[Spielbericht] FHTAGN: Zur Geometrie der Welt

  • An Fronleichnam 2022 habe ich das FHTAGN-Szenario „Zur Geometrie der Welt“, das anlässlich des Gratisrollenspieltags erschien, für drei Personen geleitet. Hier möchte ich davon berichten. :)

    Charaktere

    Die Charaktere wurden von mir vorgefertigt; Name und Geschlecht haben sich die Spieler ausgesucht. Anbei sind auch die namenlosen Charakterbögen inklusive detaillierter Hintergrundgeschichten, an denen ich mich kreativ ausgetobt habe. ;)

    Isaak Stresemann: Ein Visionär, Robotikexperte und Mitbegründer des Start-Ups „Clean Sky Solutions GmbH“, das Drohnen und Flugtaxis entwickeln will und mit dem er hofft, Pionier der Energiewende zu werden. Mit der FHTAGN-App hat er bislang nur gute Erfahrungen, hat sie ihm doch Kontakte mit Investoren und Politikern beschert.

    Charakterbogen: ZGdW-Start-Upperin.pdf

    Susanne Aschenholz: Eine Bildhauerin, die ein Interesse für Okkultes hegt. Mit der FHTAGN-App hat sie bislang nur gute Erfahrungen, da sie von ihr immer wieder Hinweise zu interessanten, okkulten Büchern bekommt.

    Charakterbogen: ZGdW-Bildhauerin.pdf

    Dr. jur. Reiner Michels: Ein pragmatischer Jurist und Mitglied einer konservativen und wirtschaftsliberalen Partei, für den Geld alles ist, aber der auch ein Herz für seinen Sohn hat. Die FHTAGN-App ist für ihn Fluch wie Segen. Obgleich sie ihn mit lukrativen Klienten belohnt, hat sie ihn schon, als er einst einen Auftrag der App ignorierte, hart bestraft und sogar gedroht, seinem Sohn etwas anzutun.

    Charakterbogen: ZGdW-Politiker.pdf

    Spielverlauf

    Ein neuer Auftrag von der App

    IMG_1372.jpgReiner arbeitet gerade in seiner Kanzlei, Susanne meißelt an ihrer neuesten Steinskulptur und Isaak sitzt in seiner Wohnung, als sich die FHTAGN-App bei ihnen meldet und anweist, diverse Gegenstände zu einer Adresse in Berlin-Charlottenburg zu bringen: Reiner eine elektrische Luftpumpe, Susanne eine Doppelluftmatratze und Isaak – der verblüfft feststellt, dass es sich um seine eigene Adresse handelt – ein Verlängerungskabel. Alle erhalten auch den Hinweis, dass weitere Personen hinzustoßen werden.

    Susanne geht einkaufen und, da sie sich denkt, dass sie die Doppelluftmatratze nicht mit dem Mund aufblasen will, besorgt sie zusätzlich eine elektrische Luftpumpe. Reiner hat seine eigene in seinen Audi A8 gepackt und fährt los, während Isaak als Tech-Visionär so etwas Triviales wie ein Verlängerungskabel schon in seiner Wohnung parat hat und damit kurz vor dem vereinbarten Zeitpunkt vor dem Haus auf die anderen Personen wartet.

    Reiner flucht, als er mit seinem Audi A8 vergeblichst einen Parkplatz in der Schillerstraße sucht, und beschimpft die Lastradfahrerin Susanne, die ihm den Weg abschneidet und kein Problem damit hat, einen Stellplatz für ihr Rad zu finden. So kommt Susanne vor Reiner am Treffpunkt an und sieht dort einen skeptisch dreinblickenden jungen Mann mit Anzug und Verlängerungskabel stehen.

    Zehn Minuten später kommt auch Reiner dazu, der sein Auto zwei Straßen weiter geparkt hat. Als er sieht, dass Susanne sowohl eine Doppelluftmatratze als auch eine elektrische Luftpumpe dabei hat, ergeht er sich in eine Schimpftirade, wofür er denn eigentlich selbst eine elektrische Luftpumpe mitbringen musste und was für eine Zeitverschwendung das alles sei.

