Lovecrafter Online – Lovecrafts dunkle Idole: Montague Rhodes James
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Neodyn -
3. Juli 2023 um 12:00 -
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Biographischer Abriss
Montague Rhodes James wurde am 1. August 1862 in der Ortschaft Goodnesten, in der Grafschaft Kent südlich von London als viertes Kind seiner Eltern geboren. Im Alter von drei Jahren zog seine Familie nach Great Livermere, in die Grafschaft Suffolk, da sein Vater die dortige Stelle als Gemeindepfarrer annahm. Bis zum Alter von elf Jahren wurde James in der heimischen Pfarrstube von seinen Eltern unterrichtet und verlebte seine gesamte Kindheit in Suffolk. Dieses Leben prägte ihn sehr und so entwickelte er eine große Liebe für seine Heimat und dessen Geschichte. Durch seine streng christliche Erziehung entwickelte er zudem eine Faszination für Kirchenarchitektur, was ihn für seinen späteren Werdegang maßgeblich prägte.
Ab dem September 1873 besuchte er die Temple Grove Proparatory School in East Sheen, eine der bedeutendsten vorbereitenden Jungenschulen ihrer Zeit in London. Während seiner Schulzeit verfasste er zahlreiche lateinische Texte als Prosa und Verse, für welche er mehrmals ausgezeichnet wurden. 1875 erhielt er ein Stipendium für das Eton College.
Vom 1876 bis 1882 studierte er am Eton College, entwickelte sich dort zu einem der herausragendsten Schüler seines Jahrgangs und zeichnete sich vor allem im Bereich der Religionswissenschaften, Altphilologie und dem Französisch aus. 1882 wechselte er zum King's College nach Cambridge und entschloss sich, entgegen seiner Familientradition, keine kirchliche oder militärische Laufbahn einzuschlagen, sondern in der akademischen Welt zu bleiben. Dort machte er auch rasch Karriere und stieg innerhalb der Hierarchie der College-Verwaltung immer weiter auf, bis er im Jahr 1905 zum Provost (administrativer Vorsteher/Leiter) des College ernannt wurde. Von 1893 bis 1908 war er zudem Direktor des Fitzwilliam-Museums, dem Kunst- und Antikenmuseum der Universität Cambridge.
Ab den Jahren am King's College begann er auch mit dem Verfassen seiner Geistergeschichten. Die Lesung seiner ersten beiden Geschichten, Die Sammlung des Domherren Alberic (engl. Canon Alberic's Scrap-Book) und Eine Herzenssache (engl. Lost Hearts) fanden erstmals im Oktober 1893 bei einem Clubtreffen des in Cambridge ansässigen Chit-Chat-Clubs statt und wiederholten sich dann jährlich, vornehmlich zur Weihnachtszeit. Während seiner Zeit in Cambridge und darüber hinaus unternahm er oft Reisen auf das europäische Festland, vor allem nach Frankreich, was sich auch in einigen seiner Geschichten niederschlug.
Im Jahr 1918 nahm er die Stelle des Provost in Eton an, wo er anschließend bis zu seinem Tod verblieb. In seiner Zeit als Gelehrter und Altertumsforscher verfasste James eine Vielzahl wissenschaftlicher Abhandlungen über kirchlich-mittelalterliche Texte, katalogisierte den handschriftlichen Manuskriptbestand der Bibliotheken in Cambridge und verfasste einige Reiseführer über seine Heimat Suffolk. Seine wissenschaftliche Arbeit gilt auch heutzutage noch in ihren Bereichen als wichtige Basis weiterführender Forschungen. Seine traditionellen Weihnachtslesungen mit Geistergeschichten erfolgten bis zu seinem Tod im Jahr 1936 und sein literarisches Werk findet auch heutzutage noch breiten Anklang in der britischen Gesellschaft. Montague Rhodes James verstarb am 12. Juni 1936 als Junggeselle im Alter von 73 Jahren. Er wurde auf dem Gemeindefriedhof in Eton beigesetzt.
