Zitat von GinsterLetztendlich kommt es mE sowieso zum größten Teil darauf an, wie sich die Gruppe am Tisch auf den Horror einlässt, gerade wenn sie vielleicht eher aus der D&D-Ecke kommt. Daher ist für mich unvermeidbar vor der Runde genau zu klären, worum es gehen wird.
Pulp oder Purist? - Brawny oder brainy? - Roll Play oder Role Play?
Für manchen SL ist das eine Grundsatzfrage im Zugang zu CoC.
Ich persönlich mag puristisch angehauchte Abenteuer sehr. Das nicht zu greifende Grauen. Die undurchsichtigen Verflechtungen und Abgründe. Alles nebulös im Hintergrund gehalten. Das ist m.M.n. lovecraftesker als jedes pulpige Abenteuer; d.h. aber nicht, dass man diese Reinheit nicht mit etwas Action würzen darf, da puristische Abenteuer dazu tendieren in der eigenen Tristesse und Ausweglosigkeit zu versinken.
In der Vergangenheit hatte ich bei so manchem CoC Abenteuer mitunter den Eindruck, dass man versucht mit High Fantasy Abenteuern mitzuhalten, um auch die D&D Klientel anzusprechen, nur dass es dann keine Orks sondern Ghoule und keine Erzdämonen sondern Grosse Alte waren, die es zu zocken galt. Das hatte m.M.n. mit Lovecraft alles nur noch den Namen gemein. Und man vergisst dabei fürderhin, dass Lovecraft's Geschichten so gar nichts mit hack & slash zu tun haben. Vornämlich entsteht der Horror bei dem Protagonisten im Kopf, wobei die Bedrohung unterschwellig immer mehr zu nimmt. Kommt es dann schlussendlich zu einer Begegnung mit einer Kreatur, dann ist die Geschichte auch bereits wieder ums Eck.
Zwei Szenarien - zwei Beispiele. Ein ähnliches Thema, das zeigen soll, was ich meine: Ein Besuch in einem Sanatorium / einer Schule auf einer abgelegenen Insel.
Bsp. 1: Pulp !!!
The Sanatorium - Mansions of Madness; 1990
Ein einsamer Ort. Alles scheint verlassen. Doch gleich nach der Ankunft erfolgt ein Angriff auf die Chars. Sie finden eine Leiche. Hinweise führen zu Hinweisen. Waffen und Wissen sind nützliche Hilfsmittel bei den Ermittlungen. Ein verrückter Insasse scheint für all das Chaos verantwortlich zu sein. Doch hinter dem Ganzen steht eine heraufbeschworene Kreatur, die mit etwas Raffinesse schließlich bezwungen werden kann. Das ist etwas für hardboiled Chars, aber nicht nur. Auch andere haben ihre Lebensberechtigung.
Bsp. 2: Purist !!!
The Dying of St Margarets - The Final Revelation; 2013
Ein trostloser Ort. Alles verfällt und stirbt. Schneller als normal. Die Bewohner wirken alt und apathisch. Waffen helfen nicht weiter. Wissen und Erfahrungen auch nicht. Ratlosigkeit macht sich breit. Alle Anstrengungen sind fruchtlos und führen ins Leere. Und in dem Augenblick, als die Chars die Hintergründe erkennen, ereilt sie alle das gleiche Verhängnis in Form von der Kreatur, welcher sie zuvor nicht habhaft werden konnten.
Wenn ein Abenteuer bei den Spielern derart an der Schmerzgrenze von Unbehaglichkeit und Hilflosigkeit rüttelt, und der Frust die Oberhand gewinnt, dann ist für viele Spieler die Freude am Tisch vorüber, weshalb man als SL vorher die Kurve kriegen sollte. Die Spieler sind ja primär dabei, um Spass zu haben und nicht um indirekt über ihre Chars enttäuscht, gedemütigt, schikaniert, verstört, gequält oder angeekelt zu werden. Okay, ein wenig schon. Aber nicht nur.
Für mich heisst das i.B.a. Cthulhu... Low-Level-Mythos + High-End-Suspense/Surprise.
Der Char/Spieler tappt im Dunklen und wird hinsichtlich seiner Hoffnungen und Befürchtungen im Unklaren gelassen. Mal passiert etwas Unerwartetes, mal wird etwas erwartet, dass dann nicht stattfindet.
Die Bedrohung sollte unterschwellig zwar ständig präsent sein, aber ohne dabei direkt in Erscheinung zu treten, oder gar in einer Konfrontation zu kulminieren.
Ich sehe die Bedrohung im Spiel als etwas Pulsierendes. Die Chars versuchen die Bedrohung zu erkennen, zu fassen, zu ergründen. Sie versuchen die Kontrolle über die Situation zu erlangen. Aber diese Kontrolle nimmt mal ab und mal zu. Das schafft eine Unsicherheit, einen Nervenkitzel.
Der Gegner wird von den Chars wahr genommen, aber er wird dabei immer nur angedeutet, weil er sich wieder und wieder der Begegnung entzieht... hier ein Schatten, dort ein Geräusch, ein Geruch oder eine Hinterlassenschaft (Schleim, Haare etc.).
Manche Spieler lechzen nach Lösungen und können mit losen Enden und offenen Fragen mitunter wenig anfangen, weil sie zu ziel- und ergebnisorientiert ausgerichtet sind, anstatt sich von der Atmo des Abenteuers tragen und mitreissen zu lassen.
Lose Enden. Fragen ohne Antworten. Ich liebe das.
Bsp.: Ein alter Schlüssel, welchen die Chars bei einem mysteriösen NSC finden, ohne zu wissen, was dieser öffnet, ist m.M.n. interessanter und anregender, als vor einer verschlossenen Tür zu stehen, ohne einen Schlüssel zu haben.