Düstere Aussichten
Einst ging es ihnen gut, doch die Wirtschaftskrise hat ihnen übel mitgespielt. Und dann machen sich in der Obdachlosensiedlung auch noch Geschichten über gesichtslose Männer und eine gehäutete Puppe breit. Als ein Kind verschwindet, beginnt der Alptraum aber erst so richtig…
Originalspielbericht
Die Charaktere
Agatha: Die ehemalige Journalistin lernte ihren Ehemann auf der Arbeit kennen. Nachdem sie entlassen wurden – womöglich, weil ihr Ehemann über das Finanzgenie Theodore Sedwick recherchierte? – verloren sie alles und leben nun in einer Obdachlosensiedlung außerhalb der Stadt. Ihr Mann ist schwer krank und niemand weiß, ob er es schaffen wird…
Maureen: Ehemals sehr reich, doch nachdem sich ihr Ehemann nach dem Schwarzen Dienstag umbrachte, verlor sie alles. Nun lebt sie mit ihrer 12jährigen Tochter Esther in den Barracken und hofft, dass es ihnen irgendwann wieder bessergehen wird.
Thomas: Der Sohn irischer Einwanderer hat eine erfolgreiche Fabrik aufgebaut, doch dann verließ ihn das Glück. Roscoe Molloy, den er einst selbst eingestellt hat, übernahm die Firma und schmiss ihn gnadenlos raus. Jetzt lebt Thomas mit den anderen in den Barracken.
Hiram: Der ehemalige Anwalt ist immer schlecht gelaunt. Er war einst sehr erfolgreich, doch während der Wirtschaftskrise lief es aus unerfindlichen Gründen nicht mehr so gut und seine Klienten wanderten zum Konkurrenten Casper Brinck ab.
Karl: Einst führender Wissenschaftler der Universität, verlor er Frau, Kind und Haus durch den Aktiencrash. Trotz allem ist er noch immer auf der Suche nach seinem verschollenen Kollegen, Professor Hawkes, der vom Thema Dimensionen fasziniert war.
Nathaniel: Kurz vor dem Zusammenbruch wurde er zum Direktor des lokalen Krankenhauses. Doch dann erkrankte er auf mysteriöse Weise, so wie viele andere, die jetzt mit ihm in der Obdachlosensiedlung hausen. Als einziger Arzt dort ist er ihre einzige Hoffnung.
Die Geschichte
Der Vorabend
Es ist November im Jahr 1932 in den USA. Ein gutes Stück von der nächsten Stadt entfernt liegt ein Obdachlosenlager, wo derzeit etwa 50 Personen leben. Einige davon – der 14jährige Waisenjung Billie, Agatha und Thomas – hoffen, in einem nahegelegenen Diner ein paar Essensreste abzustauben. Die Bedienung dort ist immer sehr nett, doch heute bittet sie die Gruppe, nicht mehr herzukommen, sonst müsse sie die Polizei rufen. Es ist eine unschöne Lage. Jedem von ihnen hat das Schicksal übel mitgespielt, einige von den Obdachlosen waren noch vor kurzem angesehene Persönlichkeiten, doch jetzt will niemand mehr etwas mit ihnen zu tun haben.
Leider geht es ihnen hier draußen gar nicht gut. Viele von ihnen sind krank und niemand weiß, was ihnen fehlt. Dazu kommen Gerüchte über Männer ohne Gesicht und eine Frau behauptet, diese hätten eine Puppe dabei gehabt, die wie ein gehäutetes Kind ausgesehen habe. Diese habe gesungen und es habe sich schön und furchtbar zugleich angehört. Sicherheitshalber werden Stolperfallen und Wachen aufgestellt.
Der Morgen, der alles verändert
Am nächsten Tag scheint alles ganz normal zu sein, nur, dass Maureen feststellt, dass ihre Tochter und Billie verschwunden sind. Gemeinsam mit ein paar anderen findet sie vier Fußspuren, die zur Straße führen, wo die Entführer vermutlich in ein Auto gestiegen sind. Augenblicklich trommelt sie eine Suchmannschaft zusammen, mit der sie den Spuren zur Stadt folgt.
Unterdessen geht es Agathas Mann immer schlechter und schließlich verstirbt er. Er litt am stärksten unter den mysteriösen Symptomen und nun, da sie an seinem Bett sitzt und weint, wird es noch seltsamer: Als ihre Tränen auf seine Haut fallen, löst sich sein Gewebe einfach auf. Nathaniel scheucht sie aus der Hütte, ehe sie dies bemerkt und stellt weitere Untersuchungen an. Tatsächlich scheint Wasser den ungewöhnlichen Effekt auszulösen. So etwas hat er noch nie gesehen!