Mehr über James' Leben erfahrt ihr im Cthulhu-Wiki: James, Montague Rhodes
Literarisches Werk
Allgemeines
Verglichen mit dem literarischen Werk anderer Autoren seiner Zeit, welche das Übernatürliche und Geisterhafte als Leitmotiv hatten, ist das von James recht übersichtlich. Dies liegt vor allem daran, dass sich James nicht aktiv als Autor von unheimlichen Geschichten sah, sondern diese anfangs nur als Manuskripte für die Lesungen im privaten Kreis verfasste. Nach einigen kleinen Publikationen in Magazinen erfolgte erst im Jahr 1904 eine Veröffentlichung mehrerer Geschichten in Form eines Sammelbandes. Dies war vor allem dem hartnäckigen Einwirken seiner Freunde zu verdanken, welche von seinen Geschichten sehr angetan waren. So erschienen mit dem Sammelband Ghost Stories of an Antiquary acht seiner Geschichten im November 1904. Unter diesen acht waren unter anderem Die Sammlung des Domherren Alberic und Graf Magnus (engl. Count Magnus). James schrieb als Vorwort zu diesem Sammelband: „Die Geschichten haben keinen überaus hohen Anspruch … Falls es einigen davon gelingt, beim Leser ein angenehm mulmiges Gefühl auszulösen, wenn er in der Abenddämmerung allein eine einsame Straße entlanggeht oder in den frühen Morgenstunden an einem ersterbenden Feuer sitzt, habe ich mein Schreibziel erreicht“¹. Dies ist eine durchaus bescheidene Ansicht zu seinem eigenen Werk, welches bei einer breiten Lesendenschaft sehr gut ankam. Auch sind einige seiner ersten Geschichten aus diesem Band damals wegweisend für die Entwicklung der Geistergeschichte gewesen. So bemerkte auch Lovecraft in seinem Essay Die Literatur der Angst (engl. Supernatural Horror in Literature) zu Graf Magnus: „»Count Magnus« ist sicherlich eine von James' besten Geschichten, stellt sie doch eine veritable Goldgrube an Spannung und Suggestivität dar.“²
Generell hatte Lovecraft für M. R. James großen Respeckt übrig. So betitelte er ihn in seinem Essay oft mit Dr. James und schrieb über ihn: „Eine Lord Dunsanys Genius diamentral entgegengesetzte Position nimmt der gelehrte Montague Rhodes James ein,… der die fast diabolische Gabe besitzt, das Grauen Schritt für Schritt mitten im prosaischen Alltagsleben entstehen zu lassen. Dr. James, der es seit langem liebt, in der Weihnachtszeit Gespenstergeschichten zu erzählen, ist nach und nach zu einem literarischen Phantasten allersten Ranges geworden und hat einen charakteristischen Stil und eine unverwechselbare Methode entwickelt, die wahrscheinlich einer langen Reihe von Schülern als Vorbild dienen werden.“²
Was James' Erzählungen auszeichnet, ist die Modernisierung der klassischen Geistergeschichte zu jener Zeit. Er war einer der ersten, welcher von der klassischen Vorstellung eines in Laken gehüllten Gespenstes, welches in alten Burgruinen haust, abrückte und den übernatürlichen Spuk in den normalen Alltag der Menschen projizierte. Dabei verlieh er dem Gespenst oder dem Spuk an sich eine vielfältige Variation von möglichen Erscheinungsbildern. Ganz Wissenschaftler, der er war, formulierte er auch in der Einleitung zu seinem Sammelband drei grundlegende Regeln, an welchen sich seine und andere Geistergeschichten orientieren sollten, um einen möglichst hohen Effekt bei dem Leser zu erzeugen.
Laut James sollte eine Gespenstergeschichte an einem vertrauten Ort in der Neuzeit spielen, damit der Leser einen direkteren Bezug zu der sich aufbauenden Handlung erhalten kann. Die Geistererscheinung der Handlung sollte auch vornehmlich böswillig den Protagonisten gegenüber stehen und weniger wohlwollender Natur sein, da es das Ziel der Handlung ist, Furcht zu erzeugen. Und schließlich sollte Fachjargon aus Bereichen des Okkulten, der Pseudo-Wissenschaften oder ähnlichen sorgfältig vermieden werden, um die aufgebaute Atmosphäre nicht durch fremdplatzierte Fachsimpeleien zu zerstören. Der Spuk kann dabei durchaus auch plastisch in Erscheinung treten und muss nicht zwangsweise nur als diffuser Schemen aus dem Augenwinkel heraus wahrgenommen werden. Auch kann er physisch beschrieben werden, sollte sich jedoch dabei immer den allgemeinen einfachen Sprachgebrauch bedienen. Im Kern muss laut James eine gute Geschichte „den Leser in die Lage versetzen, sich zu sagen: Wenn ich nicht sehr vorsichtig bin, kann mir so etwas passieren!“³
Graf Magnus
Graf Magnus ist eine von James' frühen Geschichten, in welcher sich bereits das für seine Erzählungen typische Muster an Handlung und Setting erkennen lässt.
