Nachdem ich mich jetzt recht intensiv durch den Regelteil von FHTAGN gewühlt habe, gebe ich mal ein erstes persönliches Zwischenfazit ab. Praktische Erfahrung habe ich leider noch nicht.
FHTAGN hat ein solides Regelgrundsystem, was von einem BRP-Abkömmling aber auch nicht anders zu erwarten war. Der Text ist inhaltlich und formal schon auf einem wirklich hohen Niveau! Ich zumindest habe ja echt nur noch Kleinigkeiten gefunden.
Was ich etwas irritierend finde ist, dass man auf der Website nirgends so deutlich erklärt wird, worauf FHTAGN basiert und wie es zustande kam. Nur etwas verschämt findet sich ein paar Angaben bei den Lizenzen. An anderen Stellen gibt es nur gelegentliche Andeutungen und Vergleiche mit „anderen Horror-Systemen“. Richtig verstanden habe ich es erst durch den kurzen, aber guten Wikipedia-Artikel. Warum geht ihr da nicht offener mit um? Solche Informationen gehören für mich auf die Startseite.
Am System selbst haben mir viele Dinge gut gefallen. Besonders hervorheben möchte ich:
• Auswahl der Attribute und abgeleiteten Werte auf genau das richtige Maß. Am Anfang war ich etwas verwirrt, wo der Unterschied zwischen EN und WP liegt. Ist aber absolut sinnvoll so. Auch den Umgang mit den Attributen finde ich gut. Immer nur mit W100 gegen Attribut x 5 zu würfeln (und nicht abwechselnd x2, x3 oder mit 3W6 direkt gegen das Attribut usw.) macht es einheitlich mit Fertigkeitswürfen.
• Umgang mit Geld und Ausrüstung (Ausgabenkategorien): Sehr schönes und einfaches Konzept, dabei völlig ausreichend für den Zweck des Spiels. Ich überlege, ob ich das auch für andere Systeme klaue.
• Facetten zur Charakterisierung der Spielfiguren. Einfach und extrem universell einzusetzen, auch unter verschiedenen Entwicklungsstufen. Charakterzüge spiegeln sich in der Regelmechanik wider und werden so am Spieltisch nicht vergessen. Es könnte ruhig noch ein paar Facetten mehr zur Auswahl geben.
• Bindungen bringen ebenfalls praktisch nutzbaren Charakterhintergrund, ohne dass man lange Lebensläufe schreiben müsste. Klasse ist die Methode, immer wieder seine Bindungen und sein soziales Umfeld gegen seine geistige Stabilität abwägen zum müssen.
• Zwischenszenen, um den Spieler immer wieder auf dieses soziale Umfeld zurückzubringen. Sehr gut geeignet für episodenartiges Spiel. Wenn man eine kontinuierliche Kampagne spielt funktioniert es wahrscheinlich weniger gut, aber das ist ja auch nicht der Fokus des Systems.
• Den eleganten, einfachen (und natürlich tödlichen) Mechanismus des Tödlichkeitswurfes.
An manchen Stellen könnte ich mir noch mehr vorstellen, was aber vom Aufwand her eher in Richtung einer Version 2 geht. Ein paar Gedanken für den Hinterkopf:
• Motivationen werden zwar definiert, aber ihr einziger regelmechanischer Zweck ist es, langsam durch psychische Störungen ersetzt zu werden. Hier würde ich mir noch ein System wünschen, das mechanische Anreize setzt, das auch auszuspielen.
• Der Stil der Texte ist größtenteils sehr trocken. Das liegt zum Teil natürlich in der Natur des Textes, könnte aber z.B. durch viel mehr Beispiele aufgelockert und leichter zugänglich gemacht werden. Beispiele in ausklappbaren Boxen unterzubringen (in der Online-Fassung natürlich), finde ich perfekt, weil man irgendwann natürlich nur noch den Kerntext zum Nachschlagen braucht.
• Bilder! Bekommt ihr im Lovecrafter super gut hin und genügend gemeinfreie Bilder zu bekommen sollte auch machbar sein.
• Die Kampfregeln erscheinen mir für ein System, das eher für kampfärmeres Spiel gedacht ist, noch recht komplex. Ich glaube, das könnte man noch straffen, möchte mich aber ohne praktische Erfahrung nicht zu weit aus dem Fenster lehnen.
Alles in allem gefällt mir FHTAGN sehr gut und ich habe gerade viel Spaß daran, ein wenig mitzumischen! Als nächstes nehme ich mir den Spielwelt-Teil vor. :tuuluu: