Lovecrafter Online – Eine Party für E.T.A. Hoffmann
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AndreasGiesbert -
6. Juni 2022 um 12:00 -
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fünf Ensemblemitgliedern und Gastautorin Ina Elbracht gestaltet wurde.
Am 25. Mai 2022 lud die Sociétee Fantastique zu einer Party für E.T.A. Hoffmann ins Schlosstheater Moers. Anlass war der 200. Todestag des schwarzen Romantikers, dem man „der Zeit voraus“ um einen Monat zuvorkam. Geboten wurde ein gut dreistündiges Programm das von denDer Sandmann
Den Anfang machte eine szenische Lesung, bei der die bekannte Sandmannerzählung in verteilten Rollen nach allen Regeln der Sprechkunst interpretiert wurde. Dem Ensemble ist es mit allerlei stimmlichen Mitteln und wohldosierter Mimik und Gestik gelungen, den Klassiker der weirden Literatur zum Leben zu erwecken. Durch leichte Modulationen wurden die teils antiquierten Redewendungen und die damals häufig verklausulierten Ironie explizit und der Text so zugänglicher gemacht. Auch der Rahmen der Lesung selber wurde mit einem Augenzwinkern reflektiert. So etwa, wenn Protagonist Nathanael (energetisch gesprochen von Georg Grohmann) hemmungslos über das Aussehen der – jetzt als Schauspielerin Emily Klinge „anwesenden“ – Geliebten urteilt. Gen Ende nahm die Interpretation dadurch leicht humoristische Züge an, was vom zeitlichen Abstand zum Werk und seiner dadurch geschuldeten sprachlichen Antiquiertheit noch einmal begünstigt wurde. Man mag diesen humoristischen Dreh mögen oder nicht, an der begeisternden Interpretation des Ensembles und dem grundsätzlichen Respekt vor dem Werk ändert es nichts. Einzig die sprachliche Umsetzung des italienischen Brillenmachers hat für meinen Geschmack etwas zu sehr auf die Akzent-Klischeedrüse gedrückt.
Die Frau mit den Goldenen Schuhen
Der zweite, umfangreichere Teil stellte eine Neuinterpretation Hoffmanns in den Mittelpunkt: Ina Elbrachts (noch) unveröffentlicher Roman Sie nannten mich den Mann mit den goldenen Schuhen. Die hoffmannbegeisterte Autorin durfte ich bereits mit ihrem lovcraftesquen Vexyr von Vettseiffen besprechen und war für mich der Grund den Weg nach Moers anzutreten. Schon von der Sandmannperformance angetan, hat der zweite Teil meine hohen Erwartungen nochmal übertroffen. Statt „bloß“ einer Lesung zu folgen, wurde wiederum eine volle Performance geboten. Matthias Heße und Roman Mucha vom Ensemble inszenierten gemeinsam mit der Autorin zwei ihrer Texte. Die bescheidene Kölnerin kam übrigens ganz stilecht mit goldenem Schuhwerk zur Veranstaltung…
Nighttrain 2019) erschienene Geschichte kann durch sein hohes Reflexionsniveau und die innovative Neuinterpretation der Hoffmannmotivik überzeugen. Das gilt auch für das (oder zumindest mein) Herzstück des Abends: Den Mann mit den goldenen Schuhen. Im umfangreichen Roman nimmt sich Ina Elbracht die anspruchsvollen und nicht minder umfangreichen Elixiere des Teufels vor, die sie aus einem mittelalterlichen Kloster in ein Ashram verlegt und den Protagonisten zum Schlagerstar verwandelt. Die Mischung kann eigentlich nur schiefgehen, gerät bei Elbracht aber zu einem Experiment eigener Güte. In Verbindung mit den – in der Lesung beiseite gestellten – Szenen der Vorlage trat die kongeniale Neuinterpretation des Stoffes deutlich hervor. Namen und Motive werden geschickt in das gewöhnungsbedürftige Milieu integriert ohne zur Kopie zu verkommen. Besonders begeistert dabei die Beobachtungsgabe und Wortkunst der Kölnerin, der es gelingt, Alltagsszenen wundervoll entlarvend auf den Punkt zu bringen. Etwa wenn ein gealterter Schlagerstar sein „materialmüdes Lächeln“ aufsetzt, der Sexismus der Schlagerszene blamiert wird oder über den Genuss von Donauwellen sinniert wird. Das sie dabei nicht nur Humor beherrscht, zeigt die einfühlsame Darstellung des Auszugs des jungen Protagonisten aus dem Ashram nach Berlin, dessen Kälte und Zwang zu beschuhten Füßen mitfühlen lässt. Wie punktgenau die Beobachtungen ins Wort gesetzt wurden zeigte die begeisterte Reaktion des Publikums. Großes Lob ist dabei neben der Inszenierung auch dem Textarrangement auszusprechen, dem es gelungen ist, die umfangreiche Erzählung auf ein Abendformat zu reduzieren und den Text durch Rückfragen und Anmerkungen sinnvoll einzubetten.
Den Anfang machte die kurzweilige Geschichte Nachsehen in der zwei Sanatoriumsinsassen ihre Angst davor diskutieren, Automaten zu sein. Eingeleitet mit dem – auch von Poe beschriebenen – sogenannten Schachtürken, wird hier Hoffmanns Automatenmotiv in einer Weise aufgegriffen die äußerst passend an den Sandmann anschließt. Die im Windschatten (Eine Party zum Abschluss
Cthulhu-Zirkel auf die Bühne?
Eine gemeinsame Gesangseinlage zum Gedenken an Hoffmann führte in einen Rückblick auf die abgeschlossene Reihe und den geselligen Teil über. Leider wird es die Lesereihe in der Form nicht mehr geben. Man war sich aber einig, dass es nicht die letzte phantastische Lesung des Ensembles gewesen sein sollte. Und wer weiß, vielleicht kommt dann auch jemand aus demDas Format der szenischen Lesung war für mich jedenfalls ein voller Erfolg. Die Lesung durch ausgebildete Schauspieler*innen hat im Vergleich zu einer Autor*innenlesung einen deutlichen Mehrwert gebracht und konnte die Texte beeindruckend vor Augen stellen. Der gesellige Abschluss war schließlich noch einmal eine vielvermisste Gelegenheit sich mit Aktiven aus der Phantastikszene auszutauschen. Jede Stadt sollte eine Phantastische Gesellschaft haben!
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