Nervensache - Horror-Wahrnehmung in TV u Film

  • Ich las diese Woche die Empfehlung der Serie Requiem und sah mir daraufhin den Trailer an.

    Obwohl die Beschreibung der Serie super klingt, kam ich schon nach der ersten Hälfte des Trailers zu dem Schluss:
    Die Serie ist nichts für mich!

    Warum?
    Ich bin eine Mimose wenn es um Horrorfilme geht. Ich kann die Spannung nicht aushalten, vor allem aber laufen sie mir nach.

    Irgendwie paradox, wenn man bedenkt, dass ich ein so bezeichnetes „Horror-Rollenspiel“ spiele und Lovecrafts Geschichten mag.

    Geht es jemandem hier ähnlich? Hat sich evtl sogar schon einmal jemand näher damit befasst woran eine so unterschiedliche Wahrnehmung liegen könnte?

    Ist es das Medium? Ist es die ART von Horror?
    Spannende (Mystery-)Thriller kann ich z.B. meistens gut schauen, auch wenn ich bei allzu spannenden Szenen dazu neige, mich abzulenken, indem ich parallel surfe o.ä.)
    Folter (SAW) oder der Mörder unter dem Bett kann ich wiederum gar nicht gut ab...

    Eure Gedanken dazu würden mich interessieren!

  • Ein gutes Thema, wirklich.
    Ich glaube, dass ist ein Phänomen, welches direkt mit dem Medium Film (als überbegriff für visuelle Medien) zusammenhängt.
    In der Literatur macht der Leser die Bilder und im Zweifel, kann dieser die Bilder auch intuitiv herunterschrauben. Im Film wird es explizit bis überexplizit. Ich denke da auch immer an SAW und wie diese Tortureporn-Filme noch so heißen. Die sind für mich aber auch keine Horror-Filme. Ein Horror-Film ist für mich ein Film, der durch seine Handlung eine Stimmung erzeugt und grob gesagt, davon lebt zu "zeigen und zu verschweigen". Das schlechteste Monster ist mMn das, welches man bereits früh im Film sieht. Die Tortureporn-Filme leben, glaube ich, eher davon, dass sie mit dem Ekel spielen. Im weitesten Sinne ist es da wohl "wie mit einem Unfall, man kann nicht hin sehen, man kann nicht wegsehen".
    Ein gutes Beispiel für einen tollen Horrorfilm ist, denke ich, Pans Labyrinth. Hier geht es eigentlich außschließlich um die Erscheinung, das phantastische Element und das Wunder. Frei nach der alten Regel der Gespenstergeschichte "Der Höhepunkt der Gespenstergeschichte ist das Erscheinen des Gespensts".

    “I couldn’t live a week without a private library – indeed, I’d part with all my furniture and squat and sleep on the floor before I’d let go of the 1500 or so books I possess.”
    H.P. Lovecraft in einem Brief vom 25. Februar/1. März 1929 an Woodburn Harris
  • Ich kenne das Thema bei Gewaltdarstellung. Da können Leute im Freundeskreis Sachen nicht sehen, die für mich (leider?) schon normal sind. Etwa die Enthauptung und Folge 1 der 1. Staffel von Game of Thrones.

    Ich stimme dem Träumer voll und ganz zu, Splatter/Tortureporn spricht mich nicht wirklich an. Ich mag genau solche Sachen wie Pans Labyrinth, auch "Die Frau in Schwarz" fand ich z.B. sehr stimmungsvoll.

    Bei "Requiem" hätte ich jetzt gesagt, die Serie ist harmlos. Aber hier sieht man, dass die Wahrnehmung doch sehr subjektiv ist. Brutale Szenen gibt es kaum, der Gruselfaktor ist aber sehr hoch, es ist oftmals spannend und verstörend. Genau die Punkte, die ich an der Serie so mag.

    Wäre wirklich interessant, woran das liegen könnte.

    Vielleicht kann [mention]POWAQQATSI[/mention] etwas dazu sagen?

  • Sehr interessantes Thema - danke [mention]Dark_Pharaoh[/mention] für den Hinweis!

