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Edward P. Berglund (Hrsg.): Cthulhu’s Schüler. Ins Deutsche übertragen v. Uwe Anton
Horror-Bibliothek. Bastei-Lübbe. Bergisch Gladbach 1980
The Dispicles of
Cthulhu, 1976 herausgegeben von Edward P. Berglund, beansprucht die
Stellung, die erste, professionelle Cthulhu-Mythos-Anthologie mit
Originalbeiträgen zu sein. Etwas Vergleichbares hatte es bis dahin
nicht gegeben. Hinter dem verantwortlichen, heute noch tätigen
Verlag DAW Books steckte Donald A. Wollheim (1914 – 1990). Dieser war selbst ein
großer Lovecraft-Fan und hatte 1975 einen Special Hugo Award
verliehen bekommen und zwar in seiner ehrbaren Rolle als „the fan
who has done everything“.
Der Verlag
Chaosium brachte 1996 eine Neuauflage von The Dispicles of Cthulhu
heraus. Es gab ein zweites Vorwort von Berglund, zwei Geschichten
waren weggefallen und zwei hinzugekommen.
Im Folgenden geht
es nur um die deutsche Übersetzung Cthulhu’s Schüler, die anstelle
der originalen 9 gerade einmal 5 Geschichten enthält. Übernommen
wurden Berglunds Vorwort so wie die Einführung von Robert Bloch. Der
Titel erschien 1980 als zweckmäßiges Taschenbuch in der Reihe
Horror-Bibliothek im Bastei Lübbe Verlag. Die Übersetzung stammt
von Uwe Anton (ein Interview mit ihm, der das frühe deutsche Fanzine
Weird Fiction Times mit herausgab, findet sich in Lovecrafter Nr. 3).
Bei aller Kritik
lässt sich nicht leugnen, dass Cthulhu’s Schüler eine weitere, recht
frühe Wegmarke für Lovecraft und den Cthulhu Mythos im
deutschsprachigen Raum darstellt.
Inhalt
Brian Lumley: Die Gruft der Großen
Alten (The Fairground Horror)
Der Schausteller Hamilton Tharpe ist
wie vom Erdboden verschluckt. Gemeinsam mit seinem Bruder Anderson
hatte er auf einem englischen Jahrmarkt eine Freak Show betrieben.
Nach Hamiltons Verschwinden modifiziert Anderson das (nicht
sonderlich erfolgreiche) Konzept und benennt das Ganze um in: „Die
Gruft der Großen Alten“. Fortan ist die Schau von Artefakten
geprägt, die Hamilton (ehedem gelehriger Priester Cthulhus) als
Reisesouvenirs mitgebracht hatte. Das Dumme ist nur, dass Anderson –
ohne die cthuloide Materie zu beherrschen – Kapital aus ihr
schlagen möchte … ein Plan, der gründlich in die Hose geht.
James Wade: Das Schweigen der Erika
Zann (The Silence of Erika Zann)
Das „Purple Blob“ hat den Ruf als
einer der besten psychedelischen Light-Show-Clubs in San Francisco
weg. Eine der spektakulärsten Bands ist „The Electic Commode“
mit ihrer exzentrischen Sängerin Erika Zann. Deren Großvater, ein
ursprünglich aus Deutschland stammender Violinist, hatte sich 1920
in Paris niedergelassen – um daselbst irgendwann spurlos zu
verschwinden. Und auch das Schicksal seiner Enkelin steht ganz
offensichtlich unter keinem guten Stern.
Bob von Laerhoven: All-Auge (All-Eye)
Aus Quebec hat es den Stubengelehrten
Defgas in die Weite der kanadischen Wildnis verschlagen. Er ist
gewissen indianischen Legenden auf der Spur, die sich um „die
Abkömmlinge der sehr alten Götter aus den dunklen Löchern im Raum“
drehen. Als Defgas’ Expedition von einem namenlosen Grauen
aufgerieben wird, findet er Unterschlupf bei einem einsamen
Waldgänger. Dessen Hilfsbereitschaft ist nicht ganz uneigennützig,
denn insgeheim trägt er einen Wettstreit mit dem „Hingoo“, dem
fürchterlichen Geist der Wälder, aus: Ein Wettstreit, in dem Defgas
ein willkommener Einsatz ist!
