Beiträge von Arkham Insider Axel

    Angeregt durch diesen Thread habe ich mir einen Titel vorgenommen, den mir just mein Podcast-Kollege Mirko vermacht hat. Meine verhaltene Besprechung gibt es hier:

    Edward P. Berglund (Hrsg.): Cthulhus Schüler

    Das Buch wurde ja schon erwähnt ( Leuchtendes Trapezoeder sei Dank) ; ich fand es zudem interesssant zu sehen, dass die darin genannte Göttin Yidhra bereits einen stattlichen Wiki-Eintrag aufzuweisen hat.

    Vielleicht nicht gerade ein Favorit, aber ein ordentlich fabriziertes Beispiel für cthuloide Literatur ist für mich jedenfalls:

    Wo Yidhra geht (Where Yidhra walks) von Walter C. DeBill Jr.

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    Edward P. Berglund (Hrsg.): Cthulhus Schüler. Ins Deutsche übertragen v. Uwe Anton

    Horror-Bibliothek. Bastei-Lübbe. Bergisch Gladbach 1980

    The Dispicles of Cthulhu, 1976 herausgegeben von Edward P. Berglund, beansprucht die Stellung, die erste, professionelle Cthulhu-Mythos-Anthologie mit Originalbeiträgen zu sein. Etwas Vergleichbares hatte es bis dahin nicht gegeben. Hinter dem verantwortlichen, heute noch tätigen Verlag DAW Books steckte Donald A. Wollheim (1914 – 1990). Dieser war selbst ein großer Lovecraft-Fan und hatte 1975 einen Special Hugo Award verliehen bekommen und zwar in seiner ehrbaren Rolle als „the fan who has done everything“.

    Der Verlag Chaosium brachte 1996 eine Neuauflage von The Dispicles of Cthulhu heraus. Es gab ein zweites Vorwort von Berglund, zwei Geschichten waren weggefallen und zwei hinzugekommen.

    Im Folgenden geht es nur um die deutsche Übersetzung Cthulhu’s Schüler, die anstelle der originalen 9 gerade einmal 5 Geschichten enthält. Übernommen wurden Berglunds Vorwort so wie die Einführung von Robert Bloch. Der Titel erschien 1980 als zweckmäßiges Taschenbuch in der Reihe Horror-Bibliothek im Bastei Lübbe Verlag. Die Übersetzung stammt von Uwe Anton (ein Interview mit ihm, der das frühe deutsche Fanzine Weird Fiction Times mit herausgab, findet sich in Lovecrafter Nr. 3).

    Bei aller Kritik lässt sich nicht leugnen, dass Cthulhu’s Schüler eine weitere, recht frühe Wegmarke für Lovecraft und den Cthulhu Mythos im deutschsprachigen Raum darstellt.

    Inhalt

    Brian Lumley: Die Gruft der Großen Alten (The Fairground Horror)

    Der Schausteller Hamilton Tharpe ist wie vom Erdboden verschluckt. Gemeinsam mit seinem Bruder Anderson hatte er auf einem englischen Jahrmarkt eine Freak Show betrieben. Nach Hamiltons Verschwinden modifiziert Anderson das (nicht sonderlich erfolgreiche) Konzept und benennt das Ganze um in: „Die Gruft der Großen Alten“. Fortan ist die Schau von Artefakten geprägt, die Hamilton (ehedem gelehriger Priester Cthulhus) als Reisesouvenirs mitgebracht hatte. Das Dumme ist nur, dass Anderson – ohne die cthuloide Materie zu beherrschen – Kapital aus ihr schlagen möchte … ein Plan, der gründlich in die Hose geht.

    James Wade: Das Schweigen der Erika Zann (The Silence of Erika Zann)

    Das „Purple Blob“ hat den Ruf als einer der besten psychedelischen Light-Show-Clubs in San Francisco weg. Eine der spektakulärsten Bands ist „The Electic Commode“ mit ihrer exzentrischen Sängerin Erika Zann. Deren Großvater, ein ursprünglich aus Deutschland stammender Violinist, hatte sich 1920 in Paris niedergelassen – um daselbst irgendwann spurlos zu verschwinden. Und auch das Schicksal seiner Enkelin steht ganz offensichtlich unter keinem guten Stern.

