Alles anzeigenViele unserer Kampagnen und Szenarien drehen sich nicht um einzelne, antagonistische „Bösewichte“, sondern um Konflikte zwischen verschiedenen Fraktionen mit widerstreitenden Interessenslagen.
Diese wirken sich im Setting stark aus, und verändern sich im Laufe der Kampagne deutlich, auch basierend auf den Entscheidungen und Handlungen der Gruppe.
Beispiele aus unseren Kampagnen sind:
Fallout: Die Konflikte zwischen RNK, Legion, Stählerner Bruderschaft des Mittleren Westens, Enklave und diversen anderen. Wer bestimmt über das Schicksal der Mojave, was will die Bevölkerung, und wo positionieren die SCs sich?
Achtung!Cthulhu: Unterschiedlich agierende alliierte Geheimdienste mit Eigeninteressen gegen Nazi-Organisationen wie Nachtwölfe und Schwarze Sonne (die auch gegenseitig miteinander in Konflikt stehen) sowie diverse Kulte und atlantische Hexenmeister.
Biohazard: Verbliebene amerikanische Geheimdienste sowie Militär gegen Abspaltungen des Militärs, Freistaaten und Milizen. Verschiedene Siedlungen, die miteinander friedlichen Kontakt halten, oder aber gegeneinander um Ressourcen kämpfen.
Dabei haben Fraktionen in meinen Augen verschiedene Vorteile vor singulären Gegenspieler:innen:
Varianz. Die Mitglieder einer Fraktion denken nicht alle auf dieselbe Art und Weise, es kann Abspaltungen geben, Leute die von der allgemeinen Haltung ihrer Gruppierung abweichen oder bereit sind, zu desertieren.
Freiheit. Die Gruppe kann selbst entscheiden, mit welchen Fraktionen sie auf welche Art und Weise in Interaktion tritt. Dadurch prägt sie stark, wie die Fraktion später in der Kampagne auftritt.
Moralische Grauzonen. Wie geht man damit um, dass in einer antagonistischen Fraktion das einfache Fußvolk sich letztlich mit keinem Deut von den Spielercharakteren unterscheidet?
Lebendigkeit der Spielwelt. Durch die bestehenden Konflikte und ihre Weiterführung ist das Setting beständig in Bewegung, Dinge verändern sich, eskalieren oder es kann vielleicht auch ein Frieden ausgehandelt werden.
Anderer Spielfokus. Oftmals werden Informationsgewinnung, Diplomatie, wem man wann welche Daten weitergibt, was man wann zu wem sagt wichtiger. Das ist spannend, erfordert aber natürlich viel Aufmerksamkeit auch für Details.
Und natürlich ist es sehr viel schwerer, eine feindliche Fraktion komplett unschädlich zu machen oder auszuschalten – im Gegensatz zu singulären Antagonist:innen. Selbst wenn ihre Führerschaft wechselt oder ausgeschaltet wird, vielleicht auch durch interne Strömungen oder einen Putsch, entwickeln sich dadurch neue Ansätze fürs Spiel.
Gute Erfahrungen haben wir damit gemacht, wenn die Gruppe sich letztlich selbst ein Stück weit ihre Position im Setting sucht (Ausnahme war diesbezüglich Achtung!Cthulhu, da wir sehr bewusst als Grundprämisse wählten, dass die SCs alle zu Sektion M gehören).
Bei Biohazard hat die Gruppe sich sehr klar gegen das Militär entschieden, obwohl dessen Ziele grundlegend gar nicht mal schlecht waren – aber die Wahl der Mittel stieß sauer auf. Der Kontakt zu anderen Siedlungen hätte bei einer feindseligen ersten Begegnung ganz anders laufen können, und man wäre mit diesen vielleicht auch in einem Krieg, somit geschwächt bei einer Militärintervention in der Region. Und auch die feindlichen Soldat:innen sind zuallererst einmal Menschen. Manche sind mit ihren Befehlen nicht einverstanden, wollen keine Zivilist:innen töten. Andere sind durch den Verlust von Kamerad:innen durch Angriffe der Gruppe voller Rachsucht – was menschlich durchaus nachvollziehbar ist.
Ohne das Sammeln von Verbündeten bei Fallout wäre es für die Gruppe sehr viel schlechter gelaufen, und ihre neue Heimat inmitten der Stählernen Bruderschaft des Mittleren Westens hat für sie einen sicheren Hafen bedeutet.
Und bei Achtung!Cthulhu kam es durch die Aufnahme eines desertierten Wehrmachtssoldaten ins Team zu vielen, moralisch herausfordernden Situationen. Wenn man feststellt, dass er ein guter Kerl ist und aus moralischen Gründen desertiert ist, muss man in Betracht ziehen, dass auf der Gegenseite noch mehr Menschen sind, die vielleicht nicht voll hinter ihrer Regierung stehen und menschlich in Ordnung sind. Aber auf der falschen Seite. Im Feld mag das keinen Unterschied machen, da heißt es schießen oder erschossen werden. Aber hinterher bietet es eine zusätzliche Reflexionebene für die SCs und kann zum Hinterfragen mancher Aktionen führen.
Fraktionen peppen Konflikte auf und machen es für mich spannender. Insbesondere dann, wenn sie sich vor allem durch die Wahl ihrer Mittel unterscheiden, und die grundlegende Zielsetzung zumindest auf verquere Art und Weise nachvollziehbar ist. Und unsere Spielleitung ist grandios darin, uns für vorschnelle Schlüsse so richtig in Schwierigkeiten zu bringen. Es ist oftmals sehr viel komplizierter, als es wirkt. Und ein schneller Rückgriff auf Gewalt bringt oftmals mehr Probleme, als die SCs erwarten.
Quelle: https://cthulhuskartenkiste.wordpress.com/2021/08/27/rpg…021-fraktionen/