H.P. Lovecraft & Arthur Conan Doyle

  • Auf den ersten Blick passen die Schöpfungen von Lovecraft und Sir Arthur Conan Doyle nicht wirklich zusammen. Sherlock Holmes vs. Cthulhu klingt irgendwie albern. Und doch ist diese Mischung gar nicht so selten in der Literatur vertreten und ich habe den Eindruck, dass sich die Fan-Lager auch des öfteren mal überschneiden. Gerade auch im Rollenspielerbereich scheint es da Schnittmengen zu geben.

    Da ich ein großer Freund beider Welten bin, würde ich darüber gern eine Diskussion anstoßen.

    Anbei eine kleine Liste mit allen mir bekannten deutschsprachigen Crossover-Publikationen (leider gibt es auf Deutsch nicht sehr viel):

    Sherlock Holmes - Schatten über Baker Street
    Mörderjagd in Lovecrafts Welten

    Verlag: Bastei Lübbe
    Jahr: 2005
    Inhalt: John Pelan & Michael Reaves - Einleitung
    Neil Gaiman - Eine Studie in Smaragdgrün
    Elizabeth Bear - Tiger! Tiger!
    Steve Perry - Der Flammendolch
    Steven-Elliot Altman - Ein Fall von königlichem Blut
    James Lowder - Die weinenden Masken
    Brian Stableford - Kunst im Blut
    Poppy Z. Brite & David Ferguson - Das fastende Mädchen
    Barbara Hambly - Die Nichte des Altertumsforschers
    John Pelan - Das Geheimnis des Wurmes
    Paul Finch -Das Rätsel des Gehenkten
    Tim Lebbon - Das Grauen hat viele Gesichter
    Michael Reaves - Das Manuskript des Arabers
    Caitlin R. Kiernan - Der ertrunkene Geologe
    John P. Vourlis - Ein Fall von Schlaflosigkeit
    Richard A. Lupoff - Das Voorische Zeichen
    F. Gwynplaine MacIntyre - Entscheidung auf Exham Priory
    David Niall Wilson & Patricia Lee Macomber - Der Tod stand ihm nicht gut
    Simon Clark: Albtraum auf Wachs


    Im Reich des Cthulhu

    Autor: Klaus-Peter Walter
    Verlag: Blitz
    Jahr: 2008


    Sherlock Holmes und das Geheimnis des Illusionisten
    Ein Theaterstück

    Autor: Thomas Fröhlich
    Verlag: Evolver Books
    Jahr: 2013
    Anmerkung: Basierend auf der Kurzgeschichte "Glauben Sie mir, mein Name ist Dr. Watson!" von Andreas Gruber, erschienen in der Anthologie "Das Geheimnis des Geigers" (Blitz Verlag, 2006).


    Sherlock Holmes und das Necronomicon

    Autor: Sylvain Cordurié & Laci
    Verlag: Splitter
    Jahr: 2014
    Anmerkung: Comic

  • Zitat

    Lovecrafts Figuren sind Weicheier, die sich schon beim ersten losen Kontakt mit den Alten wollüstig dem Untergang in die Arme werfen.

    Um dem Ganzen gleich von Anfang an die richtige Atmoshphäre zu verleihen, hier ein Link (Download) zur Cthulhu Libria-Ausgabe Äon 1, die ein Interview mit Klaus-Peter Walter (Sherlock Holmes im Reich des Cthulhu) enthält (S. 5 – 8): https://cthulhulibria.files.wordpress.com/2014/07/cl-63-online.pdf

  • Zitat von Arkham Insider Axel

    Um dem Ganzen gleich von Anfang an die richtige Atmoshphäre zu verleihen, hier ein Link (Download) zur Cthulhu Libria-Ausgabe Äon 1, die ein Interview mit Klaus-Peter Walter (Sherlock Holmes im Reich des Cthulhu) enthält (S. 5 – 8): https://cthulhulibria.files.wordpress.com/2014/07/cl-63-online.pdf

    Meine Dame hatte mir den Fall des Sherlock Holmes im Reich des Cthulhu zu Weihnachten geschenkt. Meine Erwartungen wurden gänzlich erfüllt: Feinster Pulp, der ein einfaches Smash Up von zwei beliebten "Welten" darstellt. In meinen Augen ging es bei dem Roman weniger um die Geschichte, sondern vielmehr darum, dass die höchstmögliche Anzahl von einschlägigen Begriffen genannt wird. Als ganz besonders abgedreht empfand ich die Idee, dass Holmes die Notenblätter des Erich Zanns findet und letztendlich damit auch noch die Gefahr bannt. Einen höheren Trash-Faktor könnte ich mir gar nicht vorstellen. Folglich: Der Roman ist wahrlich nur "Zeitvertreib", der in meinen Augen keinerlei höheren Erwartungen erfüllen kann. Um aber ein paar entspannte Stunden zuwegebringen, ist dieser Pulp-Roman zu empfehlen. Für den Hunger, der nach allem, was mit Sherlock Holmes und Cthulhu zu tun hat, ist er sicherlich befriedigend.

