Joshi hat einen neuen Text zum Thema verfasst, der vielleicht von Interesse ist.
Er ist im aktuellen Truth Seeker erschienen, den man downloaden kann, wie Joshi auf seinem Blog mitteilt:
http://stjoshi.org/news.html?f…lTDLYfK0gcInx6ZKd8cOIY9cw
Ich habe den Artikel eben durchgelesen. Für mich las sich der Artikel wie eine Verteidigungsrede, wie man sie vielleicht von Cicero kennt (Lateiner hier?
). Hier mal eine Zusammenfassung des Artikels:
Joshi argumentiert, dass Lovecrafts Ansichten anfangs stark von seiner Familie und der Kultur Neu-Englands, beide extrem konservativ, geformt seien, und er damit zu jener Zeit nicht allein stand. Ansonsten sei Lovecraft ja ein Anhänger der Wissenschaften gewesen und auch in dieser Hinsicht war die damals vorherrschende Meinung, dass es Rassenunterschiede zwischen Menschen gäbe. Dieses wissenschaftliche Paradigma habe sich erst in den 1920er Jahren langsam angefangen zu ändern und war sich noch nach Lovecrafts Tod am Weiterentwickeln.
Lovecraft habe zwar rassistische Ansichten in ein paar Gedichten und Briefen geäußert, jedoch nur in einem sehr kleinen Bruchteil (2-3 Gedichte von insgesamt 350 Gedichten und 2-5% der Gesamt-Wörteranzahl seiner Briefe, schätzt Joshi), wodurch Joshi sagen will, dass Lovecraft viel mehr andere Dinge im Kopf hatte als Rassismus.
Joshi warnt generell auch davor, selbst nicht zu vorurteilend mit Lovecrafts Werken umzugehen, denn man könne zwar rassistische Tendenzen in einigen seiner Werke finden, aber man könne genauso gut viele Werke ausmachen, in denen man heraus interpretieren und behaupten könne, dass Lovecraft Vorurteile gegenüber Weißen gehabt hätte. Letzten Endes sei es also eher eine Interpretationssache. Er nennt da z.B. Ratten im Gemäuer, wo weiße Menschen zu Kannibalen degenerieren, oder Das Grauen von Dunwich.
Joshi greift dann Lovecrafts hin- und hergerissene Unterstützung für Hitler auf, die er in Briefen in 1933-1934 ausgedrückt habe und entkräftigt diese einerseits mit Lovecrafts eigentlichen politische Ansichten, die - ganz im Gegenteil - anti-rechtsextrem und anti-nazistisch waren: Nach der Wirtschaftskrise 1929 habe sich Lovecraft zu einem moderaten Sozialisten entwickelt, der heutzutage wahrscheinlich ein Anhänger Bernie Sanders gewesen wäre, und er habe keinen Sinn darin gesehen, in den USA weißen Nationalismus zu unterstützen. Weiterhin erzählt Joshi noch eine Anekdote, in der Lovecraft entsetzt gewesen sein soll, als ein Nachbar, der von einer Reise in Deutschland zurückkam, von den Grausamkeiten erzählte, die dort den Juden angetan würden. Andererseits nennt Joshi dann mehrere Beispiele für Zeitgenossen Lovecrafts, die entweder stärker mit Hitler sympathisiert hätten oder mit ihm sympathisiert hätten trotz eines Wissens um den Holocaust.
Diese Argumentation, dass viele Zeitgenossen schlimmere rassistische Tendenzen als Lovecraft gehabt hätten, kommt später wieder, und Joshi meint, man schaue nur gerade so kritisch auf Lovecraft, weil die anderen zeitgenössischen Autoren heute weniger im Mittelpunkt stehen, und er nennt eine ganze Liste von Personen und Belege für ihren heftigeren Rassismus, etwa Edgar Allan Poe, H. G. Wells oder auch Robert E. Howard.
Am Ende des Artikels plädiert Joshi dafür, nicht alles schwarz-weiß zu sehen und Lovecraft nicht in eine Schüssel zu werfen mit Konföderierten-Generälen und anderen Rassisten, die aktiv farbige Menschen verletzt haben und verletzen. Außerdem warnt Joshi davor, heutige moralische Standards auf Personen der Vergangenheit anzuwenden, da im Gegenzug auch wir in 50 bis 100 Jahren bezogen auf zukünftige moralische Standards nicht gut aussehen könnten. Dieses Kritisieren von diesem einen Aspekt Lovecraft sei, so Joshi in seinem Schlusssatz, letzten Endes auch eine Art Vorurteil unsererseits, das als veraltet angesehen und abgelehnt werden müsse.