Lovecrafter Online - 016 - Deep Madness: Der Wahnsinn für das lovecraftsche Brettspielherz
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Seanchui -
30. März 2020 um 14:00 -
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Das Spiel überzeugt nicht nur durch die vielen detaillierten Miniaturen und die Atmosphäre des Settings, sondern vor allem durch die erzählerischen Elemente. Den altbekannten Vertretern des Genres wie Arkham Horror und Villen des Wahnsinns ähnlich, spielt man bei Deep Madness mit seinen Mitspielern gegen das Spiel selbst und versucht ein durch die Kampagne vordefiniertes Ziel zu erfüllen. Die Spieler schlüpfen in die Rollen von Ermittlern, die sich durch die verdorbene und monsterverseuchte Tiefseestation Kadath kämpfen müssen. Die zehn im Grundspiel enthaltenden Kampagnen erzählen von den stygischen Geschehnissen in Kadath, die voller Horror und Abgründen sowohl an H. P. Lovecrafts Schrecken, als auch an modernere Schöpfungen erinnern.
Hat man eine Kampagne ausgewählt, baut man aus den 30 Spielplanteilen eine für das Szenario spezifische Karte auf. Räume können und werden während des Spielverlaufs verdorben, was sie für Spieler gefährlich und zu Monsterherden macht. Durch eine Verderbnisleiste wird angezeigt, wie weit fortgeschritten die Spielereignisse sind und wie viele Monster pro Runde erscheinen. Die Spieler müssen sowohl schnell als auch taktisch vorgehen, denn wenn die Verderbnisleiste zu ihrem Ende kommt oder nur einer der Ermittler getötet wird, haben die Spieler das Szenario verloren.
Weitere Spielmechaniken wie Atemlufträder, die den verbliebenen Sauerstoff eines jeden Ermittlers anzeigen, oder geflutete Bereiche der Tiefseestation oder das Verbrauchen von Vernunft zum Wiederholen von Würfelproben, bieten ein packendes Spielerlebnis und unterstützen das Setting im dunklen, drückenden Kadath. Jedes Szenario und jede Karte bietet zudem noch atmosphärische Texte, die die Spieler tiefer in die Geschichte eintauchen lassen.
Dagon und Tiefe Wesen einen Auftritt. Durch die Namen der Ermittler sind andere Eastereggs eingebaut: Ermittler wie Roman Asimov (nach dem russischen Biochemiker und Sci-Fi-Autor), Arthur Wayland (nach der Wayland Company aus der Alien-Saga), Jacob Clarke (nach dem Protagonisten aus Dead Space) oder Ward Phillips (offensichtlich nach Lovecraft selbst).
Die Miniaturen sind ein anderes Highlight dieses Spiels. Das Grundspiel umfasst 60 Monsterfiguren und 6 Ermittlerfiguren. Jede Figur ist hoch detailliert und bildet manchmal eine Hommage an lovecraftsche Schrecken oder andere Verderben. Beispielsweise sind Monster wie Hysterien den Facehuggern aus der Alien-Saga ähnlich oder die Gedankenfresser sehen wie Headcrabs aus Half Life aus. Auch habenDie Abbildungen und Bilder im Spiel sind ebenfalls mehr als erwähnenswert. Jede Monsterkarte hat eine ungewöhnlich stimmige und erschreckende Abbildung der Kreatur. Die Ermittlerkarten zeigen schöne Zeichnungen der Spielfiguren in einer ausgewählten Pose, die dem Charakter der Figur dienlich angepasst wurde. Es unterstreicht auf gewisse Art und Weise die Rolle der Ermittler in der Gruppe und bringt nochmals mehr Tiefe in die Charaktere.
Selbst die Rückseiten der Spielkarten stechen ins Auge. Brutkarten, die die Monster enthüllen, zeigen eine offene Schleuse, die einen blutrot gefärbten Raum freigibt und Wahnsinnskarten, die einen Ermittler nach dem Ringen mit einem Monster um den Verstand bringen können, haben ein schreiendes Gesicht in einem rot-schwarzen Wirbel auf ihrer Rückseite. Die Spielplanteile sind besonders gut gelungen. Sie sind beidseitig bedruckt und zeigen einmal den normalen Raum und auf der anderen Seite die verdorbene Version des Raums (vergleichbar mit der „Anderen Seite“ in Silent Hill). Während der normale Raum mit vielen futuristischen Gerätschaften, Hologrammen und Computern an ein Raumschiff erinnert, bietet die verdorbene Seite der Räume blanke Angst. Die zuvor reinlichen Gänge sind mit Blut verschmiert, die Geräte kaputtgeschlagen, Übelkeit und fleischartige Substanzen wuchern über Möbel und Wänden. Detailreich und einzigartig ist jedes Spielplanteil und gibt somit der Atmosphäre viel Futter.
Da das gesamte Spiel auf Kickstarter vertrieben wurde, gab es viele Strechgoals, wie es bei Kickstarter üblich ist. Dies hatte die Folge, dass es zu dem Grundspiel auch vier große Erweiterungen mit noch mehr Monsterminiaturen und weiteren Ermittlern und Spielplanteilen gab. Außerdem gab es kleinere Erweiterungen wie einzelne epische Monster mit großen Monsterminiaturen (bis zu 25 cm hoch) und neue Ermittler. Die großen Erweiterungen geben den Spielern weitere Szenarien und bauen die Geschichte um Kadath und deren Abgründe aus. Die kleinen Erweiterungen können beliebig in die bestehenden Szenarien eingesetzt werden.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist bereits ein Ableger von Deep Madness in der Herstellung, der die Vorgeschichte der Ermittler und von Kadath erzählt. Der Titel des Spiels ist Dawn of Madness und soll mit den Miniaturen, den Spielmechaniken und dem Gesamtergebnis seinen Vorgänger gleichziehen. Es gab auch bereits wegen der großen Nachfrage eine Second-Printing-Kampagne von Deep Madness auf Kickstarter, die auch ein Aufbewahrungssystem für alle Spielmaterialien des Grundspiels, alle Erweiterungen inklusive Miniaturen in zwei riesigen Boxen angeboten hat.
Um zum Ende zu kommen, kann man zusammenfassen, dass Deep Madness mit seinen einfach verständlichen Regeln und dennoch schwer taktischen Spielen, seiner atmosphärischen Stimmung und seinen fesselnden Kampagnen ein tolles Spiel ist, das für viele Abende gute Unterhaltung bietet, vor allem für diejenigen, die sich im lovecraftschen Genre der Brettspiele wohlfühlen.
–Mathis Guess