Lovecrafter Online – 037 – Im Schatten älterer Schrecken
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Seanchui -
21. Dezember 2020 um 12:00 -
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Cthulhu verfasst, sondern bekleidet im Pegasus-Team mittlerweile den Posten eines Redakteurs. Seine Liebe zum Horror hat ihn dann auch schlussendlich angetrieben, Im Schatten älterer Schrecken zu verfassen. Dieser Band stammt bereits aus dem Jahr 2016 - mittlerweile hat sich Durer auch anderen Themen angenommen. Widmen wir uns nun aber dem vorliegenden Band.
Insgesamt fünf verschiedene Kurzgeschichten hat Autor Marcel Durer nicht nur zu Papier gebracht, sondern auch gleich im Eigenverlag veröffentlicht. Neben den Geschichten selbst, hat er sich auch der Umschlagsgestaltung angenommen. Marcel Durer arbeitet als Autor, Illustrator und Game Designer in Ludwigsburg und ist, nach eigener Aussage, stolz auf seine Sammlung unnützen Wissens. Dieses beinhaltet offensichtlich auch reichlich Kenntnisse der lovecraftschen Materie, denn mittlerweile hat er nicht nur einige Abenteuer fürInhalt
Allen Geschichten ist gemein, dass sie in der Moderne angesiedelt sind. Das war eines der "Design"-Ziele - wie würde sich Lovecrafts Mythos anfühlen, wenn man ihn aus der Welt des angehenden 20. Jahrhunderts in unsere Zeit transportiert? Eröffnet wird der Band mit der Geschichte Marios Pizza. Hier trifft der Protagonist in einer geschlossenen Anstalt auf seine ehemalige Freundin. Diese hat vor Jahren ein Studium der Archäologie begonnen und hat die Welt bereist - nur um offensichtlich Entdeckungen zu machen, die ihrer geistigen Gesundheit kaum zuträglich waren. Die zweite Geschichte, Vaterfreuden, berichtet davon wie eine eigentlich arglose Familie in den Besitz eines doch sehr mythoslastigen Zöglings kommt. Die Geschichte rund um einen alten Gelehrten, der sich in einem finsteren Fruchtbarkeitsritual den älteren Göttern hingibt, hat man so oder anders zwar schon einmal gelesen; die hier gewählte Perspektive des unwissenden Familienoberhaupts ist allerdings doch ungewöhnlich.
Der Schrecken im Schacht, die dritte Geschichte, ist nur ein kurzes Intermezzo und beschreibt eine unangenehme Begegnung im Rahmen von Tiefbauarbeiten. Interessanter ist wieder Das Grauen des Para'Tychkolon, wo wir auf Durers Variante des Mythosbuchs treffen dürfen. Dieses trägt den titelgebenden Namen und hat die finstere Angewohnheit, sich seinen Leser selbst auszusuchen. Was es mit seinem armen Opfer anstellt, das erfahren wir auf den letzten Seiten der Geschichte. Die beste Geschichte des Bandes aber ist das Schlusslicht, Der merkwürdige Fall des Kaspar Hauser. Hier trifft ein Filmteam, dass eigentlich zwei Polizisten in ihrem Alltag begleiten soll, auf die Insassen einer geschlossenen Anstalt. Ein dort scherzhaft als "Kaspar Hauser" betitelte Insasse mit Gedächtnisverlust entpuppt sich als äußerst gefährlicher, der Magie mächtiger Zeitgenosse. Nachdem wir das Wirken seiner zauberischen Fähigkeiten erlebt haben, schließen sich auch bereits die 116 Seiten dieses Kurzgeschichtenbandes wieder.
Kritik
Wenden wir uns zunächst dem technischen Aspekt zu. Das Buch ist sauber verarbeitet, das Cover schlicht aber aussagekräftig. Das Korrektorat hat eine ordentliche Arbeit geleistet und kaum Rechtschreibfehler übrig gelassen. Die Schrift ist groß und gut lesbar; für meinen Geschmack werden aber zu viele kurze Absätze gemacht, was ein unruhiges Seitenbild ergibt. Innenliegende Illustrationen finden sich keine. Technisch ist der Band damit schlicht aber völlig in Ordnung.
Auch der Schreibstil Durers weiß mir durchaus zu gefallen. Natürlich ist er nicht zu vergleichen mit dem von Lovecraft, der im Laufe des Bandes mehrfach als Inspiration angepriesen wird. Doch das ist schlussendlich auch nicht notwendig, um eine gute Horror-Geschichte zu schreiben. Durer schreibt flüssig und mit wenig Ausschweifungen, geizt auch nicht mit dem einen oder anderen modernen Jugendwort und hievt seine Geschichten so mühelos in die Moderne, auch, wenn wenig Bezug auf aktuelle Themen genommen wird. Das macht seinen Stil gefällig, aber natürlich auch nicht herausragend.
Inhaltlich bin ich allerdings nicht ganz warm geworden. Neben der Tatsache, dass man jede der Geschichten so oder anders bereits einmal gelesen hat - ein Umstand, der uns wohl alle einmal ereilt, wenn man sich mit Lovecrafts Werk und dem seiner zahllosen Nacheiferer beschäftigt - ist es vor allem die gehetzte Storyführung, die mich stört. Wo Lovecrafts Protagonisten sich die Zeit genommen haben, in aller Ruhe und in aller Angemessenheit dem Grauen während seiner Entfaltung beizuwohnen, unfähig oder unwillig die Augen zu verschließen und fortzugehen bis sich schlussendlich die bittere Wahrheit über ihren Geist warf und ihre geistige Stabilität in Stücke riss, sind die Protagonisten in Durers Geschichten Gehetzte. Zufällig stolpern sie in die Fallstricke des Mythos, erahnen nur wenig von dem, was tatsächlich geschehen ist und sehen sich urplötzlich mit einem Grauen konfrontiert, welches sie nicht verstehen oder begreifen können. Sicher, damit sind sie auch ein Spiegelbild unserer - oft als hektisch empfundenen - Epoche, die sich viel weniger Zeit für den Einzelnen nimmt, als es noch vor einhundert Jahren der Fall gewesen sein mag. So ergibt sich ein weiteres Mosaiksteinchen im Design-Ziel Durers. Doch es schadet auch der cthuloiden Atmosphäre. So lässt neben den bewussten Zitaten und verwendeten Mythos-Termini wenig in Durers Geschichten an Lovecrafts Werke denken.
Ein interessanter Aspekt bleibt jedoch, den ich nicht unerwähnt lassen möchte. Man merkt den Geschichten durchaus an, dass sie von einem erfahrenen Rollenspieler verfasst worden sind. Jede der Geschichten lässt sich fast mühelos in ein cthuloides Abenteuer verwandeln, liefert Plothooks und NSC. Das aber wirklich nur als interessante Randbemerkung.
Fazit
Nein, schlecht ist Im Schatten älterer Schrecken nicht. Es ist allerdings auch keine Sternstunde der Kurzgeschichtenbände, die sich des lovecraftschen Cthulhu-Mythos bedienen. Empfehlenswert für eilige Leser ob der Kürze der Geschichten und Rollenspieler auf der Suche nach neuen Ideen für ihre Cthulhu NOW-Kampagne.
Im Schatten älterer Schrecken
ISBN: 978-1537547237
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