    Die drei stellen sich kurz einander vor und nutzen schließlich alle mitgebrachten Gegenstände, um die aufgeblasene Luftmatratze zur geforderten Zeit am geforderten Ort wie angewiesen parat zu haben. Susanne lässt sich daraufhin an einem Baum nieder, um etwas zu skizzieren, während Isaak und Reiner ungeduldig an der Matratze stehen und warten.

    Die Mathematikprofessorin

    Dann, um 17:45 Uhr, splittert plötzlich die Fensterscheibe über der Wohnung von Isaak und eine Frau stürzt zu aller Verblüffung aus dem Fenster und landet mitten auf der Matratze. Reiner und Isaak sind so überrascht, dass sie es nicht mehr schafften, auszuweichen und Glassplitter abbekommen.

    Die Frau, von der Isaak weiß, dass es seine Nachbarin, die Mathematikprofessorin Prof. Köhler ist, steht perplex auf. Reiner will den Krankenwagen rufen, doch Prof. Köhler winkt ab und meint, dafür sei keine Zeit, denn sie sei aktuell an einer wichtigen Formel dran. Die drei fragen sie, wie es dazu kam, dass sie aus dem Fenster gestürzt sei, und sie erzählt vage etwas von einem Hund oder Rauch, der plötzlich in ihrer Wohnung da war und sie attackiert hätte. Reiner ist mehr denn je davon überzeugt, dass Prof. Köhler einen Krankenwagen gebrauchen könnte, doch Prof. Köhler relativiert ihre Aussagen und gesteht, dass ihre Nerven etwas angespannt seien und sie sich das ganze wohl nur eingebildet hätte. Sie müsse aber in jedem Fall in ihre Wohnung zurück und weiter an den Formeln arbeiten.

    Da sie weder Haus- noch Wohnungsschlüssel dabei hat, lässt sie sich von Isaak die Haustür öffnen und geht hoch in den zweiten Stock zum Nachbar Leopold Büttner, der einen Zweitschlüssel besitzt. Isaak und Susanne begleiten sie neugierig, während Reiner an der Türschwelle stehenbleibt in der Hoffnung, dass sein Job hier schon getan ist und er bald wieder gehen könnte. Doch kurz darauf hört er einen Mann von oben aufgebracht schimpfen und als er dann doch die Treppe hochgeht, sieht er zusammen mit den anderen, dass Herr Büttner gerade Säcke voller undefinierbarer Dinge von seiner Wohnung, aus der ein ekelhafter Gestank austritt, auf den Flur bringt. Er erzählt, dass alle Lebensmittel im Kühlschrank verdorben sind, obwohl er erst gestern einkaufen gegangen war, was unerklärlich sei, da es keinen Stromausfall gegeben hatte.

    Nachdem Prof. Köhler von ihm den Zweitschlüssel für ihre Wohnung erhält, geht sie mit den drei anderen wieder zurück in den ersten Stock und öffnet ihre Wohnung. Während sie sofort in einem anderen Zimmer verschwindet, schauen sich Susanne, Isaak und Reiner aufmerksam in der Wohnung um. Das Fenster ist zersplittert, ein Glas liegt zerbrochen mit einer Wasserlache auf dem Boden, die Wanduhr zeigt 20 Uhr, obwohl es nach den Smartphones der Charaktere erst noch kurz vor 18 Uhr ist. Auf der Tapete sind vier parallele Kratzer zu erkennen – Krallenspuren? – die Susanne sich genauer ansieht. Ihrer Größe nach zu urteilen müssen sie von einem großen Tier stammen.

    Die drei suchen schließlich Prof. Köhler in ihrem Arbeitszimmer auf, wo sie sich wieder konzentriert den Formeln gewidmet hatte. Auf Nachfrage erzählt sie von ihrem Urheber, Otto Hilber, und über das Wesen dieses seines Werks, „Zur Geometrie der Welt“. Isaak schaut sich interessiert besagtes Werk an und ist total gebannt davon. Fasziniert schwärmt er von der Ästhetik dieser Formeln und bietet Prof. Köhler an, ihr bei der Ausarbeitung der Mathematik zu helfen. Diese nimmt das Angebot gerne an. Kurz darauf gibt es eine neue Nachricht der FHTAGN-App, die auch die zwei anderen dazu auffordert, Prof. Köhler bei ihrer intellektuellen Aufgabe zu unterstützen.

