Lovecrafter Online – Filmkritik: The Resurrected
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Michael H. -
3. Oktober 2022 um 12:00 -
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Verfilmungen, die direkt auf den Werken H.P. Lovecrafts basieren sind selten. Noch deutlich seltener sind Verfilmungen, die der Vorlage treu bleiben und nur wenig ändern, etwa kleine Modernisierungen und Anpassungen an das Medium Film. The Resurrected von Genregröße Dan O`Bannon ist ein Vertreter dieser Filmsorte, ein unterbewerteter noch dazu.
Handlung
Wie der Roman startet der Film mit dem Ende, wo der Protagonist die Geschichte aufzeichnet. Im Film ist dies der Detektiv John March, der von der Ehefrau von Charles Dexter Ward engagiert wurde, um dessen zunehmend abweisendes und seltsames Verhalten zu klären. Ausgelöst durch Funde aus der Vergangenheit, unter anderem ein ihm nahezu aus dem Gesicht geschnittenes Porträt seines Vorfahren Joseph Curwen, entfremdet sich Ward immer mehr von seiner Umwelt. Wie besessen studiert er die Geschichte des hingerichteten Hexenmeisters, der mittels alchemistischer Experimente offenbar den Tod besiegen wollte und grausame, nekromantische Versuche machte.
In einem abgelegenen Landsitz experimentiert Charles bald mithilfe unheimlicher Gestalten selbst weiter. Wie in der Vergangenheit nehmen die Fälle von Grabschändung, Vampirismus und andere seltsame Ereignisse zu. Letztlich kann March den immer wahnsinniger agierenden Ward nach einer Konfrontation mit der Ehefrau und der Polizei in eine Nervenheilanstalt einweisen lassen. Die anschließende Erkundung der geheimen unterirdischen Kelleranlage fördert grausames zu Tage, die monströsen Auswüchse der Experimente Wards sind gefährlich. Der Detektiv fährt nach der tödlichen Erkundung zu einer finalen Konfrontation in die Anstalt. Ihm ist jetzt klar, dass er dort nicht einem verrückter Charles Dexter Ward sondern der Wiedergeburt des bösen Hexenmeisters Joseph Curwens gegenübertritt.
Lovecrafteske Motive
Der Film orientiert sich eins zu eins an der Geschichte Der Fall Charles Dexter Ward, auch wenn er unzählige historische Details und Schilderungen der längsten Geschichte Lovecrafts weglassen muss. Das ist im Falle einiger Nebenhandlungen - wie das Wiederbeleben und Verhören historischer Persönlichkeiten - sehr schade. Der Liebesbrief an seine Heimat Providence mit architektonischen und stimmungsvollen Beschreibungen musste gleichsam entfallen. Hier ist ein Manko des Films: Gerade die Panoramen der Stadt - nicht in Providence entstanden sondern in British Columbia - sind wenig stimmungsvoll.
Den Arzt Dr. Willet durch einen Detektiv zu ersetzen ist sicherlich statthaft, gerade die sehr hell in einer 80/90er-Jahre-Optik gedrehten “Detektiv-Noirfilm”- Sequenzen gehören aber zu den Schwächsten und wenig atmosphärischen des Filmes. So soll ein Abstieg von Licht in Dunkelheit gezeigt werden, es wirkt aber ästhetisch und dramaturgisch langweilig.
Wie bei der Originalgeschichte beginnen die Ereignisse langsam. Den wechselnden Charakter Wards spielt Genreveteran Chris Sarandon hervorragend, auch wenn sein Ward älter als im Roman ist. Die Ehefrau wiederum ist nicht vorlagengetreu und trägt wenig bei.
Sehr gut gemacht sind die Rückblenden in die Zeit Curwens. Seine misslungenen Experimente sorgen mit den entstellten, noch lebendigen Körpern für gruselige Momente. Die Erstürmung seines Hauses ist dicht erzählt und ein erstes Highlight. Die Charaktere mussten hier ebenfalls eingedampft und zusammengelegt werde, es wirkt aber rund und ist gut eingefangen.
Kernstück der Lovecraft Atmosphäre sind sicherlich die beiden Filmhöhepunkte in der zweiten Hälfte. Die Erkundung der Gewölbe ist schön schaurig inszeniert, der Einsatz von Dunkelheit ist wie in der Vorlage überaus gelungen. Hier verfährt der Film nach dem Lovecraft- Prinzip, das die Imagination gruseliger ist als das Explizite. Die schwindende und teilweise verlöschende Beleuchtung mit Phasen der Dunkelheit im Wechsel ist höchst effektiv und spannend. Was lauert da oder schleicht sich an?
Das Finale in der Zelle ist nahe am Roman. Nach einem Psychoduell zwischen Curwen und March folgt der finale Kampf. Filmischer und optisch gruseliger umsetzbar als eine Bannspruch gegen das Böse ist der hier genutzte direkte Kampf Curwen/Ward durch dessen titelgebende Wiedererweckung allemal. Da bleibt Platz für ein optisch und tricktechnisch gelungenes, durchaus blutiges Feuerwerk.
