Klassik wagen will, der kann auch dort finster anmutende Kompositionen entdecken. Auf Beispiele diesbezüglich werde ich im nächsten Artikel verweisen.
Finale
Für nun wirklich tiefgehenden Horror empfehle ich Musik aus den Bereichen Dark bzw. Ritual Ambient. In diesen Genres haben wir es mit Klangwelten zu tun, die eigens dazu kreiert wurden, Atmosphären des Grauens, des Okkulten und der Paranoia zu schaffen. Eine Art Hintergrundmusik ohne Songstruktur, bestehend aus Lauten und Effekten, die nicht immer klar definierbar sind. Sehr unterschwellig, sehr subtil und schleichend.
Da diese Form der Musik über längere Strecken auch von Monotonie geprägt ist, besteht die Gefahr, dass aus Horror schnell Langeweile werden kann, was tunlichst vermieden werden sollte. Aus diesem Grund verlangt der Einsatz von Ambient ein gewisses Feingefühl – die Musik sollte noch genügend Spitzen und Richtungswechsel enthalten, damit die oben erwähnte Dynamik nicht verloren geht. Ambient würde ich möglichst erst gegen Ende eines Abenteuers einsetzen, quasi als Höhepunkt des zuvor herbeigeführten bzw. angekündigten Horrors. Aber auch Szenen, die in Höhlen, Sanatorien oder verlassenen Ruinen spielen, profitieren von diesem Genre. Das Gefühl von Isolation und Paranoia geht häufig mit derartigen Kompositionen einher, sodass Ambient immer dann genutzt werden sollte, wenn die Spieler bzw. Charaktere das wirkliche Grauen erwartet.
Auch hier werde ich demnächst einige Beispiele aufführen, zumal Ambient gewisse Nuancen aufweisen kann: So gibt es Bands, deren Ziele in einer klassisch okkulten Stimmung liegen, während anderen an der Schaffung einer eher heidnisch geprägten Atmosphäre gelegen ist.
Kampfsequenzen
Zum Schluss noch ein Wort zu Kampfmusik im Pen & Paper. Da ich als Spielleiter Kämpfe immer als äußerst stressig empfinde, fällt es mir durchaus schwer, dafür die passende Hintergrundbegleitung zu finden. Einerseits will man schon ein action-orientiertes Thema abspielen, andererseits darf es aber auch nicht zu action-lastig sein, da sich sonst der Stressfaktor (des Spielleiters) erhöht. Auch hier tendiere ich teilweise zum Ambient, allerdings versetzt mit starken Industrial-Elementen. Auf diese Weise wird eine handlungsorientierte Stimmung mit viel Bewegung erzeugt, die aber zugleich immer noch ruhig genug ist, um nicht hetzend zu wirken.
Abschlussbetrachtung
Wie anfangs gesagt, ist Musik absolut wichtig, gerade wenn es um eine Atmosphäre des Horrors geht. Wer sich nicht sicher ist, sollte auf bewährte Soundtracks von Filmen und Spielen setzen, bei Dark Ambient ist Vorsicht geboten.
Aber für was auch immer man sich entscheidet – ohne Musik sollte keine Rollenspielrunde beginnen, denn kaum etwas beeinflusst die Stimmung am Spieltisch so sehr wie eine sorgfältig ausgewählte Klangkulisse.