Lovecrafter Online – 84 – Sherlock Holmes im Reich des Cthulhu: Eine deduktive Reise durch Lovecrafts Werke
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Thorsten -
30. August 2021 um 12:00 -
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Cthulhu, hatten wir das nicht schon einmal? All jenen sei versichert, dass ihr Gedächtnis noch tadellos funktioniert. Wer nun aber glaubt, dieser Artikel sei nur ein warmer Aufguss des Beitrages des Lovecrafters Nr. 5, der irrt sich. Das Aufeinandertreffen des Meisterdetektivs mit dem kosmischen Grauen Lovecrafts hat so manchen Autor dazu Inspiriert, die ein ums andere phantastische und unglaubliche Geschichte zu verfassen. Eine der wohl bizarrsten und im wahrsten Sinne des Wortes groteskesten Geschichten soll hier nun als Hörspiel von Mathias Langer-Kürschner vorgestellt werden.
Der ein oder andere treue Leser des Lovecrafter wird sich anhand der Überschrift sicherlich die Fragen stellen, Sherlock Holmes trifft aufSherlock Holmes im Reich des Cthulhu ist eine Pastiche-Romanerzählung von Klaus-Peter Walter, welche im Jahr 2008 im Blitz-Verlag erschienen ist. Bei dem Roman handelt es sich um ein Crossover zwischen der Welt des Sherlock Holmes, gepaart mit einer Vielzahl an übersinnlichen Elementen aus diversen von Lovecrafts Werken. Aber auch allgemein hin bekannte Mythen, Sagen und Märchenerzählungen spielen in diese durchaus phantastische Erzählung hinein. Der Roman selbst ist in sich eine eigenständige, abgeschlossene Erzählung, welche wohl als eine einmalige und einzigartige Paarung der Welt des Meisterdetektivs mit einem Konglomerat an übernatürlichen Elementen Lovecrafts betrachtet werden kann. Klaus-Peter Walter ist ein deutscher promovierter Historiker und Philosoph, welcher als freier Publizist tätig ist und bereits einige Sherlock-Holmes-Romane in Anlehnung an die originalen Werke verfasst hat.
Die Grundlage für diese Rezension ist jedoch nicht das niedergeschriebene literarische Werk, sondern das durch WinterZeit Studios produzierte, gleichnamige Hörspiel, das auf diesem Roman basiert. Die WinterZeit Studios sind womöglich einigen Lesenden als Herausgeber und Publizist einer Vielzahl von Hörspielen bekannt, unter denen sich auch die ein oder andere Lovecraft-Erzählung befindet. Die prägendste Hörspielreihe ist jedoch die der Sherlock Holmes Chronicles mit mittlerweile über 70 Erzählungen rund um den Meisterdetektiv und seinem getreuen Gefährten Dr. Watson.
Inhalt
Die Geschichte startet mit einem furiosen Auftakt, in dem Holmes und Watson, mitten in der Nacht aus ihrem Schlaf gerissen, eine niedergestochene Leiche auf ihrer Türschwelle finden. Schnell steht für den Meisterdetektiv, mit seinen herausragenden deduktiven Fähigkeiten fest, dass der Tote ein Handlanger Moriartys ist, ermordet durch arabische Assassinen, und dass die geheimnisvolle Botschaft eines Argot 35 im Mittelpunkt dieser Geschehnisse steht. So weit, so spektakulär und wenig übernatürlich.
Die erste seichte Anlehnung an etwas abstrakt Übernatürliches lässt jedoch nicht lang auf sich warten und erscheint in Form eines des apathischen Wahnsinns anheimgefallenen Journalisten, dem Auftauchen eines mysteriösen wurmartigen Dinges und dem erneuten Auftreten des Begriffes Argot 35. Auch wird zum ersten Mal der Name Tolo erwähnt, natürlich als direkte Anlehnung an den großen Cthulhu.