    Ich würde ebenfalls vermuten, dass es an den Unterschieden der Medien liegt wie es derTräumer schon ausgeführt hat. Wenn man einen Film seht, hat man auch viel weniger Kontrolle (man kann da eigentlich nur wegsehen, sich die Ohren zuhalten oder eben stoppen - wobei die parallele Ablenkung so wie Du es machst JaNyar Lathotep ja auch den Effekt hat, die Wirkung zu vermindern - ist also ebenfalls eine Art der Kontrolle) - beim Lesen oder Rollenspiel kann man nicht nur die Vorstellung beeinflussen - beim Lesen z.B. zusätzlich auch das Tempo und beim Rollenspiel kann man ja auch mehr oder minder aktiv was tun mit seinem Charakter, wohingegen wir beim Film nur zusehen können, wie sich die Protagonisten entscheiden. Ein weiterer Aspekt, der eine Rolle spielen könnte ist Klassische Konditionierung, z.B. dass Dir ein Film mal besonders nachging und seitdem ähnliche Filme ebenfalls das gleiche auslösen.

    Auf jeden Fall gut lieber zu sagen "das ist nix für mich", als es dass einem das nachläuft. Ich bin auch ein großer Fan von Horrorfilmen und kann mir recht viel ansehen, wobei eine Grenze definitiv realer Horror ist. Zudem muss ich für Horrorfilme in der Stimmung sein. In schlechter Stimmung würde ich mir auch keinen Horrorfilm ansehen ebenso wie hier auch keine entsprechende Literatur lesen.

  • Ja, ich finde das wirklich spannend und finde es interessant, dass ihr das direkt eher auf das Medium bezieht.

    Wobei ich das auch gar nicht auf so Splatter-Sachen bringen wollte. Das mag ich mir einfach nur nicht ansehen, weil ich mir dann immer das Leid sehr explizit vorstelle und da mitfühle.

    Was derTräumer sagt... Stimmung erzeugen, Dinge nicht zeigen... das sind eher die Sachen, die ich unter Horrorfilmen subsumiere, die ich nicht ansehen mag, weil sie mir nachlaufen.
    The Ring, The Conjouring, Insidious, u.ä. - keinen davon habe ich gesehen, die Aufzählung ist Jan‘s Antwort auf die Frage, welche Horrorfilme ich mir nicht ansehen würde, abgeleitet aus Situationen, in denen man zu Free-TV-Zeiten um 23:00 nach dem Block-Buster an dem mittelmäßigen Horror-Film hängen geblieben ist (er nicht ich ;-)...).
    Pan‘s Labyrinth hab ich gesehen und fand ihn nicht schlimm, wobei er auch lt Wiki als „Filmdrama/Fantasyfilm“ gilt.

    Alles wo etwas in dunklen Ecken lauert... Protagonisten, die an Orte gehen, bei denen jede Faser in einem schreit: „geh da nicht hin, das ist eine ganz dumme Idee!“, unheimliche Geräusche, Dinge, die in Wänden hausen...
    Das ist ja per se mal nicht so unendlich weit weg von dem einen oder anderen Abenteuer.

  • Macht es denn einen Unterschied, in welcher Umgebung du sowas schaust, oder ist das egal?

    Bsp.: alleine ohne Licht oder mit mehreren Leuten bei Licht und Knabbereien? Das verändert für mich z.B. ein wenig den "Horrorgrad". Was mich teilweise recht stark gepackt hat waren Computerspiele. Etwa Outlast, mit Kopfhörern bei Dunkelheit. Das war phasenweise so intensiv, dass ich dann mal eine Pause machen musste. So hängt es mir aber nicht stark nach, ich träume ab und an von sowas, beim Aufwachen kann ich mich aber meist nur noch sehr kurz an solche Dinge erinnern.

    Szenen die mich echt mitgenommen haben waren z.B. bei TWD mit Carl und seiner Mutter oder die Bordstein-Szene bei American History x. In beiden Fällen sieht man nichts, weiß aber sehr genau, was passiert. Und beide Szenen kann ich mir in gewisser Weise in der Realität vorstellen (trotz Zombies). Oder Filme wie "Blood Diamond", wo man weiß, sowas passiert in Afrika täglich. Das ist dann schon schlimm, also vermutlich genau das, was POWAQQATSI als realen Horror beschreibt.

    Auf jeden Fall ein spannendes Thema. Mittlerweile denke ich bei Filmabenden mehr nach, wen ich einlade bzw. frage die Leute, ob die Art des Films für sie ok ist. Gleiches gilt auch bei Abenteuern, die intensive Szenen haben oder sehr spezielle Themen, wie etwa Super 8 oder ähnliches.