Ramsey Campbell: Der Wanderer (The
Tugging)
Seit einiger Zeit wird Ingels, der für
ein Lokalblatt tätige „astronomische Berichterstatter“, von
rätselhaften Träumen heimgesucht. Anscheinend stehen diese im
Zusammenhang mit einem Wanderplaneten, der sich der Erde nähert. Der
kosmische Einfluss hat Auswirkungen auf Ingels Privatleben: Zwischen
ihm und seiner Freundin kriselt es, zudem kommt er einem alten
Familien-Geheimnis auf die Spur. Denn bereits sein Vater und dessen
Vater träumten von monströsen Wesen und titanischen, im Meer
versunkenen Städten.
Walter C. DeBill Jr.: Wo Yidhra geht
(Where Yidhra walks)
Ein Unwetter zwingt den Reisenden Peter
Kovacs in dem Städtchen Milando Quartier zu nehmen. Ein Zugezogener
namens Wilhelm Kramer nimmt sich des unerwarteten Gastes freundlich
an. Von Kramer erfährt Kovacs auch, dass es vor Ort eine seltsame
Religion gibt. Die Rede ist von einem uralten indianischen Kult, mit
dem sich die weißen Siedler damals verbanden. Oberste Gottheit
dieser Bewegung ist ein Wesen namens Yidhra und ihre einflussreiche
Priesterin in Milando die mysteriöse Yolanda: eine Frau, der Kovacs
nur allzu schnell verfällt. Zumindest solange, bis er herausfindet,
was es tatsächlich mit seiner Angebeteten und dem Yidhra-Kult auf
sich hat.
Meinung
Durch dieses Buch habe ich mich
größtenteils wirklich quälen müssen (Robert Blochs Einführung
außen vorgelassen). Die Geschichten sind von einer erstaunlichen
Verständnislosigkeit für das Vorbild und beschränken sich auf ein
cthuloides Namedropping, das vielleicht dem „Mythos“ gerecht wird
– nicht jedoch Lovecraft selbst.
Sehr übel finde ich Bob von Laerhovens
Story „All-Auge“, die Hand an Blackwoods „Wendigo“ legt und
das eh schon unerfreuliche Resultat durch die sinnlose Erwähnung
Cthulhus vollends degradiert.
Brian Lumleys „Die Gruft der Großen
Alten“ ist ein Schmierentheater, über das wir nicht weiter reden
wollen.
Ramsey Campbell stehe ich – so leid
es mir tut, ich würde ihn gerne lesen wollen – ratlos gegenüber.
Sein Konzept der fiktiven englischen Stadt Brichester, in der es à
la Lovecraft rappelt im Karton, ist charmant. Allerdings
wirkt Campbells Hang zu Sozial- und Milieustudien in dem Zusammenhang
deplatziert.
James Wade versucht sich
erwartungsgemäß an einer Fortschreibung von „Die Musik des Erich
Zann“. Die dürftige Umsetzung wird jedoch dem ambitionierten Plan
überhaupt nicht gerecht.
Bereits lustlos nahm ich das Finale in
Angriff: „Wo Yidhra geht“ von Walter C. DeBill Jr. Und siehe da,
ein Lichtblick! Ohne Anspruch, ein Meisterwerk zu sein, funktioniert
die Geschichte ganz gut für meinen Geschmack. Der einsame Reisende,
der im Hinterland strandet, sich in die Chefin eines allgewaltigen
Kults verguckt, auf eigene Faust die Sache studiert, um so nach und
nach dem Schrecken auf die Spur zu kommen: Das ist vielleicht nicht
innovativ, aber behutsam aufgebaut und effektiv inszeniert. Neben
Lovecraft wird hier, so scheint es mir, noch Bram Stoker mit dem
Roman „Lair of the White Worm“ gehuldigt.
„Wo Yidhra geht“ ist zum Glück der
längste Beitrag der Anthologie; die Platzierung am Schluss wirkt
gewissermaßen versöhnlich und mildert den Reinfall ein wenig ab.
Doch unterm Strich hätte es den Schülern Cthulhus nicht geschadet,
wenn sie länger die Schulbank gedrückt und sorgfältiger ihre
Hausaufgaben gemacht hätten.