Lovecrafter Online – Rezension: Shattered Creatures
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Seanchui -
13. Juni 2022 um 12:00 -
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Shattered Creatures verfolgt dabei ein interessantes Konzept. In jedem der hier versammelten Texte thematisiert Grell eine Kreatur aus Sagen, Legenden und Gruselgeschichten und widmet ihr eine eigene, kurze Geschichte. Dabei finden sich altgediente und wohlbekannte Klassiker wie Vampire, Werwölfe und Hexen ebenso auf den Seiten des Bandes wieder wie einige eher unbekannte Kreaturen. So widmen sich dann auch Geschichten Monstern wie dem Glatisant, dem Gonger oder dem Aufhocker. Die Mischung weiß durchaus zu gefallen und zeugt davon, dass hier Recherche abseits des Mainstreams eingeflossen ist.
Viele Geschichten sind dabei durchaus interessant. Oftmals werden sie aus der Sicht der Kreatur dargestellt, welche titelgebend für die jeweilige Geschichte war. Das erlaubt der Autorin, die Gedankenwelten dieser Wesen zu erforschen und sie so zu mehr als blutrünstigen Bestien zu machen. So machen sich Leser wie Autorin die Motivationen der Wesenheiten zu eigen und können deutlich mehr Verständnis für die brutalen Taten aufbringen, zu welchen diese Wesen imstande sind. Außerdem gelingt es Grell - trotz der Kürze der Geschichten - oftmals mit interessanten Wendungen die üblichen Klischees zu brechen, welche in den Geschichten angedeutet werden. Von Zeit zu Zeit ersetzt diese Wendung nur ein Klischee durch ein anderes - wie z.B. im Falle der Vampir-Geschichte - dennoch wissen die oftmals plötzlich auftretenden Veränderungen in der "üblichen" Geschichte durchaus zu gefallen.
Der Vielzahl von Monstern ist es allerdings auch zu verdanken, dass jeder einzelnen Kreatur nur wenige Seiten in Shattered Creatures vorbehalten sind. Während einige der Geschichten dennoch hervorragend funktionieren, bleiben so oftmals die Protagonisten blass und die sich entspinnenden Story-Elemente nur angedeutet. Viele sehr gute Ideen werden nur oberflächlich abgehandelt und man wünscht sich, die eine oder andere Geschichte hätte etwas mehr Platz erhalten, um sich vollends zu entfalten. So bleiben viele Stories ein Häppchen, deren Motive sich kaum wirklich einbrennen können.
Musste ich Grells Erstling Sonia: Die Tochter des Erschaffers noch mangelnde Reifezeit und manch ungelenke Formulierung vorwerfen, so zeigt sich die Autorin bei Shattered Creatures bereits deutlich gereifter. Auch hier sitzt noch nicht jedes umschriebene Bild perfekt, doch ist das Lektorat und Korrektorat deutlich besser als noch in der mir vorliegenden Form von "Sonia". Das hübsch gestaltete Coverbild rundet den technisch gelungenen Eindruck gekonnt ab.
Ein letztes noch: Bei Shattered Creatures handelt es sich nicht um cthuloide oder von Lovecraft inspirierte Geschichten. Auch, wenn der eine oder andere Tentakel enthalten ist. Hier steht vielmehr die volkstümliche oder gothische Spukgeschichte im Vordergrund, ganz ohne kosmischen, menschenverachtenden Horror.
Fazit: Eine interessante Riege alptraumhafter Kreaturen, charakterisiert und vorgestellt in leider viel zu kurzen Geschichten. Leider bleibt manch gute, innovative Idee nur eine Andeutung. Doch gerade Einsteigern in die Welt der Gruselliteratur würde ich einen Blick empfehlen, ist die Bandbreite doch groß und die zu investierende Lesezeit kurz.
Shattered Creatures
Softcover, 60 Seiten, 2,99/6,99 EUR
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