Cinematographische Notizen
Nach einer alten Version des Stoffes von Regisseur Roger Corman (Haunted Palace / Die Folterkammer des Hexenjägers, von 1963 mit Vincent Price), die nur Fragmente des Stoffes übernommen hat -und bizarrerweise zu Cormans Poe-Verfilmungen zählt - ist dies die zweite Version der Geschichte des Charles Dexter Ward.
Regisseur Dan O`Bannon ist dem Genre Fan kein Unbekannter, durch seine Mitwirkungen an den Tricks zu Star Wars oder dem Konzept und Drehbuch von Alien, Lifeforce und seiner weiteren Regiearbeit: The Return of the living Dead. Er brachte H.R. Giger mit Ridley Scott für Alien zusammen.
Sein Einfluss auf den Genrefilm kann kaum überschätzt werden. Neben der Farbe aus dem All war dies eines seiner Traumprojekte. Leider ist nie der Directors Cut des Films erschienen, der deutlich länger sein soll.
Die Produzenten hatten wenig Vertrauen in die Arbeit, so nahmen sie den Endschnitt selbst vor, ebenso die Veröffentlichung 1993 direkt auf DVD. In Deutschland wollte man mehr herausschlagen, der Film kam hier als Evil Dead - Die Saat des Bösen auf DVD und im Fahrwasser des echten Evil Dead 2 heraus. Mit nahezu identischem Cover und einem unverschämten Werbetext, der mit dem Film nahezu nichts gemein hatte.
Das Budget von 4 Millionen Dollar floss hauptsächlich in die überzeugenden Spezialeffekte. Ein Misserfolg zu seiner Zeit ist er inzwischen ein kleiner Kulthit für Liebhaber.
Wie sehr Regisseur O`Bannon Lovecraft schätzte zeigt sich, wenn Curwen im Finale direkt aus Lovecrafts Kurzgeschichte From Beyond zitiert. Ein zentrales Motiv im Film um Goyas Gemälde Saturn
verschlingt einen Sohn entlehnte er dessen Verwendung durch Lovecraft in Pickmans Modell.
O`Bannon starb makabererweise wie Lovecraft an seiner Darmerkrankung, nicht lange nach der Filmveröffentlichung.
Eine kleine Anekdote zum Dreh: Die mechanisch beweglichen Leichen wirkten sehr echt und führten zu einer morbiden Begebenheit; eine der Attrappen wurde vom Fluss weggeschwemmt, von Kindern als vermeintliche Leiche identifiziert und der Polizei gemeldet, die daraufhin das Set besuchte.
Bewertung
Der Film ist eine Wundertüte, ein seltsamer Hybrid aus sehr starken Abschnitten mit toller Optik und viel Lovecraftfeeling und einigen eher unpassenden Momenten. Die Geschichte ist eigentlich sehr nahe am Original und funktioniert gut. Gerade die Änderungen gehen meist daneben. Der Film Noir-Anteil sieht eher aus wie ein Fernsehfilm der 80/90er Jahre inklusive zeitgemäßer Frisuren, Kulissen und Kleidung - und so wenig stimmungsvoll. Die Ehefrau ist eigentlich überflüssig und nur zum Anstoßen der Ereignisse nützlich (das soll im längeren Schnitt besser sein). Ihre angedeutete Beziehung mit dem Detektiv wirkt der Modernisierung geschuldet und aufgesetzt.
Das erste Drittel zieht sich schon ein wenig und bedient Klischees, aber nach und nach fesselt die Geschichte mehr und mehr. Die Optik wird immer besser, die Farbgebung und die Kamera stimmiger und die Atmosphäre bedrohlicher. Mit den historischen Rückblenden beginnend hat man einen richtig guten Film, der einen in den Bann zieht.
Das Schauspiel Sarandons rettet bis zum ersten richtigen Höhepunkt, den Abstieg in die Gewölbe, wo die größer werdende Enge und die schwindende Beleuchtung zu einer wirklich spannenden Konfrontation mit den Kreaturen der nicht kompletten Salze führt. Wenn der Bildschirm lange dunkel bleibt und nur noch Tonspur, Phantasie und die Andeutungen des in den kurzen, flackernden Beleuchtungsintervallen wahrnehmbaren Grauens auf den Zuschauer einwirken, ist der Film Lovecraft pur.
Das anschließende Finale in der Nervenheilanstalt ist ebenso gelungen, die Änderungen sind der filmischen Umsetzung geschuldet. Den Film durchzieht die Doppelgänger- und Spiegelthematik, daher ist der Kampf der beiden Verwandten ein solider Abschluss eines spannenden Films - leichte Hellraiser-Vibes inklusive.
Fazit
Viele direkte, werknahe Verfilmungen des Stoffs Lovecrafts gibt es wahrlich nicht, daher sollte jeder Lovecraftfan den Film gesehen haben, Wer über kleine Mängel hinwegsehen kann - und am Besten ein Herz für die späten 80er hat - bekommt einen kompetenten, spannenden Film mit guten Tricks für verregnete Sonntage und ein unterschätztes, wenig bekanntes Lovecraft-Kleinod dazu.