Lovecrafter Online – 040 – Cthuloides Rollenspiel auf einer Seite


Scott Malthouse von Trollish Delver Games ist ein umtriebiger, sympathischer Typ. Er schreibt seit Jahren fast am laufenden Band regelleichte Rollenspiele verschiedenster Genres, aber auch Universalsysteme wie Unbelievably Simple Roleplaying (USR). Fantasy, Cyberpunk, Artus-Angehauchtes, Dunsany-Themen, Solorollenspiele wie Quill – und jetzt gibt es auf Basis seines regelleichten Fantasy-Systems In Darkest Warrens ein Spiel um Kosmischen Horror. Ende April wurde Squamous auf DTRPG veröffentlicht und hat, wie die meisten von Scotts Spielen, keinen festen Preis. Die Interessierten entscheiden, was sie für die PDF-Datei bezahlen möchten.
Scott nähert sich nicht zum ersten Mal Lovecrafts Werk. In Erweiterungsbänden zu USR und Quill beschäftigte er sich bereits mit dem Thema. Aus Beyond Fear für USR können für Squamous sehr gut okkulte Bücher, Kulte und Monstren entlehnt werden, mit Shadow and Ink für Quill habe ich als Solorollenspieler bereits Bekanntschaft gemacht und mich beim Briefeschreiben vorzüglich gegruselt. Jetzt folgt also ein eigenständiges kleines Rollenspiel im kalten und gleichgültigen Universum eines unserer Lieblingsautoren, in dem Ermittelnde cthuloide Mysterien aufklären. Squamous positioniert sich als ein minimalistisches und einfaches Rollenspiel. Und das auf vier Seiten A4 im Querformat, inklusive Bestiarium und Einführungsabenteuer. Los geht’s.
Das Spiel bringt bereits fünf klassische Berufe des cthulhoiden Rollenspiels mit, sodass schnell ins Spiel eingestiegen werden kann: Privatdetektiv, Professorin, Okkultist, Soldatin, Doktorin. Beschrieben werden die Figuren mit den Attributen Brawn, Nimble, Mind und Person. Brawn steht für Körperstärke und Nahkampfangriffe, Nimble für Geschicklichkeit und Fernkampf, Mind für Wissen und Nachforschungen, Person für soziale Interaktion und Befragungen. Tests auf Attribute werden mit 1W6 durchgeführt, höhere Ergebnisse sind besser. Ist eine Handlung erleichtert oder erschwert, gibt es Modifikatoren von +1 sowie -1. Zusätzlich zu diesen Attributen besitzt jede Figur noch eine Anzahl an Wounds (Wunden), einen Wert für Lucidity (geistige Klarheit bzw. Gesundheit) und eine Spezialfähigkeit.
Nehmen wir als Beispiel die Professorin: Sie kann 3 Wunden einstecken, hat eine geistige Gesundheit von 6 sowie die Fähigkeit Rationalise (vernünftige Erklärung). Dadurch kann die Professorin die geistige Gesundheit einer anderen Figur während einer Spielsitzung um 1 erhöhen, abhängig von der eigenen Stufe. Analog zur Professorin haben andere Berufe entsprechende Fähigkeiten, der Okkultist kann Beispielsweise die Kosten für einen Zauberspruch reduzieren oder die Doktorin kann, wenig überraschend, erste Hilfe leisten und so die Anzahl der Wunden einer anderen Figur um 1 erhöhen. Auch hier hängt die Anzahl der Anwendungen von der eigenen Stufe ab. Es fällt auf, dass allein der Beruf der Soldatin keine stufenabhängige Fähigkeit hat, sondern sie mit Maim (Verstümmelung) nur ein Mal pro Spielsitzung extra Schaden anrichten kann. Ich ahne fast, dass das nicht so gewollt ist, da werde ich bei Scott mal nachfragen. Wer sich lieber selbst einen Beruf ausdenken möchte, ist schnell dabei, das wird kurz erklärt beziehungsweise kann sich aus den bestehenden Berufen erschlossen werden.
Erlebt eine Figur eine schreckliche Situation oder begegnet einem Monstrum zum ersten Mal, wird mit 1W6 ein Test auf die geistige Gesundheit gewürfelt. Bei einem Ergebnis von 1, 2 oder 3 reduziert sich der Wert um 1. Bei 0 angelangt, wird auf einer Zufallstabelle gewürfelt und die Figur erhält einen entsprechenden Zustand wie beispielsweise terrified (verängstigt), obsessed (besessen) oder drained (erschöpft). Es wird in den Regeln jeweils kurz erklärt, welche Auswirkungen auf die Figur und spieltechnisch zu beachten sind. Was später im Bestiarium noch auffällt, ist die Tatsache, dass es auch bei Großen Alten oder Äußeren Göttern keinen automatischen Verlust von geistiger Gesundheit gibt. Wer die Probe also schafft, ist erstmal sicher und wird nicht sofort massiv beeinträchtigt.
Der Kampf folgt in Squamous den bekannten Mustern von Initiative, Runden und Aktionen aus anderen Rollenspielen, das will ich auch ob der Einfachheit hier nicht weiter ausführen. Interessant ist hierbei, dass alle Waffen lediglich 1 Wunde verursachen, unabhängig von der Waffengattung. Das mutet ziemlich oldschoolig an und verlagert den Effekt der Waffe auf die Meisterschaft der Figur damit. Weiterhin gibt es entsprechende kurze Regeln für den Fall, dass jemand bei den Wunden auf 0 fällt und für die Zeit nach den Kämpfen, in denen die eigenen Figur wieder aufgepäppelt wird.