    Ganz nebenbei: Dieses Gemisch aus zwei Erfolgsrezepten erinnerte mich an einen Artikel der Wochenzeitung DIE ZEIT. Der Artikel handelt von einer Anne Frank-Fanfiction. Eine krude Zusammenführung aus Anne Frank, Sonic The Hedgehog und Dragonball Z. Natürlich ist das Level des Wahnsinns hier viel höher, jedoch finde ich, dass sich eine Gemeinsamkeit abzeichnet, nämlich der krampfhafte Versuch Dinge zusammenzuführen, die einen beschäftigen bzw. interessieren.
    Der Link zum Artikel: Fanfiction: "Hey, ich bin Anne"

    Um aber meinen Beitrag vom Speziellen aufs Allgemeine zu erheben: Prinzipiell habe ich nichts gegen einen derartigen "Genre-Mix". Erst durch die Beschäftigung mit Sir Arthur Conan Doyle's und Howard Phillip Lovecraft's Werke, welche in meinen Augen sehr gut miteinander harmonieren können, sah ich mich gezwungen Chaosiums Quellenband "Cthulhu by Gaslight" käuflich zu erwerben.

    Was den Geschichten des Sherlock Holmes an Dunkelheit und Düsternis fehlt, wird durch Lovecraft's Schöpfungen ausgeglichen. Im Gegenzug repräsentiert die Figur des Sherlock Holmes das Idealbild eines Investigators/Ermittlers, welcher den Geheimnissen, die ihm entgegentreten, auf den Grund gehen möchte.

  • Sehr coole Einschätzung, die vor allem zeigt, dass man nicht alles so dogmatisch sehen sollte :)

    Hervorheben möchte ich folgenden Punkt:

    Zitat

    … der krampfhafte Versuch Dinge zusammenzuführen, die einen beschäftigen bzw. interessieren.

    Besonders der 2. Teil des Satzes ist aussagekräftig. Solchen posthumen Kooperationen liegt immer ein starkes persönliches Interesse zugrunde. Was HPL und Doyle bzw. die Figur Holmes betrifft, funkioniert der Mix, weil beide hervorragend rezipiert werden. Inhaltlich gibt es nur wenige Überschneidungen und HPL war kein nennenswerter Fan von Holmes. Nils hat zwar (an anderer Stelle) richtig bemerkt, dass HPL als Kind von den Geschichten beeinflusst, die Providence Detective Agency gegründet hatte – doch legte sich diese Begeisterung mit Eintritt ins Jugendlichen-Alter. Auch befanden sich in Lovecrafts Bibliothek so gut wie keine Krimis. Als letzten Punkt möchte ich noch betonen, dass er kein großer Freund des viktorianischen Zeitalters war. Es ist also auch in diesem Punkt klar, woher die Begeisterung für die Mischung Cthulhu-Mythos und SH weht: nämlich aus dem Steampunk-Lager.

    Machen kann und soll man das ja alles; — ich sage nur, dass man sich nicht der Illusion hingeben sollte, in Lovecrafts Biografie eine stichhaltige Begründung für diese "Zusammenarbeit" oder auch nur eine Wertschätzung des Detektiv-Genres zu finden.

  • Was hat Lovecraft eigentlich von Poes "Dupin"-Trilogie gehalten? Würde mich mal interessieren, ob er sich dahingehend mal geäußert hat.

    Ich habe "SH im Reich des Cthulhu" noch nicht gelesen, werde ich aber definitiv noch machen. Klaus-Peter Walter kenne ich von anderen Geschichten, er vermischt ganz gern sherlockianische Themen mit anderen Genres oder auch historischen Figuren, Beispiele wären die Holmes-Geschichten "SH und Old Shatterhand" oder "Der Fall Buffalo Bill". Ist auf der Pulp-Ebene sehr gut lesbar und unterhaltsam, hat aber auch seine Schwächen. Eine Frage der Herangehensweise letztlich. Solche Stories werden im Doyle-Fandom mit Vorliebe zerrissen, da sie eben in der Regel keine spannenden Krimis sind und auch die Charaktere sind in der Regel sehr unterschiedlich im Vergleich zum Original. Aber wie Axel schon sagt, Dogmatismus ist nicht zwangsläufig eine zielführende Einstellung. Ich sehe das ebenso, prinzipiell kann jeder alles machen. Nur das Recht zum Verriss sollte dabei dem Leser vorbehalten sein, wenn irgendwas doch zu albern getrieben wird.