Ab diesen Punkt entwickelt sich die Geschichte auch rasant weiter. Schnell stoßen Holmes und Watson bei ihren Nachforschungen auf allerhand lovecraftsche und übersinnliche Begebenheiten. Sei es das Auftauchen des Necronomicons, das Eintreten in verwinkelte Räume mit nicht euklidischer Geometrie, die Erwähnung eines fernen Landes Leng oder das Auffinden von Notenpartituren eines Erich Zann. Aber nicht nur Lovecraft diente dem Autor als Inspirationsquelle: Von der altgriechischen Mythologie über die Märchen der Gebrüder Grimm bis hin zu Forschungsberichten exzentrischer Wissenschaftler und Forschungsreisender des neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhunderts wird sich scheinbar bei allem bedient, was die Literatur und Geschichte an extravaganten Erzählungen und unerklärlichen Phänomenen der letzten Jahrhunderte hervorgebracht hat. Und so wirkt die gesamte Geschichte letztlich wie ein einziges großes, literarisches Wimmelbild, in dem man unweigerlich dazu neigt, sämtliche Anlehnungen und Anspielungen ausfindig machen zu wollen. Dadurch wird auch eine gewisse Art Spannung beim Leser oder Zuhörer erzeugt, da man sich nie sicher sein kann, welchem unglaublichen und fantastischen Umstand die Protagonisten als nächstes begegnen. Jedoch wird dadurch auch der Umstand erzeugt, dass es zuweilen schwieriger wird, den Geschehnissen des Handlungsstranges zu folgen und alle literarischen Anspielungen im Überblick zu behalten. Dennoch gelingt es dem Autor auf verblüffende Weise, fast alle Referenzen in einen für die Geschichte stimmigen Zusammenhang zu bringen.
Erzählerisch ist diese Geschichte vom Stil her eine eher klassische Sherlock-Holmes-Geschichte. Wer eine Geschichte im Stile Lovecrafts erwartet, wo einem im Angesicht des unaussprechlichen, kosmischen Grauens der nackte Angstschweiß den Rücken hinunterläuft, wird jedoch enttäuscht werden. Selbst im Angesicht der unmöglichsten Situation bewahrt der Meisterdetektiv seine britische Contenance und lässt sich von scheinbar nichts erschüttern. Im Gegensatz dazu hat sein Gefährte Dr. Watson zumeist eine gesündere Einstellung zu den schier unglaublichen Phänomenen, die ihn ein ums andere Mal versuchen aus der Fassung zu bringen.
Wer als unvorbereiteter Leser auf diese Geschichte stößt, wird sich wohl am Ende fragen, was genau er davon zu halten hat. Diese Geschichte ist weder eine unheimlich-phantastische Erzählung, die man dem lovecraftschen Kosmos zuschreiben könnte, noch ist sie eine echte Sherlock-Holmes-Geschichte, welche man in der Romanwelt von Arthur Conan Doyle verankern könnte. Diese Geschichte ist zu Recht ein Art Unikat und muss wohl unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, dass der Autor bewusst eine Art Hommage an beide Autoren und deren literarische Welten schaffen wollte und sich dabei eines leichten aber dennoch markanten, parodierenden Untertons bedient hat. Dennoch zeugt die erzählerische Tiefe und der durchaus gekonnte Einbezug und die Verknüpfung einer Vielzahl von Lovecrafts Werken davon, dass der Autor ein Liebhaber dieser sein muss. Von daher kann diese Geschichte, auf seine Art, als eine besondere Huldigung der Werke Lovecrafts verstanden werden.
Fazit
Die Geschichte macht Spaß. Es ist ein unterhaltsames Stück Literatur, das weder als Sherlock-Holmes-Fan noch als Lovecraft-Liebhaber allzu ernst genommen werden sollte. Gerade unter den Holmes-Fans ist diese Geschichte, der Recherche nach, doch etwas umstritten und wird nur ungern dazu gezählt. Als Liebhaber von Lovecrafts Werken sollte man auch keine unheimliche Erzählung erwarten. Stattdessen muss man an der ein oder anderen Stelle doch unweigerlich darüber lächeln, wie es dem Autor doch irgendwie gelingt, diese Vielzahl an Anspielungen miteinander in Einklang zu bringen. Gerade die Fülle an verschiedensten Anspielungen ist es aber auch, weswegen ein kleiner Kritikpunkt doch angeführt werden muss. Zwar bringen diese Anspielungen eine Art „Wimmelbildcharakter“ mit sich, welcher durchaus unterhaltsam sein kann, und sind in sich auf eine groteske aber lustige Art miteinander stimmig verbunden, aber dadurch wirkt die Geschichte auch etwas überladen. Es fällt einem zunehmend schwerer dem Handlungsstrang zu folgen und das Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten im Blick zu behalten.
Letztlich bietet diese Geschichte jedoch wohl einen guten Unterhaltungswert für all jene, welche die Geschichten Doyles und Lovecrafts mögen und schätzen, und keinen zu ernsten, dogmatischen Ansatz beider literarischer Welten verfolgen.