Der englische Reisende Mr. Wraxall, der zum Zweck von Materialsammlungen für sein Buch Schweden bereist, erfährt von dem kleinen Dorf Råbäck, in welchem im siebzehnten Jahrhundert ein besonders gefürchteter Graf Magnus residiert hat. Die Familienchronik sowie insbesondere der Graf selbst, wecken das rege Interesse des Mr. Wraxall, welcher den ortsansässigen Küster dazu überreden kann, ihm Einlass in das Mausoleum des Grafen zu gewähren. In dem Mausoleum finden sich Särge, auf denen seltsame und angsteinflößende Szenen von Verfolgungsjagden abgebildet sind und im Dorf erfährt Mr. Wraxall etwas über die Gräueltaten des Grafen als auch über eine Schwarze Wallfahrt, die er in das biblisch verdammte Chorassin unternommen haben soll. Von dort soll er eine kleine, in einen Umhang gehüllte seltsame Gestalt mitgebracht haben, welche bei der hiesigen Bevölkerung für Angst und Schrecken sorgte. Anstatt jedoch von diesen Geschichten abgeschreckt zu sein, wächst in Mr. Wraxall die Begeisterung für den Grafen, sodass er sich wünschte, ihm persönlich begegnen zu können. Am Tag seiner Abreise aus dem Dorf besucht er nochmals die Grabstätte und wird zu seinem entsetzten Zeuge, wie sich der Sargdeckel zu bewegen beginnt. Voller Angst und in Panik tritt er die Heimreise nach England an, wird jedoch die ganze Zeit über von zwei zur Unkenntlichkeit in Mäntel gehüllte Gestalten verfolgt. Seine panische Flucht endet schließlich in einer Herberge in England, kurz nach seiner dortigen Ankunft. Er wird am Morgen tot in seinem Zimmer aufgefunden und seine Leiche ist derart entsetzlich entstellt, dass allein sieben Männer der einberufenen Untersuchungskommission beim Anblick dieser in Ohnmacht fallen und das Haus bleibt daraufhin unbewohnt bis zu dessen Abriss.
Was diese, als auch die meisten von James' Erzählungen, auszeichnet, ist die direkte und gleichzeitig diffuse Darstellung des übernatürlichen Grauens. Als Leser ist einem recht früh klar, woraus letztlich das Element der Furcht besteht. Im Falle von Graf Magnus ist es klar der über seinen tot hinaus wirkende Graf selbst, jedoch ist die Art und Weise, das Auftreten und Einbringen des Elements der Angst subtil und sich zuspitzend, bis es plötzlich eintritt und direkt über den Protagonisten hereinbricht. Was zudem typisch für James ist, ist der Protagonist selbst, welcher zumeist ein gebildeter oder gelehrter Mann ist, der sich aufgrund übersteigerter Neugier in eine ausweglose Situation manövriert. Anders als es beispielsweise bei Algernon Blackwoods Geschichten der Fall ist, endet die Begegnung mit dem Übernatürlichen auch oftmals tödlich.
Weitere nennenswerte Erzählungen
Die Erzählung Fünf Flakons (engl. The Five Jars) ist der einmalige Versuch, ein Kindermärchen zu verfassen. Jedoch wurde es von seinen Zeitgenossen als zu düster für das Vorlesen vor Kindern empfunden. Dennoch ist dies eine bemerkenswert schöne Geschichte über einen jungen Mann, der auf eine Kiste mit fünf Fläschchen stößt, welche ihm nach und nach unterschiedlichste Fähigkeiten verleihen. So ist es ihm möglich, mit den Tieren zu sprechen, und er wird in die Lage versetzt, hinter den Schleier der für Menschen nicht sichtbaren Welt zu blicken. Eine Welt, in der das kleine Volk wohnt, das friedlich neben den Menschen existiert und wo der junge Mann in Kontakt mit Kindern jenes kleinen Volkes kommt und diese bei ihren Schabernack beobachtet. Die düstere Komponente in Form von gestaltlosen, schwarzen Schemen und Schatten, welche mit aller Macht versuchen die fünf Fläschchen und Ihre Fähigkeiten in ihre Gewalt zu bringen, verleiht der ganzen Erzählung jedoch einen permanent spürbaren, bedrohlichen Aspekt. Letztlich ist die Geschichte im ganzen jedoch weniger bedrohlich, als es die meisten Märchen der Gebrüder Grimm sind, welche durchaus mit weitaus erschreckenderen Momenten aufwarten.
