Einleitung
Direkte Adaptionen von Lovecraft-Geschichten sind schwierig und selten. Es wird gerne mit den Titeln oder dem Namen Howard Phillips Lovecraft geworben, doch häufig hat der Inhalt bestenfalls lose mit dem Originaltext zu tun. Ein Motiv oder eine Idee reichen meist aus, den Namen Lovecraft zu ins Spiel zu bringen. Oft haben diese Machwerke aber wenig mit Lovecrafts Schaffen gemein. Die Farbe aus dem All ist eine der düstersten und kosmischsten Geschichten des Autors. Inspiriert davon waren bereits mehrere Filme, zuletzt Richard Stanleys Color out of Space aus dem J 2019.
Inhalt
Der Farmer Nathan Gardener ist mit seiner Familie aufs Land gezogen. Er widmet sich mit dem jüngsten Sohn Jack dem Landleben mit Alpakazucht, seine Frau Teresa erledigt online Geschäfte. Tochter Lavinia beschwört Hexenkräfte, Sohn Benny kifft mit Nachbar Ezra. Die Idylle wird von einem Meteoritenabsturz gestört, der direkt am Brunnen der Familie niedergeht und alles verändert. Zunächst gerät der kleinste Sohn, Jack, dann nach und nach die gesamte Familie und die Natur rund herum in den Einfluss des kosmischen Besuchers. Nach einer heftigen Gewitternacht, bei der die meisten Blitze direkt in den Meteor zu fahren scheinen, ist dieser verschwunden. Seine Auswirkungen nicht.
Ward Phillips, seines Zeichens Hydrologe, soll die Gegend für ein Staudammprojekt untersuchen. Er findet seltsame Veränderungen im Wasser, das die Gardeners auch als Trinkwasser nutzen. Seine Warnungen werden jedoch ignoriert. Pflanzen wuchern, Tiere verändern sich und die Menschen auf der Farm sind ebenso betroffen. Nathan Gardeners Geruchssinn ist gestört, der jüngste Sohn spricht mit Stimmen aus dem Brunnen. Die Stimmung wird immer gereizter. Merkwürdigkeiten häufen sich, die Wahrnehmungen und das Zeitgefühl der Menschen werden zunehmend irrealer und verstörender. Die Konflikte eskalieren wie der Einfluss der Farbe, bis diese alles zu verschlingen droht.
Lovecrafteske Motive
Der Film beginnt mit stimmungsvollen Worten des Erzählers Ward Phillips, die viele Lovecraftzitate beinhalten und einen guten Grundtenor versprechen. Die Handlung hält sich grob an die bekannte Kurzgeschichte und wird in die Jetztzeit verlegt, was recht gut gelungen ist. Die Charaktere werden deutlicher gezeichnet als bei Lovecraft. In der Geschichte sind sie einfache Menschen ohne viel Tiefe, die in das Grauen hineingerissen werden. Der Film zeichnet sie deutlicher, was tatsächlich nicht durchgängig gut funktioniert. Nicolas Cage spielt den etwas naiven Farmer zunächst zurückhaltend, wenn auch leicht bizarr. Cage ist ein toller Schauspieler und er gibt sich hier deutlich Mühe. Seine in den Wahnsinn abdriftenden Momente sind aber zu Cage-esk um wirklich unheimlich zu sein. Sie sind weit von der Vorlage entfernt.
Die Bildsprache und die Cinematographie des Filmes sind sehr stimmungsvoll und die Farbe an sich - eine Art glitzerndes Magenta - ist gut gelungen. Die Darstellung von etwas Undarstellbarem ist literarisch besser möglich, daher sind hier Kompromisse unvermeidbar. Während es bei Lovecraft hauptsächlich um Abgleiten in den Wahnsinn geht und damit viel um psychologischen Horror, kommen hier kinogerecht für den Einfluss der Farbe drastischer Bodyhorror und Creature-Effekte hinzu. Das wirkt nicht deplaziert sondern durchaus konsequent und solide umgesetzt. Das kosmische Element wird vor allem in dem als wahnsinnig und rauschartig zu nennenden Finale gezeigt. Hier eskalieren Mensch und Natur, eine durchaus lovecraftgerechte Vorgehensweise.
Referenzen spicken der Film durchgängig. Die Namen (Ward Phillips), das Necronomikon taucht auf (gibt`s jetzt auch als Taschenbuch!), ein Buch von Algernon Blackwood, Hexenkult, etc.
Das Abgleiten in den Wahnsinn, das Verschwinden eines Kindes im Brunnen, die Einflussnahme der Farbe auf die gesamte Natur, all das übernimmt der Film und bringt es auf die Leinwand.
Das Motiv, Wünsche könnten in Erfüllung gehen, aber schrecklicher als erwartet ist gut. Alle sind auf der Suche nach der Erfüllung Ihrer Träume. Die überbehütende Mutter verschmilzt krebsartig mit ihrem Kind, der drogenrauschsuchende Sohn wird in einen Farbenrausch in den Abgrund gerissen, der natursuchende Vater, der seinen Traum vom gesunden Landleben mit der harmonischen Familie verwirklichen will bekommt eine irreale und gestörte Version davon und die Tochter will dem Ganzen entfliehen, was ihr auf gewisse Weise gelingt. Die Suche als Motiv ist bei Lovecraft zwar meist die Suche nach Erkenntnis, aber auch hier endet sie meist in Wahnsinn oder Tod, gelegentlich auch in körperlicher Veränderung (Schatten über Innsmouth). Die existentialistische Horrorgeschichte mit Science Fiction - Elementen gehörte zu den Lieblingsgeschichten Lovecrafts im eigenen Oeuvre. Das Schicksal der Menschen vor den Unendlichkeiten des Alls war in Lovecrafts Werk nicht wichtig, sie dienen oft nur als Leinwand für die Orchestrierung des Grauens. Das versucht auch der Film darzustellen.
