Lovecrafter Online – Die Entstehung eines Gedichtbandes Teil 2
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Blackdiablo -
30. Januar 2023 um 12:00 -
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Max Becker: Der Gedichtband wird nun in Kürze veröffentlicht. Wie hat das Projekt für Dich angefangen?
Julian Schröger: Ich glaube, ich bin durch Zufall im Forum der dLG darauf aufmerksam geworden. Frank hat damals im Vorfeld bei Volker angefragt, wenn ich mich recht erinnere, ob die dLG Interesse an seinen Nachdichtungen habe bzw. ob man das Ganze nicht irgendwie gemeinsam veröffentlichen wolle. Volker hat dann nachgefragt, wer Interesse hätte, an dem Projekt mitzuarbeiten und so ging es dann los. Dadurch bin ich zu dem Projekt und letztendlich auch zum Literaturteam gekommen. Die eigentliche Arbeit begann dann – wie für uns alle – mit diversen Skype-Konferenzen und der Recherchearbeit.
MB: Hattest Du zuvor bereits Kontakt zu den Gedichten Lovecrafts?
JS: Ja, ich besaß The Ancient Track (den von Joshi editierten Gedichtband, auf den sich unserer Arbeit stützt) bereits im Vorfeld und hatte den Band schon etwas quergelesen. Vereinzelte Gedichte, um die man meiner Meinung nach auf Dauer nicht herumkommt, wenn man sich mit Lovecraft als Person beschäftigt (z.B. The Ancient Track oder On The Creation of Ni[***]rs), kannte ich aber schon länger.
MB: Wie sah die Arbeit für Dich im Speziellen aus? Gab es Schwierigkeiten?
JS: Verglichen mit der generellen Recherche zu Entstehung, editorischen Fragen wie Erstveröffentlichungen oder Verwendung von Pseudonymen etc. gestaltete sich die fachspezifische Recherche und die Suche nach Quellen teilweise als schwierig. In Lovecrafts Prosa fließen teilweise diverse akademische Disziplinen ein und mit seiner Lyrik verhält es sich nicht anders. Zur Analyse der Texte war es daher teilweise nötig, entsprechende Fachliteratur zu sichten. Als Beispiel sei hier kurz die Kulisse genannt vor der das Gedicht „The Cats“ spielt. Zum Teil handelt es sich dabei um Beschreibungen antiker Heiligtümer und heidnischer Kulte. Als fachfremde Person musste ich mich da natürlich erst einarbeiten, hatte aber während der Arbeit auch den einen oder anderen Aha-Moment und hoffe, dass die Leser eben so viel interessante Einsichten bekommen.
MB: Welches von Lovecrafts Gedichten schätzt Du besonders und warum?
JS: Spontan würde ich sagen The Eidolon, das ist auch eines der Gedichte, die ich bearbeitet habe, und zu diesen besteht mittlerweile natürlich ein besonderes "Verhältnis". Zum einen finde ich vor allem die einleitende Schilderung der Nacht und die späteren Naturbeschreibungen mitsamt der Stadt, die auf dem Berg thront, besonders atmosphärisch. Hinzu kommt, dass die Stimmung plötzlich komplett kippt und sich in einen grauenhaften Alptraum verwandelt. Letztendlich beinhaltet die Quintessenz des Gedichtes meiner Meinung nach bereits Lovecrafts gesamte Poetik. Kurz gesagt: Der Mensch kann einem Blick hinter den Schleier des Alltäglichen nicht standhalten und geht zu Grunde, sobald er erkennt, was sich tatsächlich hinter all dem Schein verbirgt. The Eidolon ist daher für mich ein Paradebeispiel für Lovecrafts kosmischen Horror.
MB: Was hast Du aus der Arbeit am Gedichtband für Dich mitgenommen?
JS: Mir wurde wieder einmal bewusst, dass es sich IMMER lohnt, einen zweiten Blick auf einen Text, egal welcher Art, zu werfen. Das ist wie mit Filmen; wenn man sie das zweite Mal sieht, sieht man sie eigentlich das erste Mal bewusst, da man erst dann den gesamten Inhalt in Korrelation setzen kann. Außerdem erstaunt es mich immer wieder, wie viel zusätzlichen Inhalt man einem Text abringen kann, wenn man sich damit auseinandersetzt. Da ergeben sich vor dem richtigen Hintergrund teilweise neue Lesarten oder zusätzliche Inhalte, die auf den ersten Blick nicht zu erkennen sind. Es war auch interessant zu sehen, wie langwierig die Arbeit an so einem Projekt ist und wie viel Arbeit letztendlich dahintersteckt. Abschließende Fragen wie Layout, Format, Aufmachung etc. sind Dinge, für die es einfach eine gewisse Zeit braucht, um im Team die richtigen Entscheidungen treffen zu können.
MB: Was möchtest Du den Lesern mit auf den Weg geben, die nun gespannt sind auf die erste Buchveröffentlichung der dLG?
JS: Ich hoffe, wir können etwaige Erwartungen erfüllen und durch die kommentierten Nachdichtungen vielen Lesern eine Freude und vielleicht auch den ein oder anderen Aha-Moment bereiten.
Vielen Dank, Julian.
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