    Bob von Laerhoven: All-Auge (All-Eye)

    Aus Quebec hat es den Stubengelehrten Defgas in die Weite der kanadischen Wildnis verschlagen. Er ist gewissen indianischen Legenden auf der Spur, die sich um „die Abkömmlinge der sehr alten Götter aus den dunklen Löchern im Raum“ drehen. Als Defgas’ Expedition von einem namenlosen Grauen aufgerieben wird, findet er Unterschlupf bei einem einsamen Waldgänger. Dessen Hilfsbereitschaft ist nicht ganz uneigennützig, denn insgeheim trägt er einen Wettstreit mit dem „Hingoo“, dem fürchterlichen Geist der Wälder, aus: Ein Wettstreit, in dem Defgas ein willkommener Einsatz ist!

    Ramsey Campbell: Der Wanderer (The Tugging)

    Seit einiger Zeit wird Ingels, der für ein Lokalblatt tätige „astronomische Berichterstatter“, von rätselhaften Träumen heimgesucht. Anscheinend stehen diese im Zusammenhang mit einem Wanderplaneten, der sich der Erde nähert. Der kosmische Einfluss hat Auswirkungen auf Ingels Privatleben: Zwischen ihm und seiner Freundin kriselt es, zudem kommt er einem alten Familien-Geheimnis auf die Spur. Denn bereits sein Vater und dessen Vater träumten von monströsen Wesen und titanischen, im Meer versunkenen Städten.

    Walter C. DeBill Jr.: Wo Yidhra geht (Where Yidhra walks)

    Ein Unwetter zwingt den Reisenden Peter Kovacs in dem Städtchen Milando Quartier zu nehmen. Ein Zugezogener namens Wilhelm Kramer nimmt sich des unerwarteten Gastes freundlich an. Von Kramer erfährt Kovacs auch, dass es vor Ort eine seltsame Religion gibt. Die Rede ist von einem uralten indianischen Kult, mit dem sich die weißen Siedler damals verbanden. Oberste Gottheit dieser Bewegung ist ein Wesen namens Yidhra und ihre einflussreiche Priesterin in Milando die mysteriöse Yolanda: eine Frau, der Kovacs nur allzu schnell verfällt. Zumindest solange, bis er herausfindet, was es tatsächlich mit seiner Angebeteten und dem Yidhra-Kult auf sich hat.

    Meinung

    Durch dieses Buch habe ich mich größtenteils wirklich quälen müssen (Robert Blochs Einführung außen vorgelassen). Die Geschichten sind von einer erstaunlichen Verständnislosigkeit für das Vorbild und beschränken sich auf ein cthuloides Namedropping, das vielleicht dem „Mythos“ gerecht wird – nicht jedoch Lovecraft selbst.

    Sehr übel finde ich Bob von Laerhovens Story „All-Auge“, die Hand an Blackwoods „Wendigo“ legt und das eh schon unerfreuliche Resultat durch die sinnlose Erwähnung Cthulhus vollends degradiert.

    Brian Lumleys „Die Gruft der Großen Alten“ ist ein Schmierentheater, über das wir nicht weiter reden wollen.

    Ramsey Campbell stehe ich – so leid es mir tut, ich würde ihn gerne lesen wollen – ratlos gegenüber. Sein Konzept der fiktiven englischen Stadt Brichester, in der es à la Lovecraft rappelt im Karton, ist charmant. Allerdings wirkt Campbells Hang zu Sozial- und Milieustudien in dem Zusammenhang deplatziert.

    James Wade versucht sich erwartungsgemäß an einer Fortschreibung von „Die Musik des Erich Zann“. Die dürftige Umsetzung wird jedoch dem ambitionierten Plan überhaupt nicht gerecht.

    Bereits lustlos nahm ich das Finale in Angriff: „Wo Yidhra geht“ von Walter C. DeBill Jr. Und siehe da, ein Lichtblick! Ohne Anspruch, ein Meisterwerk zu sein, funktioniert die Geschichte ganz gut für meinen Geschmack. Der einsame Reisende, der im Hinterland strandet, sich in die Chefin eines allgewaltigen Kults verguckt, auf eigene Faust die Sache studiert, um so nach und nach dem Schrecken auf die Spur zu kommen: Das ist vielleicht nicht innovativ, aber behutsam aufgebaut und effektiv inszeniert. Neben Lovecraft wird hier, so scheint es mir, noch Bram Stoker mit dem Roman „Lair of the White Worm“ gehuldigt.