    Nichteuklidische Begebenheiten

    Susanne geht in die Küche, um Kaffee zu machen, und für einen Augenblick ist ihr so, als würde sie eine sehr alte Küche aus dem 19. Jahrhundert sehen. Dieser Eindruck verfliegt aber rasch. Sie macht Kaffee für Prof. Köhler und Isaak, die ihn dankbar annehmen, während sie darüber diskutieren, wie sie die Formel weiter rechnen. Als Reiner auf seinem Smartphone etwas nachschauen will, spuckt dieses lauter Fehlermeldungen aus und auch ein Neustart hilft nicht. Anscheinend hat sich das Datum des Smartphones auf den 15.10.1888 gestellt.

    Der Platz geht den Rechnenden aus und Susanne greift wahllos nach einem prallen Aktenordner, um ihnen mehr Papier zu geben. Isaak reißt ein Bündel Blätter heraus und schreibt auf ihnen weiter, während Prof. Köhler einen Whiteboard-Marker zückt und auf dem Ordner selbst ihre Rechnungen fortsetzt und danach auf ihrem Tisch. Schließlich beginnen Isaak und Prof. Köhler, an der Wand zu schreiben und Reiner rückt die im Weg stehenden Möbel beiseite.

    Von oben hört man Gepolter und Geschrei, und Prof. Köhler und Isaak beschweren sich äußerst gereizt über diesen Lärm. Reiner geht nach oben, klopft an der Wohnungstür von Herrn Büttner und bittet ihn leise zu sein. Dieser öffnet die Tür und stürzt panisch nach draußen, um ohne weitere Erklärungen die Treppe hinunter zu hetzen. Reiner blickt verwirrt in die Wohnung und bemerkt einen schwarzen Rauch, der darin wabert. Als er einen Schritt nach hinten geht, kommt ihm der Rauch näher und auch er rennt die Treppe hinab, während der Rauch ihm immer weiter folgt. Er rennt und rennt und rennt die Treppe hinab, doch diese scheint nicht aufzuhören.

    Währenddessen kommt Susanne mit weiterem Kaffee aus der Küche zurück. Im Flur fließt ihr der Kaffee aus der Tasse auf den Boden, denn Susanne steht plötzlich an der Decke. Isaak und Prof. Köhler stehen ebenfalls an der Decke und setzen ihre Rechnungen unbeirrt auf dem Kopf stehend fort.

    Reiner ist eine Ewigkeit die Treppe herunter gerannt und findet keuchend und erschöpft endlich eine Tür. Es ist glücklicherweise die Tür von Prof. Köhler. Als er bemerkt, dass er kopfüber an der Decke von Prof. Köhlers Wohnung steht, Übelkeit und Verzweiflung überkommt ihn und er setzt sich hin. Doch er kann kaum zur Ruhe kommen: Der schwarze Rauch sickert nun durch den Boden der Wohnung. Susanne geht auf die Schwärze zu und diese fängt an, Mäuler und Krallen auszubilden. Reiner ist verstört und torkelt zum Fenster, stürzt und landet auf der Luftmatratze, die immer noch unten liegt. Es ist finster und ein Blick auf sein Smartphone verrät ihm, dass es mittlerweile 4 Uhr morgens ist. Er muss an seinen Sohn denken, der von der FHTAGN-App bedroht wird, und schreibt ihm eine Nachricht.

    Die Schwärze greift währenddessen Susanne an und hinterlässt vier blutige Kratzer auf ihrer Schulter. Reiner hört ihren schmerzverzerrten Schrei; zugleich erhält er eine kryptische Nachricht der FHTAGN-App: „Der Sonnenaufgang ist nah.“ Er steckt das Smartphone weg und geht in das Haus zurück.