Cinematographische Notizen
Der Regisseur Richard Stanley hat hier seinen ersten Film nach über 20 Jahren gedreht. Die Erfahrungen beim Erstellen des Films D.N.A. mit Marlon Brando und Val Kilmer hatten ihn so verbrannt, das er erst jetzt erneut einen Spielfilm drehen wollte. Produzent Elijah Wood ( Herr der Ringe ) stellt mit ihm als Regisseur weitere Lovecraftverfilmungen in Aussicht, Das Grauen von Dunwich soll als nächstes folgen.
Der günstig in Portugal gedrehte Film ist ein wenig Fanprojekt. Vor allem der Regisseur und der Produzent, aber ebenso auch Nicolas Cage sind ausgewiesene Lovecraftfans.
Es handelt sich nicht um die erste Verfilmung des Stoffes, sei es offen wie verdeckt. Die, Monster, Die a.k.a. Das Grauen auf Schloss Witley (1965) ist eine klassisch Hammer-Gothikversion des Plots mit Boris Karloff. The Curse von 1987 mit Star Trek-Milchgesicht Wil Wheaton stellt das Ganze in einen C-Film der 80er Jahre vor. In neuerer Zeit gab es den sehr gelungenen Film von Huan Vu Die Farbe, der sehr werkgetreu meiner Meinung nach die beste Variante darstellt. Und SF-Fans sollten sich mal Auslöschung von Alex Garland nach Lektüre der klassischen Lovecraftgeschichte ansehen, auch wenn dieser Film auf dem Roman von Jeff Vandermeer basiert. Auch Autoren lassen sich gerne inspirieren.
Bewertung
Es ist schwer, Lovecraft adäquat zu verfilmen. Seine Geschichten sind meist kurz und mit wenig Dialog, zweckdienlichen Charakteren, wenig spektakulären Schauwerten oder Aktion ausgestattet.
Auf der Habenseite des Filmes sind die tollen Bilder, die Ausstattung und der sehr gute Sound. Die Effekte in Ton und Bild sind sehr gut, ebenso die Spezialeffekte. Beim CGI scheiden sich natürlich die Geister wie die budgetbedingten Möglichkeiten. Stimmungsvoll und unterhaltsam ist der Film und lässt durchaus die Liebe zum Stoff erkennen. Einzelne Sequenzen sind spannend und stimmungsvoll, selbst einige Sprüche ("Füttere deine Mutter") sind durchaus passend gruselig.
Allerdings scheitert der Film meiner Meinung nach daran, Interesse für seine Figuren so zu entwickeln, das ihr Schicksal das Grauen steigert. Die Andeutungen sind gut, wie die Krebsvorgeschichte der Ehefrau. Aber bei der Originalgeschichte ist das Schicksal der Familie mitnehmender, obwohl sie nicht ausführlich gezeichnet wird. Das Hexenthema ist etwas verschenkt, es ermöglicht aber den Zugang zur Tochter, einer der sympathischeren Figuren. Viele Dinge sind eher Staffage (Dreiecksymbolik, Rahmenerzählung) und viele Handlungen sind sinnlos und klischeehaft (Esra, der kiffende Verschwörungstheoretiker). Viele Dinge hat man schon in anderen Filmen gesehen, oft besser (Das Ding, Auslöschung, Die Fliege).
Die Schauspieler machen Ihre Sache gut, Cage ist Cage und liefert für seine Fans die übliche Show, schmälert damit meist den Schrecken eher als ihn zu verstärken. Eine gewisse Sogwirkung kann man vor allem der Inszenierung des Films nicht absprechen. Wenn man sich darauf einlässt, ist das CGI Inferno im Finale passend und mitreißend genug für einen soliden Höhepunkt.
Fazit
Ist Color out of Space ein guter Film? - Ja. Er schafft es vielleicht sogar, Lovecraft mehr in den Mainstream zu hieven. Aber der düstere Wahnsinn, der Nihilismus und die depressive Ausweglosigkeit der Geschichte sind hier bestenfalls homöopathisch verdünnt serviert.
Ist Color out of Space ein guter Lovecraft - Film ? - Bedingt. Wenn man sieht, wieviele schundige Filmverbrechen den Namen Lovecraft tragen gehört dieser eindeutig zu den Guten, trotz Overacting von Nicolas Cage. Werkgetreu dem Rahmen nach ist der Film, er schafft aber nicht die Stimmung gebührend der lovecraftschen Düsternis gerade dieser Erzählung umzusetzten.
In der Schule würde wohl Thema verfehlt drunterstehen.
Für einen Filmabend ein solider Genrefilm mit ein bisschen Lovecraftstimmung, Creature- und Bodyhorror und vielen schönen, stimmungsvollen Bildern. Es ist die Hollywood - Lovecraft - Light - Version der Geschichte. Wer nicht mehr erwartet, wird gut unterhalten.