Einfluss auf Lovecraft
Dass M. R. James mit seinen Geschichten einen Einfluss auf Lovecraft hatte, lässt sich nicht bestreiten. Lovecraft lobt James in seinem bekannten Essay und seinen zahllosen Briefen in höchsten Tönen und besaß alle der vier erschienen Sammelbände mit James' Erzählungen. Dass Lovecraft sich auch der von James propagierten Regeln für die Konzeption einer guten Spukgeschichte bediente, lässt sich deutlich in seinen späteren Werken feststellen. So folgt Lovecraft dem Beispiel James, indem er sein Grauen in den normalen Lebensalltag der Menschen projiziert.
Womit sich Lovecraft jedoch deutlich von James abhebt, ist die Form des unheimlichen Elements, welches zum Einsatz kommt. Bei Lovecraft ist es das für ihn typisch über den menschlichen Verstand hinausgehende. Es ist das Grauen, welches im Unbekannten und der Unvorstellbarkeit des menschlichen Geistes steckt und einen unweigerlich in den Wahnsinn treibt, wenn man sich dessen gegenwärtig wird. Bei James ist es nach wie vor ein klassisch gehaltener Spuk, welcher die Protagonisten heimsucht. Es ist das Geisterhafte, Übernatürliche, aber dennoch natürlich Entstandene. James' Spuk hat nichts „der Realität spottendes“ an sich wie bei Lovecraft. Der Spuk entsteht durch ein vermeindlich real existierendes Ereignis in der Vergangenheit und ist dem volkstümlichen oder christlichen Glauben angelehnt. Die Quelle von James' Spuk ist jener von Arthur Machen oder Algernon Blackwood ähnlich. Wie Machen bedient sich James dem Volksglauben seiner Heimatregion und so wie Blackwood lässt er das Übernatürliche dezent, aber spürbar durch äußerliche Einflüsse und Vorkommnisse einfließen und sich aufbauen.
Eine weitere Gemeinsamkeit, welche sich zwischen Lovecraft und James finden lässt, ist die Person des Protagonisten. Bei beiden Autoren ist diese zumeist männlich und gebildet, besitzt einen Studienabschluss oder ein Hobby, welches ihn zu einem gewissen Experten auf seinem Gebiet macht. Zudem wird die Person von einer Neugier angetrieben, die später zu verhängnisvollen Ereignissen oder einem tragischen Ende führt. Das Ende bei James umfasst oft den Tod des Protagonisten, welcher sich als unausweichliche Konsequenz durch dessen Handeln ergibt.
Was Lovecraft ebenfalls mit James gemein hat, ist die Wahl des Schauplatzes der Erzählung in einer vertrauten Umgebung oder Landschaft. Bei James ist es oft das Kernland Englands oder Orte, die er oft bereiste, wie Frankreich oder Schweden. Seine Geschichten leben von den persönlichen Einflüssen, die er in diese Schauplätze mit einfließen lässt. Lovecrafts Erzählungen leben ebenfalls stark von der dichten Atmosphäre seiner neuenglischen Heimat, die oft zum Tragen kommt.
So sehr Lovecraft James' Werk schätzte, könnte man meinen, dass auch James von Lovecrafts Werken angetan gewesen wäre. Dies ist jedoch wohl nicht der Fall. Es ist bekannt, dass James sporadisch in den Genuss amerikanischer Horrorliteratur kam, da u. a. Auszüge aus Weird Tales ihren Weg in die britische Anthologie-Reihe Not at Night fanden, – die in den 1920er- und 1930er-Jahren erschien und welche James las – und somit auch einige von Lovecrafts Werken. Ohne Lovecraft direkt zu nennen, war James im Allgemeinen von den Geschichten aus dieser Reihe aber wenig bis gar nicht angetan. Es gab aber auch einen kleinen, indirekten Kontakt zwischen James und Lovecraft, wie James in einem Brief an einen Freund schrieb. In diesem Brief schreibt er, dass er den Abdruck einer Zeitschrift The Recluse, herausgegeben von W. Paul Cook, mit einem Abdruck von Lovecrafts Essay zugestellt bekommen hat, wohl weil er in diesem ausgiebig und wohlwollend erwähnt wird. James schreibt, dass Lovecraft eine durchaus zutreffende Zusammenstellung in seinem Essay verfasst hat und bringt ihm Respekt für diese Arbeit entgegen. Jedoch war er von dem Schreibstil Lovecrafts alles andere als angetan. Er fand diesen sogar derart seltsam und unpassend, dass er das Wort „kosmisch“ allein 24 Mal zählte.
