Heinrich Seidels Winkelburg

  • Ich bin unlängst via der "Gruselkabinett"-Reihe über Heinrich Seidels "Der Hexenmeister" und das dort beschriebene "Winkelburg" gestolpert:

    Zitat

    Winkelburg war eine sonderbare, alte, verschnörkelte Stadt. Die Hauptstraßen waren schon eng und krumm, allein die Nebengassen noch viel enger und krummer, und dabei liefen sie so sonderbar durcheinander oder waren plötzlich an einem Kanal mit trübfließendem Wasser zu Ende oder gingen in finstere Höfe als Sackgassen aus, daß Winkelburg für Fremde eine rechte Vexierstadt war und es lange dauerte, ehe sich jemand zurechtfand in allen diesen Kniffen und Sonderbarkeiten. Wunderliche, alte, düster Tore gab es dort, in denen es schmetternd hallte, wenn ein Wagen hindurchfuhr, und eine solche Versammlung von merkwürdigen, alten Giebelhäusern bestand wohl nicht zum zweitenmal in der Welt. Einige waren vorübergebeugt, als hätten sie auf der Straße etwas verloren und suchten es nun; einige hatten sich vornehm zurückgelehnt, als ginge sie die Welt nichts an, und andere wieder waren ein wenig seitwärts gegen ihr Nachbarhaus gesunken und schienen froh zu sein, daß sie auf diese Art am Umfallen verhindert wurden. In einigen Gassen waren nun gar die Stockwerke übereinander hinausgebaut, so daß sich die Häuser nach oben immer näher kamen und zuletzt der Himmel nur duch einen kleinen Spalt hineinblickte. Wenn sich da oben zwei gute Freunde gegenüber wohnten, da konnten sie sich die Hände reichen beim Gutenmorgensagen und der eine seine Pfeife an dem Fidibus des anderen anstecken. Welch eine Fülle von wunderlichen Erkern, sonderbaren kleinen Fenstern und abenteuerlichem Schnitzwerk, welche eine Unzahl von seltsamen Türmchen und Giebelchen und knarrenden Wetterfahnen, welch eine Menge von verschnörkelten Herbergsschildern und Zunftszeichen gab es in dieser Stadt! Wahrlich, wenn man in einer Mondscheinnacht durch diese schweigenden Straßen ging und alle die wunderlichen Giebel und Zacken schwarz gegen den hellen Himmel standen und hier ein helles Licht auf den grinsenden Fratzen der Balkenköpfe lag, dort so ein altes Haus wie ein grauliches Gesicht mit geöffnetem Rachen aus der Finsternis stierte, dann konnte man denken, dies alles sei nur hingezaubert und würde mit dem ersten Strahl der Sonne wegschwinden wie ein Traum.

    Der Hexenmeister

    Bei der Beschreibung Winkelburgs musste ich doch hin und wieder an das gute, alte Arkham denken. Nun hat mich die Neugier gepackt: Weiß jemand, der in der Biographie HPLs deutlich sattelfester als ich, ob hier vielleicht sogar eine Inspiration für Lovecraft gewesen sein könnte, bzw. ob er Seidel überhaupt kannte (ich habe z.B. gar keine Ahnung, ob es zu dieser Zeit bereits Übersetzungen Heidels gab...)?

  • Das wäre vielleicht eine Frage für Arkham Insider Axel

    Ich glaube aber nicht, dass H. Seidel ins Englische übersetzt wurde. Soweit ich es einschätzen kann, waren Lovecrafts Kenntnisse der deutschen Literatur allgemein begrenzt.

    Witzigerweise erinnert „Das älteste Ding der Welt“ eines Willy Seidel auch ein wenig an Lovecraft.

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