  • Für mich hat es auch viel damit zu tun wie sehr man sich mit den Protagonisten identifiziert und wie stark man sich in denen Situation hineinversetzten kann.
    Beim Film sehe ich mich eher als passiver Beobachter der zwar gespannt, aber ohne eine Möglichkeit des Eingreifens dem Geschehen beiwohnt. Ja, ich grusel mich, oder erschrecke mich oder drücke der einen oder anderen Figur die Daumen, dass sie heil aus der Sache rauskommt aber trotzdem habe ich diese gewisse Distanz durch die ich den Film sehen kann.
    Daher fällt es mir leicht auch härter und fiesere Streifen anzusehen.

    Bei Spielen ist das komplett anders von Games wie Outlast, The Evil Within und sogar Resident Evil lasse ich die Finger.
    Meine Immersion in die Spiele durch das selbst spielen und in der Spielfigur stecken sorgen jedes mal dafür dass ich Horrorspiele schon nach wenigen Minuten den Rücken kehre weil ich einfach nur EINE SCHEISS ANGST bekomme! :lol: :oops:

  • Ich bin auch kein Horrorfilmfan, was aber aber auch daran liegen mag, dass das Horrorgenre an sich keinen so guten Ruf hat und ich mich dann lieber doch für ein Drama oder einen Actionfilm entscheide.
    Nichtsdestotrotz gibt es aber Horrorfilme wie "A Quiet Place", den ich fantastisch finde, da der Film sehr intensiv war. Ich mag allerdings auch Filme, wie "Alien" oder in gewisser Hinsicht auch "Shining", die ich ehrlich gesagt nicht besonders gruselig oder mitreißend finde, die aber tolle Bilder und faszinierende Atomsphären bieten.

    Dann gibt es noch Filme, wie "Das Schweigen der Lämmer", der ja an sich kein klassischer Horrorfilm ist (oder die Serie "Hannibal"), ich kann trotzdem danach etwas schlechter einschlafen. Es ist bei solchen guten Filmen allerdings immernoch eine Art wohliger Grusel, dem ich mich manchmal gerne aussetzen, ähnlich wie Youtube-Videos über den König in Gelb zu sehen oder den Altmeister zu lesen und dabei Cryo Chamber hören. Es ist aber in gewisser Hinischt auch ein weiterer Grund, der mich abhält, klassische Horrorfilme zu schauen, denn bei denen ist es leider schnell vorbei mit dem wohligen Grusel, sondern es geht zu sehr ans Eingemachte.

    Die mittelalten und modernen Klassiker des Genres, wie "Halloween", "Nightmare on Elmstreet", "The Ring", "Insidious" etc. kenne ich daher noch nicht mal, will sie mir aber als Cineast durchaus mal zu Gemüte führen. Vielleicht eröffnen sie mir ja ein neues Bild auf das Genre.

  • Die Atmosphäre beim schauen macht natürlich wirklich viel aus [mention]Dark_Pharaoh[/mention]. Deshalb käm ich nie auf die Idee, mir einen Horrorfilm alleine im Dunkeln anzusehen. ^^

    [mention]NerdFlyer[/mention]: interessant, dass es bei dir genau anserherum ist!
    Vermutlich kommt es da wirklich darauf an, wie sehr man sich in die Charaktere hineinversetzt.
    PC Spiele sind da vllt auch nochmal von Rollenspiel in der Gruppe und Film als 3. Gruppe zu unterscheiden.
    Beim Film KANN man es Distanziert betrachten oder die Bilder sind einem zu kokret etc

    Beim Rollenspiel kann man seine Vorstellung etwas Dämpfen, selber entscheiden was man tut und je nach Gemüt eher passiv sein, mitlaufen, sich verstecken o.ä., wie [mention]POWAQQATSI[/mention] auch schreibt.

    Beim PC Spiel ist man allein, man hat sie Hauptrolle und man MUSS seine Aufmerksamkeit voll der Sache widmen und kann nicht passiv sein, sonst geht es nicht weiter. Unausweichlich quasi.

    Was [mention]Tegres[/mention] schreibt finde ich auch einen interessanten Punkt:
    Wohliger Grusel in manchen Filmen wie zB Schweigen der Lämmer im Gegsatz zu was in anderen Filmen? „Horror“? Ist etwas zu allgemein wie ich finde.
    Im Kern spiegelt es aber das wider, was ich auch empfinde: wohliger Grusel, Spannung, Unbehagen im zB Thriller oder moderaten Horrorfilm ist irgendwie abgeschwächt und lässt sich besser aushalten.
    Was macht denn den Horror in den als Beispielen genannten Horrorfilmen aus? Kann man das konkret benennen? Da ich sie meistens nicht anschaue, kann kann ich da schlecht fen Finger drauf legen...

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