Abschließende Worte
Montague Rhodes James' literarisches Werk mag übersichtlich erscheinen, aber für die Entstehung der modernen Horrorliteratur besitzt es eine weitreichende Bedeutung. Seine, an die Moderne angepasste Neuinterpretation der klassischen Spukgeschichte verhalf dem gesamten Genre zu einer weitreichenden Popularität, zudem formulierte James einfache, grundlegende Regeln bzw. Orientierungshilfen für das Verfassen moderner Schauerliteratur, welche von vielen Autoren adaptiert wurden. Auch moderne Autoren wie Stephen King oder Ramsey Campbell benennen James als Inspiration für ihr eigenes Werk.
Wie kein anderer Verfasser von unheimlicher Literatur seiner Zeit, ist sein Werk auch heutzutage noch stark in der britischen Gesellschaft präsent. Bis in die heutige Zeit gibt es zahlreiche Vertonungen, Neuauflagen und Adaptionen seiner Geschichten für Radio, Fernsehen und Spielfilm. Sogar namhafte Schauspieler wie der verstorbene Sir Christopher Lee, welcher James als Junge in Eton noch persönlich begegnet war, schlüpfte für Vorlesungen zur Weihnachtszeit für den Sender BBC in die Rolle des Montague Rhodes James und las dessen Werke einem Millionenpublikum vor.
James' Erzählungen sind, wie bereits mehrfach erwähnt, im Kern klassische Geistergeschichten. Sie kommen ohne Ekel, Sex, grausame Rituale, abnormalen und unaussprechlichen Horror oder Ähnliches daher. Trotz Lovecrafts großer Lobpreisungen ist sein eigenes literarisches Werk im Kern weit anders. Der zugrunde liegende Aspekt des übernatürlichen Horrors beider Autoren ist dahingehend zu unterschiedlich. Was diesen angeht, ist Lovecraft weit mehr an Arthur Machen angelehnt als an James. James' Erzählweise ist auch weniger malerisch und ausschweifend, nüchterner, was nicht bedeutet, dass sie weniger spannend ist. James' Geschichten sind kompakt und konzentrieren sich ohne große Ausschweifungen und Nebenschauplätze auf die wesentliche Handlung. Zur damaligen Zeit mögen diese Erzählungen geradezu revolutionär gewesen sein, heutzutage, in einem Zeitalter des medialen Überangebots und der Übersättigung, kann man sie jedoch wohl eher als nette Unterhaltung betrachten, die einen geneigten Leser phantastischer Literatur nicht unbedingt vom Hocker hauen. Wenn diese jedoch in der für sie von James vorgesehenen Art und Weise vorgetragen werden – in einem dunklen, nur durch eine Kerze erleuchteten Raum in vollkommener Stille, von jemanden, der geübt darin ist –, dann entfalten sie eine Wirkung, die auch heutzutage noch Gänsehaut erzeugt.
Lesestoff
M. R. James' gesamtes literarisches Werk wurde vom Festa Verlag für den deutschen Markt in zwei Bänden herausgegeben und ist mit Vorworten des Autors und Nachrufen versehen, die das Leben und Wirken von Montague Rhodes James näher beleuchten.
- Sämtliche Geistergeschichten - Band 1. H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens, Festa Verlag (01.08.2016). ISBN 978-3-86552-482-9
- Sämtliche Geistergeschichten - Band 2. H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens, Festa Verlag (01.08.2016). ISBN 978-3-86552-484-3
Wer James im Original und elektronisch lesen mag, wird beim Projekt Gutenberg fündig.
Quellen
1 Montague Rhodes James: Sämtliche Geistergeschichten - Band 2. H.P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens, Festa Verlag (01.08.2016). 1.Auflage 2016, Seite 407
2 H. P. Lovecraft: Die Literatur der Angst, Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1995, 4. Auflage 2017, Seite 132
3 Frei Übersetzt aus dem Englischen (Stand: 13.04.2023) von https://en.wikipedia.org/wiki/M._R._James#cite_note-joshi-17 : Original Quelle von der Webseite: James, M. R., "Preface to More Ghost Stories of an Antiquary". In Joshi, S. T., ed. (2005). Count Magnus and Other Ghost Stories: The Complete Ghost Stories of M. R. James, Volume 1, pt. 217. Penguin Books.