Auf dem Weg in die Stadt spinnt sich Maureen alle erdenklichen Horrorszenarien zurecht: Die Kinder könnten von Menschenhändlern entführt worden sein, man habe sie für Experimente ins Krankenhaus gebracht oder sogar nach Mexiko entführt! Die anderen beruhigen sie, vielleicht haben auch nur ein paar Wohltäter die beiden Vermissten ins Krankenhaus gebracht, um ihnen etwas Gutes zu tun, ihnen zu helfen.
Dort angekommen werden sie zwar abgewiesen und die Empfangsdame erklärt, niemand habe hier Kinder abgegeben. Sie treffen dort aber auch auf Mr. Clover, der ebenfalls abgewiesen wird und ihnen draußen erzählt, ihm sei übel mitgespielt worden und niemand glaube ihm. Laut ihm lässt der Bauunternehmer Sedwick Menschen entführen. Beweisen kann er das jedoch nicht. Mr. Clover erzählt weiter, dass er dies mitbekommen habe, während er als Assistent für Professor Hawkes gearbeitet hat. Dieser habe ihn erst durch seine Experimente entstellt!
Hawkes soll ein Weltenportal geöffnet haben und er hat etwas daraus in unsere Welt geholt, ein furchterregendes Wesen, so groß wie ein Affe, aber sein Inneres sei nach Außen gedreht. Man dürfe dieses Wesen nicht singen hören, das sei sehr gefährlich. Und dann sei Hawkes bei einem Unfall in den Riss gefallen und Sedwick habe die Experimente weitergeführt. Er habe weitere, andere Wesen aus dem Riss geholt und Menschen damit bepflanzt, auch Sedwick, und seitdem lebt dieses Ding in seinem Bauch. Als man seinen Bauch befühlt, ist dieser ungewöhnlich weich, fast wie Gummi, und darin sitzt irgendetwas hartes. Die Berührung lässt Clover vor Schmerzen aufschreien und er rennt davon.
Auf zur Villa
Billie kehrt völlig außer Atem ins Lager zurück. Er hat Prellungen, ist unterkühlt und scheint völlig verwirrt zu sein. Er brabbelt etwas davon, dass er Esther nicht retten konnte, von einem Keller und steigendem Wasser. Sein Bauch ist eindrückbar, so wie der von Clover. Er wurde also bei der Entführung infiziert…
Nathaniel führt eine Obduktion an Agathas Mann durch, bevor sie aufbrechen. Er stellt fest, dass Wasser den gesamten Körper auflösen kann. In den Hautfalten findet er eine ätzende, gelbe Flüssigkeit, die sehr würzig stinkt. Sie reagiert jedoch nicht mit Metall. Bei genauerem Hinsehen erkennt der Arzt schwarze Flecken in der Flüssigkeit, die bei Berührung mit Wasser zucken und zittern. Die Larven des Parasiten?
Maureen, Hiram, Karl und Nathaniel brechen auf zur Villa und verschaffen sich von der Rückseite des Geländes Zutritt über ein Loch in der umgebenden Steinmauer. Der Boden dort ist matschig, überall liegen zersetzte Blätter herum und graue Schnecken kriechen in geometrischen Formen über den Boden. Dann finden sie einen Menschen, einen anderen Obdachlosen, der sie um Hilfe anfleht. Unter seiner Haut kriechen die schneckenartigen Wesen herum. Nathaniel schneidet eine der Wölbungen auf und findet ein stacheliges Schneckending, anscheinend hat es sich dort weiterentwickelt. Dem Mann können sie leider nicht weiterhelfen.
Sie gehen weiter zur Front der Villa, wo sie einen Schuppen finden und diesen aufbrechen. Hier ist alles voller Schalterpanele und Kabel. Am Boden gibt es eine Art Portal, das aber nicht offen ist. An der Wand steht ein Glastank mit schleimigem Brachwasser, in dem das Affenwesen herumschwimmt. Anscheinend wird es hier aufbewahrt und das Wasser behindert seinen Gesang. Nathaniel und Hiram werden von dem Anblick extrem verstört: Hiram will die Kreatur töten, indem er den Tank zerstört, doch Nathaniel glaubt, er wolle das Ungeheuer befreien. Es kommt zu einem kurzen Kampf, bis die beiden wieder zu Sinnen kommen.
Das Monsterhaus
Die Gruppe beschließt, den Schuppen erst einmal sein zu lassen und weitere Hinweise im Haus zu suchen. Sie gehen durch den Hintereingang rein und finden sich in der Küche wieder. Alles ist irgendwie feucht, warme Luft, fast wie ein Atemzug, streicht immer wieder über sie. Nathaniel schlägt gegen eine Wand, welche sich ekelhaft fleischig anfühlt. Der Windzug beschleunigt sich nach dieser Tat. Maureen sucht gehetzt nach einem Keller, wo sich ihre Tochter drin befinden soll. Dieser ist jedoch schon halb überflutet mit einer beißenden Flüssigkeit – Magensaft. Doch die Verzweiflung treibt sie voran, sie steigt hinein und ruft nach Esther. Da wird sie von etwas gepackt und tiefer in die Flüssigkeit gezogen. Kurz taucht sie auf, kämpft dagegen an, hört ihre Tochter rufen – und dann wird sie hineingezogen, in die Tiefen des Magens.