    „Wo Yidhra geht“ ist zum Glück der längste Beitrag der Anthologie; die Platzierung am Schluss wirkt gewissermaßen versöhnlich und mildert den Reinfall ein wenig ab. Doch unterm Strich hätte es den Schülern Cthulhus nicht geschadet, wenn sie länger die Schulbank gedrückt und sorgfältiger ihre Hausaufgaben gemacht hätten.

    Ich würde hier gar nicht von einer stärkern (1. Band) und einer schwächeren (2. Band) Textauswahl sprechen wollen.

    Gewiss bietet der 1. Band das reifere Werk, doch bekanntlich hat Lovecraft vieles davon in seinen früheren und kürzeren Texten erprobt. Vor diesem Hintergrund – zumindest ergeht es mir so – gewinnen auch diese Geschichten einen größeren Reiz.

    Zwei Sachen, die ich denn doch schon im 1. Band vermisste, und die für sich genommen Meisterwerke sind, wurden endlich berücksichtigt:

    Danach würde ich recht weit oben auf der Favoriten-Liste (oder auch unverzichtbar) nennen:

    ich finde, dass einige von HPLs besten Stories so gar nicht pulpig wirken.

    Ich beziehe das nicht allein auf die Sprache, sondern generell auf die Machart der Texte: Wie geradlinig sind sie? Gibt es eindeutige Schock-Effekte? Gibt es fancy Monster? Ist eine gewisse Hemdsärmeligkeit vorhanden? … Ich meine schon, dass Lovecraft solche Kriterien erfüllt.


    Das Problem bei einer so engen Definition - auch wenn ich sie verstehe und richtig finde - ist natürlich auch, dass man dann unweigerlich nicht bei selbsttätigen Autoren landet, sondern bei Verfassern von reinen Pastiches, Leuten, die bewusst nur Lovecraft kopieren um der Kopie willen.

    Ich behaupte sogar, dass es möglich ist, Geschichten zu schreiben, die – ohne irgendein Element des C.-Mythos zu enthalten – näher an Lovecraft sein können als viele der sog. Mythos-Autor*innen.

    Ein Marcel Proust zum Beispiel, ein Wilhelm Raabe oder Franz Kafka stehen mir in der Hinsicht manchmal näher als die dezidierten Lovecraft-Epigonen. (Doch auch hier muss ich feststellen, dass es im Thread ursprünglich ja um cthuloide Literatur ging: also diejenigen Werke, die sich bewusst auf den C.-Mythos berufen.)

    Wie steht ihr zu Montague Rhode James? Wenn ich mich an den von Axel genannten Punkte bedienen darf, gibt es einige Gemeinsamkeiten.

    Auf jeden Fall! Bei James finden wir auch den allein vorgehenden Protagonisten, der seine Nase in Sachen steckt, die selten Gutes bringen. Was uns natürlich auch noch zu Arthur Machen führt. Na ja, doch war das – Lovecrafts Vorbilder und Einflüsse – wohl kaum das Thema dieses Threads.

    was sind eurer Meinung nach die Lovecraftschsten/Cthulhoidesten Autor*innen

    Ich kann mir über diese Definitionen stundelang den Kopf zerbrechen …

    Die gängigen cthuloiden Autor*innen wurden ja schon genannt – dazu kann ich nicht viel beitragen.

    Was freilich die lovecraftschen betrifft, so gibt es meiner Meinung nach keine – außer Lovecraft selbst. Die wesentlichen stilistischen und inhaltlichen Merkmale liegen ja klar auf der Hand:

    • no Sex
    • no real life
    • dialogarm
    • lange deskriptive, adjektivlastige Passagen
    • ein Lokalbewusstsein, das wohl besser mit "Heimatliebe" beschrieben ist
    • ein Vergangenheitsbewusstsein, das um Themen wie Anachronismus, Nostalgie, Reinkarnation, Auferstehung, Rückentwicklung, Rückkehr usw. kreist
    • Schwarze Magie
    • Wissenschaftsgläubigkeit
    • Maßlosigkeit
    • Pulp-Kompatibilität

    Mir fallen keine Autor*innen ein, die diese tradierten Merkmale – die sich ja durchaus als eine Art Konzept zusammenfassen lassen – überzeugend pflegen würden.

    Ligotti scheitert an der Pulp-Kompatiblität, Campbell ist nichtssagend, Sembten matcht zwar den Pulp-Faktor (der Heftroman-Autor ist ihm anzumerken), erfüllt jedoch viele andere Punkte nicht, Kleudgen ist interessant hinsichtlich Lokalbewusstsein und Vergangenheitsbewusstsein, doch für einen Horror-Autor oftmals zu zahm.