    Quod erat demonstrandum

    Die Schwärze hat sich mittlerweile von Susanne abgewendet und schwebt ins Arbeitszimmer, wo Prof. Köhler und Isaak am Rechnen sind. Prof. Köhler erkennt die Erscheinung wieder als das, was sie zuvor angegriffen hatte, und fordert die anderen auf, etwas dagegen zu unternehmen. Isaak reißt sich mit Mühe von den Formeln los und greift nach einem Ventilator, Susanne kommt mit einem Staubsauger an. Weder der Wind vom Ventilator noch der Sog des Staubsaugers haben irgendeinen Effekt auf die Schwärze, doch die Lampe am modernen Staubsauger von Prof. Köhler, mit der man in Nischen und Ecken hineinleuchten kann, zeigt Wirkung: Die Schwärze zieht sich zurück!

    Als Reiner wieder zurück in die Wohnung kommt, ist Susanne gerade dabei, mit ihrem Smartphone-Licht die Schwärze zurückzudrängen und er tut es ihr gleich. Die Schwärze sickert durch die Wand, die kurz darauf anfängt, leuchtende Risse auszubilden. Als Prof. Köhler ein „QED“ hinter die Rechnung an der Wand schreibt, bricht sie zusammen. Zugleich strahlt das Licht aus der Wand heller, der Raum scheint sich mit allen Anwesenden auf unbeschreibliche Art zu einer Singularität zu falten, um sich dann wieder auseinander zu falten.

    Die leuchtenden Risse sind weg. Mitten im Raum liegt ein metallischer Gegenstand. Zugleich klingelt es an der Tür. Susanne geht nach unten, um zu öffnen: Es ist ein DHL-Paketbote, der etwas bei Prof. Köhler abholen will. Susanne schlägt die Tür zu, öffnet sie aber wieder auf das hartnäckige Klopfen des DHL-Paketboten hin, der die FHTAGN-App mitsamt seines Auftrags vorzeigt, um genau diese Uhrzeit bei Prof. Köhler einen metallischen Gegenstand abzuholen, der an die „Yazu International Trade Holding“ gehen soll. Susanne lässt ihn daraufhin hochkommen, damit er seinen Auftrag erfüllen kann.

    Susanne, Reiner und Isaak haben ihren eigenen Auftrag hiermit erfüllt und werden von der FHTAGN-App belohnt: Reiner erhält eine Anfrage, die sich nach einem äußerst lukrativen Fall anhört; ein reicher Investor meldet sich bei Isaak und möchte seine Firma unterstützen; Susanne wird von einem Amerikaner namens Mr. Wilcox angeschrieben, der sich interessiert an ihrer Kunst zeigt und auch einige interessante Informationen für sie hätte.

    Das Szenario aus Spielersicht

    Zur Geometrie der Welt“ war für meine Spieler der erste Kontakt zum Rollenspielsystem FHTAGN und sie waren begeistert: Zum Einen fanden sie das Setting der Gegenwart interessant und abwechslungsreich im Vergleich zu den üblichen Rollenspielsettings des Mittelalters und der Science-Fictions.

    Zum Anderen fanden sie das Konzept der FHTAGN-App sowohl von der Idee selbst als auch speziell als Kampagnenrahmen sehr gut – so gut, dass sie sogar den Wunsch äußerten, man möge doch eine echte FHTAGN-App entwickeln, auf der man Charakterbögen hochladen und auf der die Spielleitung den Spielern Nachrichten seitens der fiktiven FHTAGN-App schicken könne.

    Und schließlich wünschte man sich eine Fortsetzung von mir – etwas, woran ich auf jeden Fall arbeiten werde. :)

    Das Szenario aus Spielleitersicht

    Zur Geometrie der Welt“ war das erste FHTAGN-Szenario, das ich je geleitet habe, und überhaupt war dies die zweite Spielrunde, die ich je geleitet habe. Als Spielleiter-Newbie kam ich mit dem Szenario wunderbar zurecht, was sicher auch an seiner Kürze liegen mag (wir haben 1,5 Stunden zum Spielen gebraucht), aber auf jeden Fall war auch die Strukturiertheit des Szenarios sehr hilfreich und ich hatte kaum Zeitaufwand, um die Runde vorzubereiten. Auch gefielen mir die Listen an räumlichen und zeitlichen Effekten, aus denen ich mir je nach Situation rasch etwas Passendes heraussuchen konnte, sehr gut.

    Insgesamt habe ich „Zur Geometrie der Welt“ als Spielleitung also sehr genossen. :)

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!