Wo es in anderen Rollenspielen Erfahrungspunkte gibt, arbeitet Squamous mit Stufen. Nach jedem erfolgreich aufgelösten Mysterium steigt die Stufe um 1, bis zu einem Maximum von 6. Jedes Mal erhöhen sich dabei die Werte für Wunden und geistige Gesundheit um 1 und stufenabhängige Fähigkeiten verbessern sich ebenfalls. Meist geht es dabei um die Anzahl der Anwendungen pro Spielsitzung.
Was ich im Spiel cool finde, sind die Ressourcen. Alle erhalten zu Beginn fünf Stück, die im Verlauf des Spiels gegen opportune Gegenstände oder Dienste eingetauscht werden können: Waffen, Taschenlampen, Flugzeugtickets oder eine Mahlzeit kommen da in den Sinn (oder wurden frech aus dem Regelwerk kopiert).
In einem investigativen Spiel, und das ist Squamous als Vertreter des cthulhoiden Rollenspiels letztlich, dürfen natürlich die Hinweise nicht fehlen. Es gibt sie in zwei Formen, je nachdem, ob bei Nachforschungen oder Befragungen ein Erfolg erzielt wurde oder nicht. Bei einem Misserfolg gibt es eher eine Andeutung, bei einem Erfolg hingegen viel mehr Details, zum Beispiel eine genaue Adresse. Es geht also auf jeden Fall potenziell weiter, auch bei einem verpatzten Wurf, das finde ich gut. Im Regelwerk finden sich einige anschauliche Beispiele zu den Hinweisen.
Zaubersprüche stehen in Zauberbüchern, das Wirken eines Zauberspruches kostet geistige Gesundheit (die sich automatisch wieder regeneriert). Squamous gibt zum schnellen Einstieg mehrere Beispielzauber, mit denen das Aussehen verändert, eine Schreckenskreatur beschwört, geschwebt oder in die Traumlande gereist werden kann.
Was wäre ein traditionelles cthuloides Rollenspiel ohne ein Bestiarium bekannter Kreaturen? Von Kultisten über Dienerrassen bis hin zu Großen Alten ist alles vertreten. Azatoth möchte auch in diesem Spiel niemand begegnen: Er hat bei seinen Angriffen eigentlich immer Erfolg (was sollte ihm -1 auf irgendwas geben?), greift fünfmal pro Runde an und macht damit jeweils 20 Punkte Schaden. Außerdem kann er 1.000 Wunden verkraften. Ermm. Was macht ihr? Vermutlich verrückt werden, denn wenn der Test auf geistige Gesundheit nicht geschafft wird, sind sofort 10 Punkte davon weg. Da legt mensch sich doch lieber mit Gangstern oder einem Gug an.
Zum Abschluss des Regelteils gibt es noch nützliche Informationen zu weiteren Zuständen wie vergiftet, paralysiert, am Boden liegen und so weiter. Die zuvor schon erwähnten Beispiele für Hinweise finden sich auch in diesem Abschnitt.
Die letzte Seite des Spiels besteht aus dem Mysterium The Dreaming House (deutsch vielleicht: Das Traumhaus), das als Oneshot gespielt oder als Auftakt für ein Abenteuer verwendet werden kann. Das Mysterium ist im Massachusetts der 1920er angesiedelt und führt die Ermittelnden zu einer besonderen Farm. Es enthält klassische Ermittlungsaspekte, die aber aus meiner Sicht nicht ausarten, sondern eher angenehm simpel aufgebaut sind. Mehr möchte ich nicht verraten, der Titel des Abenteuers gibt ja schon einen Hinweis – oder?
Ich will es gar nicht verhehlen: Ich mag Scotts Spiele. Sie sind in der Regel recht einfach aufgebaut und bringen einen schnell ins Spiel. Auch Squamous fällt in diese Kategorie. Es sind alle nötigen Grundregeln da, um loszulegen, und wo ein Detail fehlt, kann es einfach und schnell verhausregelt werden.
Die Elemente des Kosmischen Horrors bestehen hier, laut Regelwerk zumindest, aus Kreaturen und vielleicht noch grauenvollen Zaubersprüchen – die mensch sich ausdenken oder aus anderen Spielen stiebitzen müsste. Wir haben hier im Prinzip ein Call of Cthulhu oder FTHAGN in sehr, sehr leicht vorliegen. Das finde ich aber gar nicht schlimm, denn ich selbst mag umfangreichere Regelwerke nicht gern; besonders nicht, wenn ich leiten soll. Neben Cthulhu Dark könnte Squamous zu dem cthulhoiden Rollenspiel für zwischendurch für mich werden.
Noch kurz zum Titel des Spiels: „Squamous“ bedeutet so viel wie „schuppig“ oder „schuppenartig“ und ich fragte mich gleich, was es damit auf sich haben könnte. Ich habe Scott angeschrieben und er wählte es als Titel für das Spiel, weil es für ihn eines dieser lovecraftigen Wörter wie „abscheulich“ oder „namenlos“ ist. Lovecraft verwendete das Wort offenbar nur ein einziges Mal in Das Grauen von Dunwich, in der deutschen Fassung vom Festa Verlag wurde daraus dann „schuppig“.
In Kürze folgt noch, wie es beim Lovecrafter Online immer wieder mal vorkommt, ein kurzes Interview mit Scott Malthouse.
Falls ihr Squamous mal ausprobieren solltet, lasst es uns hier doch wissen!
Antworten 1
Dark_Pharaoh
Danke, das klingt spannend!