    Also, ich zitiere (bis auf Weiteres) Nils:

    Vielleicht kenne ich aber den großen Nachfolger bislang auch einfach nur nicht.

    Langsam aber sicher wird die Sache amtlich, die Artikelseite steht schon:

    Zitat

    FISCHER Tor: Das sind unsere neuen Fantasy- und Science-Fiction-Bücher im Herbst 2021

    Das Werk II | H. P. Lovecraft

    Endlich komplett: Das umfassende Werk des Horror-Klassikers schlechthin. Kommentiert, großformatig, inhaltsschwer. Stilsicher neu übersetzt von Lovecraft-Kennern Andreas Fliedner und Alexander Pechmann. Ein Muss. Erscheint am 29.9.2021

    Link: FISCHER Tor: H. P. Lovecraft. Das Werk II. Große kommentierte Ausgabe

    Es gibt zwei kurze Texte von Edgar Allan Poe, die eine gewisse Ähnlichkeit zu Lovecrafts Katzen-Huldigungen aufweisen (ich denke z. Bsp. an den Essay „Cats and Dogs“ oder die Einleitung zu „The Cats of Ulthar“):

    1. „Instinct vs Reason – A Black Cat“ (Alexander’s Weekly Messenger, 29 Januar 1840)
    2. „Desultory Notes on Cats“ (Philadelphia Public Ledger, 19. Juli 1844).

    Ich bin jüngst auf die Übersetzungen („Instinkt gegen Vernunft: Eine schwarze Katze“, „Unzusammenhängende Notizen zum Thema Katzen“) dieser amüsanten Plaudereien gestoßen in: Edgar Allan Poe. Geschichten des Grauens (Hrsg.: Stefan Bauer, Bastei Lübbe, 2003), ein Band, der seinerzeit zum Start der Hörspiel-Reihe Edgar Allan Poe mit Ulrich Pleitgen erschien. Der Herausgeber schreibt dazu:

    Zitat

    „Zwei seiner – selbst in englischsprachigen Anthologien – so gut wie nie abgedruckten Essays über das Wesen der Katze sind, sozusagen als kostenlose Zugabe, in dieser vorliegenden Anthologie aufgenommen, angefügt an die berühmte Geschichte vom ‚Schwarzen Kater‘. Sie zeigen auch, über welch genaue Beobachtungsgabe und welches Einfühlungsvermögen Edgar Allan Poe verfügte – Grundvoraussetzungen für jeden guten Schriftsteller.“

    Dieser Fund in einer ansonsten wenig spektakulären Zusammenstellung hat mich doch überrascht, nicht zuletzt deshalb, weil die Stücke (übersetzt von Rainer Schumacher) in der Poe-Gesamtausgabe (Walter Verlag u. a.) nicht enthalten sind.

    Auf der Webseite der Edgar Allan Poe Society of Baltimore gibt es die Texte im amerikanischen Original zu lesen:

    „Instinct vs Reason – A Black Cat“

    „Desultory Notes on Cats“

    In der aktuellen Ausgabe des Metal-Magazins Legacy befindet sich ein 12-seitiges Special zu H. P. Lovecraft. Vor einigen Wochen kam ein Redakteur auf die dLG zu und erkundigte sich nach einem Interview. Mario Weiß (Yellow King Productions) und meine Wenigkeit haben dann 5 Fragen beantwortet, von denen es indes nur 3 ins Heft geschafft haben – verständlicherweise diejenigen, die eng am Thema Metal/Death Metal sind. Hat Spaß gemacht und war einmal mehr die Möglichkeit, auf die dLG aufmerksam zu machen.

    Das Special ist jedenfalls lohnenswert. Es gibt ein Interview mit Frank Festa, eins mit Marc Gruppe von Titania Medien, Filme, Games … und natürlich jede Menge Metal Bands, die Lovecrafts Werk musikalisch abfeiern.

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    Da sieht man, wie sehr das Feuilleton mittlerweile von Lovecraft durchdrungen ist: Ein Artikel zum Thema Museum oder Schlupfwespe ist ohne Lovecraft-Bezüge eigentlich gar nicht mehr denkbar.

    Zitat

    Er imaginierte Wesen aus unerdenklichen Tiefen, die uns mit ihren Rüsseln, Tentakeln, Saugnäpfen, Scheren und sechs Beinen wie auf Übermenschengröße gebrachte Mikroben erscheinen könnten – wäre das Rasterelektronenmikroskop nicht erst 1937 zum Einsatz gekommen, in Lovecrafts Todesjahr.

