Lovecrafter Online – 027 – „Die Anlage“ von Peter Kastberger

Wir präsentieren euch heute Peter Kastbergers zweiten Artikel mit atmosphärischen Fotos und Kommentaren des ungenannten Reisenden! Peter hat erneut in seinen Fundus gegriffen und kredenzt uns Unheimliches aus einer Abtei. Viel Vergnügen beim Gruseln!
Ein über der Landschaft hängender Nebel, der jedes Geräusch zu verschlingen und jedes Leben zu ersticken scheint, ist ein ständiger Begleiter. Kalt und klamm ist es. Alte knorrige Bäume sind die Wächter jener Gegend, die – wie es mir vorkommt – aufmerksam und von einer boshaften Lebendigkeit erfüllt, jeden Eindringling mit knochigen Ästen ergreifen würden, der ihnen zu nahe kommt.
Foto: Peter Kastberger, Creative-Commons-Lizenz BY-NC-SA
Der Bau ist in erbärmlichem Zustand. Wo die Fenster nicht mit Brettern dürftig zugenagelt sind, zeigen sich eingeschlagene Glasscheiben wie die faulige Zähne im Maul einer Bestie. An der Tür kein Kordelzug für eine Glocke, wie man es gewohnt ist, und auch kein Ring, um Klopfzeichen zu geben. Die kleine hölzerne Türe ohne erkennbaren Knauf oder Griff. Das Holz selbst stabil, jedoch von der Witterung bereits arg mitgenommen und wohl lange keiner Pflege mehr unterzogen worden.
Foto: Peter Kastberger, Creative-Commons-Lizenz BY-NC-SA
Uralte Manuskripte, Urkunden und Bücher liegen in der Bibliothek verstreut. Einige nur in krakeliger Handschrift verfasst, andere kunstvoll von Meisterhand illuminiert und wieder andere aus den Kindertagen des Buchdrucks. Verfasst in Griechisch, Latein oder anderen mir unbekannten Sprachen. Illustriert mit den wirren Fantasien fanatischer Geister. Schließt man die Augen, so meint man sofort das Kratzen und Schaben von Federkielen auf Pergament zu hören. Wie das Scharren der Klauen einer Bestie. Ganz leise und doch unerträglich laut.
Foto: Peter Kastberger, Creative-Commons-Lizenz BY-NC-SA
In der Mitte der Bibliothek in einem Buchständer ein riesiger, in der Mitte aufgeschlagener Foliant. Die Seiten so groß wie der Rücken eines Mannes. Jedes Blatt spröde und von einer Stärke, wie nur die gegerbte Haut eines Lebewesens sie bieten kann. Feine Punkte lassen erkennen, wo einst die Haare wuchsen. Das Material selbst wie heller Honig. Die Schrift in Schwarz dick aufgetragen. Sie hebt sich deutlich von der Oberfläche ab. Die Verzierungen in einem beängstigendem Rot, das scheint, als würde es zerfließen.
Foto: Peter Kastberger, Creative-Commons-Lizenz BY-NC-SA
Auf rotem Samt aufgebahrt ein Schädel. Der Knochen vergilbt. Die leeren Augenhöhlen starren gefühllos und kalt in die Unendlichkeit. Eine Anhäufung anorganischer Materie, die nur von unserem Geist in ein Abbild vergangenen Lebens verwandelt wird. Daneben die Noten eines Requiems sowie eine Sanduhr. Die Sanduhr auf der Seite liegend, das Rad der Zeit somit angehalten. Das Requiem beschreibt eine widernatürliche Abfolge von Tönen in einem grotesken Takt und scheint im Stande, die Harmonie der uns bekannten Welt vollends zu verneinen.
Foto: Peter Kastberger, Creative-Commons-Lizenz BY-NC-SA
Veröffentlichung dieses Gastartikels mit freundlicher Genehmigung des Autors Peter Kastberger.
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