Nathaniel ist sich sicher, dass das Haus lebendig ist und will sein Herz suchen, um es zu töten, als Agatha und Thomas von der Straße her ankommen. Sie haben das Warten nicht ausgehalten und wissen noch nicht, wo die anderen sind. Als sie eintreten, wundern sie sich über die unangenehme Luft und rufen nach den anderen, die gerade aus dem Hintereingang an die frische Luft gegangen sind, um sich neu zu formieren. Die beiden Neuankömmlinge gehen durch einen langen Flur, dessen Wände plötzlich auf sie zukommen und dann bricht der Boden unter ihren Füßen weg. Beinahe werden sie zerquetscht, können sich aber gerade noch so befreien.
Sie landen im ehemaligen Tanzsaal, der voller Spiegel hängt. In einem davon sieht Thomas eine Schattengestalt, erschreckt sich und zerschlägt den Spiegel, woraufhin ihn ein massiver Blutschwall gegen die Wand donnert. Agatha zieht ihn aus dem Haus, während das Blut nicht aufhören will zu fließen.
Schließlich treffen sich alle Beteiligten wieder, doch das, was sie im Haus erlebt haben, hat sie viele Nerven gekostet. Nathaniel hat sich eine Traumwelt zurechtgemacht und hält Agatha für seine Exfrau. Er drück ihr auf den Bauch, wo er den Parasiten spürt, erklärt aber glücklich, dass sie endlich schwanger sei und wie sehr er sich freue.
Das Portal
Da sie sehen, dass sich ein Auto nähert, verstecken sich alle im Schuppen und bereiten einen Hinterhalt vor. Tatsächlich ist es Molloy, der hereinkommt und sogleich gefangengenommen wird. Nach ein wenig Überzeugungsarbeit erklärt er, dass die Larven das Glück einer Person an eine andere übertragen. Er fleht um sein Leben und verspricht, der Gruppe ihr Glück wiederzuegeben, zumindest einen Teil davon, da vermutlich nicht alles wiederhergestellt werden kann.
Die Villa beginnt derweil, zu schwanken und Molloy erklärt, dass Hawkes irgendwie mit dem Gebäude verschmolzen ist. Das Portal scheint außerdem defekt zu sein, doch die Gruppe kann es wieder zum Laufen bringen. Dann gehen alle hindurch und finden sich in einem kleinen Schutzkreis wieder. Um sie herum ist eine merkwürdige Leere, als seien sie mitten im Universum und überall schweben kleine Wesen umher. Molloy greift in jeden hinein und holt die Larven aus ihnen heraus, dann rutscht er jedoch aus, fällt beinahe in die Leere – und löst sich auf.
Panisch versuchen die Obdachlosen, wieder in ihre Welt zurückzukehren, doch der Übergang gelingt nicht so recht, das Portal ist schon zu sehr beschädigt. Am Ende schaffen es nur Agatha und Nathaniel wieder zurück und sehen dabei zu, wie das Haus in sich zusammenfällt, ausgeblutet. Sie zerstören die Gerätschaften und töten das Affenwesen, bevor sie fliehen. Leider bekommt Sedwick wohl Wind von dem, was sie getan haben und brennt die Obdachlosensiedlung nieder, noch bevor sie es zurück schaffen. Agatha nimmt die Rolle der Ex-Frau an, vielleicht aus der Not heraus, vielleicht, weil sie es nach all dem Geschehene wirklich glaubt.
Und wer weiß, was die Zukunft bietet, jetzt, wo ihr Glück nicht mehr von Parasiten gefressen wird…
Fazit
Dieses kuriose Szenario ist definitiv nichts für jeden. Bodyhorror, physische und psychische Gewalt stehen hier im Zentrum und können so manchem Spieler ein mulmiges Gefühl verursachen. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, findet hier aber durchaus eine interessante Abwechslung mit viel Action und sehr seltsamen Begebenheiten.
Düstere Aussichten ist eine Übersetzung von Bleak Prospekt aus dem Band Nameless Horrors. Im Deutschen findet sich das Szenario im Band Namenloser Schrecken in Neuengland, aus dem wir bereits „Ein Teil fiel auf felsigen Boden„, „Das Mondkind“ und „Der Bereich dazwischen“ gespielt haben.
Autor ist Scott Dorward, der auch schon Unamerican und Unland geschrieben hat.