    Fan-Fiction/ Pastiches/ Crossovers/ Mashups - wie auch immer man es nun nennen mag - ist ja eh in der Regel ein Produkt dessen, was der Autor gern selbst lesen würde. Also meist auch eine sehr individuelle Sache, die ein Nischenprodukt nochmal potenziert und am Ende interessiert es vielleicht kaum noch jemanden, das Risiko besteht eben. Und durch selfpublishing etc. wird der Markt da sicherlich auch mit viel Müll überschwemmt (denke da gerade ein ein Crossover "Sherlock Holmes/ Harry Potter mit einem Spritzer Manga und Rosamunde Pilcher"... aua). Aber man kann ja als Leser aussieben, insofern alles kein Thema. Und dann und wann kommen dabei ja auch mal richtige Perlen heraus.

  • Zitat von Tina

    als Poe-Verehrerin würde mich auch interessieren, ob es Lovecraft/Poe crossovers gibt... :kulhu:

    Gibt es schon, aber nicht auf Deutsch, soweit ich weiß. Guck mal nach "Poe & Phillips" von Jaime Collado. Und ich meine, es gibt auch ein Comic, in welchem Lovecraft, Doyle und Poe gemeinsam ermitteln oder zumindest irgendein Abenteuer erleben. Aber ich bin im englischen Bereich da nicht so bewandert.

  • Zitat

    Es kommt alles von Poe via Doyle. Dupin ist der Prototyp von Holmes, & Holmes ist der Prototyp jedes anderen literarischen Detektivs …


    (In einem Brief an Alfred Galpin, 27.5.1918)

    Zitat

    Ich habe oft Detektiv-Geschichten geschrieben, die Arbeiten von A. Conan Doyle waren mein Vorbild, was den Plot betraf. Aber Poe war mein literarischer Gott. Ich liebte das Schreckliche & Groteske – viel mehr, als ich es jetzt tue – & und ich kann mich an Geschichten erinnern von Mördern, Spiritisten, Reinkarnationen, metempsychoses (?), & jedes nur erdenklichen schauererregenden Mittels.


    (In einem Brief an Reinhart Kleiner, 2. Februar 1916)

    Wie sehr Lovecraft Dupin schätzte, lässt sich evtl. aus dem Kapitel über Poe in Supernatural Horror in Literature herauslesen, – wo jener keine besonders große Rolle spielt.

  • Sehr schöne Auszüge! Sie befeuern durchaus das Bedürfnis, mehr Briefe von und an Lovecraft zu lesen.

    Metempsychose bedeutet soviel wie "Seelenwanderung". Falls das (?) hinter dem Wort dem Verständnis des selbigen galt.

  • "Im Reich des Cthulhu" hat ich auch schon mehrmals auf der "kauf ich mir Liste" aber irgendwie konnte mich der Gedanke dieses Crossovers noch nicht überzeugen ...ihr habt mich jetzt soweit das ich mich da mal irgendwo einlesen muss. Ich mag ja beides für sich sehr gern und es muss schon verdammt gut sein damit mich so ein Crossover flashen kann. Aber MacReady sagte ja bereits das man den Blickwinkel etwas pulpiger einstellen sollte ums scharf zu stellen ....ich versuchs nochmal und packs wieder drauf auf die Liste ...

    ...Drucker des Grauens
    ...Kultist beim Stammtisch "circinus caprae carbonis"
    ...Krabbentänzer 🦀

  • Also der Bastei-Band geht es teils schon etwas "ernsthafter" an, wenn ich mich richtig erinnere. Ist bei mir aber auch schon einige Jahre her die Lektüre. Aber soweit ich das noch weiß, sind da schon einige Geschichten dabei, die sich wirklich am Aufbau lovecraftiger Atmosphäre versuchen. Es ist ja schon ein Unterschied, ob man einfach nur ein paar Anspielungen auf seinen Kosmos verwendet und einmal Von Juntz durchs Bild laufen lässt oder dergleichen, sich aber stilistisch völlig anders orientiert, oder ob man wirklich versucht, durch ähnliche Erzählstrukturen eben die Atmosphäre zu erschaffen, nach welcher der Lovecraft-Leser sucht. Da trennt sich dann auch für meine Begriffe das Lovecraft'sche Schaffen von der Schundliteratur. Trifft sicherlich nicht auf alle seine Stories, aber es gibt etliche, wo er es schafft. Und wie gesagt, in "Schatten über Baker Street" gab es meiner Erinnerung nach da durchaus einige Kurzgeschichten, die ähnlich gelagert sind.

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