Lovecrafter Online – 106 – Rezension: Vom Jenseits und andere Erzählungen
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Seanchui -
31. Januar 2022 um 12:00 -
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Filme und Bücher vielfach bebildert worden. Da liegt die Hemmschwelle für eine weitere Comic-Adaption natürlich niedrig. Wie lohnenswert ist da diese Ausgabe vom Avant-Verlag?
Nun ist die Adaption von Lovecrafts Geschichten auf ein visuelles Medium wie das Comic sicherlich kein allzu einfaches Unterfangen. Immerhin lebt viel von Lovecrafts Grusel von der Unbeschreiblichkeit seiner monströsen Kreationen. Da mag der Autor aus Providence noch so adjektivbeladen beschreiben - die Bilder zu seinen Geschichten muss ein jeder Leser für sich in seinem Kopf bilden. Nun ist Lovecraft allerdings längst in der Populärkultur angekommen und der Mythos ist für Spiele,Inhalt
Werfen wir zunächst gemeinsam einen Blick auf den Inhalt. Zunächst wäre da ein interessantes Vorwort des niederländischen Drehbuchautoren Gerard Soeteman; Soeteman spricht genau die oben aufgeführte Problematik an und ordnet das Schaffen von Erik Kriek ein. Das hilft auch neuen Lesern dabei, sich ein wenig mehr Gedanken über das ursprüngliche Werk zu machen und gefällt mir ausnehmend gut.
Es folgen fünf Geschichten von Lovecraft, die Kriek nun als Comic umgesetzt hat. Neben bekannten Dauerbrennern wie Die Farbe aus dem All, Schatten über Innsmouth und Dagon haben sich mit Der Außenseiter und Vom Jenseits auch zwei kleinere Geschichten aus Lovecrafts Repertoire in dem Band versammelt. Das macht neugierig und stellt eine gute Bandbreite dar.
Abgerundet wird der Band mit dem Essay Vom Jenseits aus der Feder von Milan Hulsing. Hierbei handelt es sich um ein kurzes Portrait des Autoren aus Providence und eine erste Einordnung seines literarischen Schaffens und seines Einflusses auf den modernen Horror. Natürlich kann Hulsing hier nur an der Oberfläche kratzen; dass Lovecrafts durchaus schwierige Seiten und Ansichten allerdings gar keine Erwähnung finden - und dass, obschon sie motivisch in den auch hier ausgewählten Geschichten durchscheinen - greift mir persönlich zu kurz. Ein oder zwei Sätze zu Lovecrafts -Ismen und Ängsten hätten es durchaus sein dürfen.
Kritik
Zunächst einmal stellt sich bei einem Comic natürlich die Frage nach der künstlerischen Umsetzung. Hier vermag Erik Kriek vollauf zu punkten. Seine in schwarz-weiß gehaltenen Bilder sind detailreich und kunstvoll gestaltet. Kriek arbeitet viel mit den Schatten, was sich in diesem Genre natürlich gut macht. Seine Charakterzeichnungen wirken auf den ersten Blick etwas eindimensional, sind aber unverwechselbar. Auch gelingt es Kriek im Laufe der Geschichten seinen Protagonisten immer mehr Tiefe zu verleihen - gerade das Mimenspiel im Angesicht des Grauens gelingt ihm immer wieder hervorragend.
Interessant ist auch die Mischung aus Detailreichtum und verwaschenen, grauen Flecken, die manchmal den einzigen Hintergrund darstellen. Durch die vielen Details entsteht ein Eindruck von Tiefe, die wenigen Panels ohne Hintergrund wirken als willkommene Ruhepole auf den Seiten. Fast ein wenig schade ist es, dass die Aufteilung der Panels sehr klassisch verbleibt; ich hätte mir an mancher Stelle einige großformatige Panels - ähnlich wie in den Manga-Adaptionen Gou Tanabes - gewünscht, um noch mehr von Krieks Interpretation sehen zu können.
Inhaltlich ist auffällig, das Kriek hin und wieder in die Geschichte eingreift. Bei den kürzeren Werken wie Der Außenseiter oder Dagon ist das kaum nötig. Die längeren Novellen Die Farbe aus dem All und Schatten über Innsmouth haben allerdings Eingriffe in die ursprüngliche Handlung über sich ergehen lassen müssen. So wird in Die Farbe aus dem All nicht nur die Ausgangssituation geändert sondern auch einige Details; Nabby Gardner findet ein etwas anderes Ende als in Lovecrafts Original und auch das große Finale wurde umgeschrieben. In Schatten über Innsmouth wurde die als Einleitung dienende Militäroperation ausgespart, doch auch im Handlungsverlauf ergeben sich Kleinigkeiten, die sich so in Lovecrafts Geschichte nicht wiederfanden. Alle Geschichten in dem Band funktionieren selbstverständlich auch so und ich bin mir sicher, dass die Änderungen ob der angestrebten Seitenzahl notwendig waren. Besser machen sie die Geschichten allerdings nicht und ich hätte mir eine werksgetreuere Umsetzung gewünscht.
Aufmachung
Vom Jenseits und andere Erzählungen erscheint als stabiler Hardcoverband. Die Seiten sind aus einem stabilen, rauen Papier und die Qualität des Drucks ist hervorragend. Das teilweise glanzlackierte Cover zeigt eine gelungene Interpretation von Lovecrafts Silhouette gepaart mit den üblichen Tentakelmotiven. Das Buch verspricht Langlebigkeit und die Verarbeitung weiß vollends zu überzeugen.
Fazit
Man merkt Vom Jenseits und andere Erzählungen die Mühe an, welche sich die Herausgeber vom Avant-Verlag mit dem Band gegeben haben. Das fängt mit den umrahmenden Texten an, geht über die gelungene Geschichtenauswahl weiter, beinhaltet natürlich Krieks hervorragende Zeichnungen und schließt mit der qualitativ hochwertigen Verarbeitung des Bandes ab. Einzig die künstlerischen Freiheiten, die Kriek sich in Bezug auf Lovecrafts Geschichten genommen hat, mögen den Gesamteindruck für Puristen zu schmälern.
Vom Jenseits und andere Erzählungen
Avant-Verlag 2013
ISBN: 978-3939080916
Beim Verlag bestellen: https://www.carlsen.de/softcover/hp-l…8-3-551-72830-2