    Das Heranzoomen des Grauens, vielleicht sogar im Sinn einer optischen Verzerrung, erleben wir bereits im Dunwich Horror. Nämlich, wo den "Hinterwäldlern" – after much patient instruction – das Fernrohr überlassen wird, so dass sie das Yog-Sothoth-Gezücht auf dem Sentinel Hill einen Moment lang deutlich vor Augen stehen haben. Vorausgesetzt, ihnen ist bei der Bedienung des Geräts kein Fehler unterlaufen …

    Und um eine optische Täuschung geht es auch in E. A. Poes Story The Sphinx, woselbst aus einem harmlosen Schmetterling ein elefantöses Ungeheuer wird.

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    Carl H. Sederholm and Jeffrey Andrew Weinstock (Hrsg.:): The Age of Lovecraft

    296 Seiten (TB/HC), University of Minnesota Press (2016)

    Die Arkham Insiders haben sich aktuell The Dunwich Horror vorgenommen. Es ist kein Geheimnis, dass S. T. Joshi recht scharfe Kritik an der Story übt – gleichzeitig erfreut sie sich unter der Leserschaft großer Beliebtheit. Ich jedenfalls hatte das Gefühl, mit Joshi hier nicht recht vom Fleck zu kommen (Marco Frenschkowskis Vorwort zur Festa-Ausgabe sagt mir da mehr zu).

    Jedenfalls, Mirko brachte gestern diesen Titel ins Spiel und erwähnte in unserem Zusammenhang einen Beitrag von Carl H. Sederholm: H. P. LOVECRAFT’S RELUCTANT SEXUALITY: Abjection and the Monstrous Feminine in “The Dunwich Horror. Insgesamt bietet The Age of Lovecraft offensichtlich eine Auswahl jüngerer Forschungen und ist wohl einen Blick wert. Das Vorwort stammt von Ramsey Campell, als Nachwort gibt es ein Interview mit China Miéville.


    Zitat

    The Age of Lovecraft is the first sustained analysis of Howard Phillips Lovecraft in relation to twenty-first-century critical theory and culture. This volume offers the most thorough examination of Lovecraft’s place in contemporary philosophy to date as it seeks to shed light on the larger phenomenon of the dominance of weird fiction in the twenty-first century.

    The Age of Lovecraft/Links:

    Es gibt Neuigkeiten von der Lovecraft-Film-Front, wie uns Regisseur Sascha Renninger mitteilt:

    Zitat

    Ich habe einen neuen Teaser-Trailer für meine dritte Lovecraft Adaption auf youtube hochgeladen. Der Film heißt HAUNTER FROM BEYOND, eine Adaptation der Geschichte “The Haunter of the Dark”, versetzt ins Jahr 2018 in Deutschland. Angestrebte Laufzeit ca 40 Minuten.


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    Dieser Film komplettiert Renningers Lovecraft-Trilogie, deren ersten beide Teile Shadow of the Unnamable (2011) und Fragment 1890 (2018) sehr wohlwollend aufgenommen wurden (völlig zu Recht).

    Hier gibt es z. Bsp. eine Besprechung auf Fantasyguide: Fragment 1890 (von Cronn)

    Außerdem wird für Haunter from Beyond noch ein Drehort gesucht:

    Zitat

    Eine stimmungsvolle Kirche, Aussenansicht und Innenansicht (können theoretisch unterschiedliche Kirchen dafür nutzen, wenn ähnlich). In der Handlung untersucht der Protagonist erst den Keller, dann das Kirchenschiff und final den Turm. Die Kirche sollte säkularisiert sein, zumindest die Innenansicht. Kann Graffitis drauf haben und innen umgebaut sein, das kann gut zum Drehbuch passen. Wichtig wäre Strom und mögliche schnelle Drehgenehmigung. Bundesland ist erstmal nebensächlich, (Nähe Nürnberg oder Nähe Berlin wären ideal).

    Überschneidungen gibt es bis ins Detail. Zum Beispiel "Das Grauen von Dunwich"/"The Dunwich Horror", s. im Klinger (deutsche Ausgabe) S.418/419, FN14 bis 16 und den "Annotated Lovecraft" (Dell), S. 115, FN 32, 33 und S. 117, FN 38. Es wird jeweils erklärt, was Mariä Lichtmess bzw. Candlemas ist und was es mit dem alternativen Namen des Fests auf sich haben könnte (allerdings zwei Deutungen). Dann wird jeweils erklärt, was das Alderney Rind ist …

    Die angesprochene Dichte unterscheidet sich natürlich. Die Joshi/Cannon-Bücher sind 08/15-Taschenbücher mit einem geizigen Satzspiegel, der Klinger ist vom ganzen Format darauf angelegt nicht nur Kommentare, sondern auch Bilder zu bringen. Die sog. Marginalspalte in diesem Türstopper verdient ihren Namen schon fast nicht mehr.

    Ich glaube, hier hast Du genau den wunden Punkt von Joshi erwischt: Für Lovecraft mag diese Vorgehensweise funktionieren. Aber nicht für alle Schriftsteller. M. R. James, beispielsweise, hatte meiner Meinung nach einfach richtig viel Spaß am Schreiben und hat sich dabei in erster Linie über die Klischees des Gothic und der wissenschaftlichen Welt lustig gemacht. Da steckt keine komplexe, umfassende Weltanschauung hinter, zumindest keine, die er gezielt dort codifiziert hätte (was natürlich nicht bedeutet, dass in den Texten "nichts drinsteckt"). Eine etwas dynamischere und diskussionsfreudigere Herangehensweise hätte genau diese Probleme im Buch entschärft.

    (Was, wenn ich es richtig sehe, das Zitat von Rahel ist).

    Dem stimme ich zu. Interessant in dem Zusammenhang sind auch James' Aussagen zu Lovecrafts Supernatural Horror in Literature. Und eine ähnlich verhaltene Reaktion ist auch von Lord Dunsany bekannt.

    An M. R. James Letter

    Ich finde sogar die Kritik an einer Überbetonung des weltanschaulichen Aspekts bei Lovecraft selbst gerechtfertigt. Nun, diese Dinge sind ohne Zweifel vorhanden, aber ich fände den Eindruck falsch, wollte man den Autor als ausgepichten Philosophen darstellen. Mir kommt gerade in dem Diskurs die Tatsache zu kurz, dass Lovecraft Unterhaltungsliteratur schrieb und in seiner Zeit durchaus auch so wahrgenommen wurde. Mich selbst spricht zum Beispiel weniger sein materialistisches Weltbild an, sondern die stilistische und inhaltliche Exaltiertheit in seinen Geschichten (eben das, was ihm von seinen Gegnern gerne als "schlechter Stil" vorgeworfen wird).

    Ich lese Genreliteratur und die Sub-Sektion der Literaturwissenschaft, die dies tut interessiert mich, da brauche ich selten Gerard Genete oder Foucault...

    Auch wenn ich mich des Vorwurfs der Ignoranz aussetze — aber diese Aussage kann ich unterschreiben.

    — Exkurs

    Mal Hand aufs Herz, Leute: Verfügt Ihr über unbegrenzte Zeitressourcen für spezielle und allgemeine Lektüren? Ich nicht, leider … und muss allein schon aus diesem Grund selektiv vorgehen. Wie wir im letzten Beitrag von derTräumer gesehen haben, verschlingt allein die US-amerikanischen Lovecraft-Forschung erheblich Zeit und Geld. Natürlich sind die daraus entwachsenden Publikationen nicht die allein maßgeblichen. Und Lovecrafts Werk und die Rezeption kann immer wieder gegen den Strich gebürstet, auf den Kopf gestellt, aueinandergenommen und wieder zusammengesetzt werden — zu beackernde Felder tun sich ja stets aufs Neue auf.

    Was mich betrifft, so verdanke ich (neben der Erschließung biografischer Quellen und der Briefe) nach wie vor der Primärlektüre die meisten Erkenntnisse. Uns und der Forschung wäre manches Fehlurteil, mancher Trugschluss erspart geblieben (Beispiele liefere ich gerne, aber nicht in diesem expliziten Joshi-Thread), hätten die ForscherInnen zuerst und vor allem ihren Lovecraft gründlich gelesen, das Frühwerk wie das Spätwerk analysiert, verglichen und den Autor im literarischen Umfeld seiner Zeit und seiner Favoriten verortet. Das aber bedeutet: lesen, lesen, lesen. Und mit der Weird Fiction ist es da noch längst nicht getan. Ich denke an so Exotisches wie The Private Papers of Henry Ryecroft, The Riddle of the Universe/Die Welträthsel oder die Sagen des klassischen Altertums

    — Exkurs Ende