Lovecrafter Online – Interview mit Autor Axel Koehler

Der 1973 in Gießen im Herzen Hessens geborene junge Gelehrte der schottisch-gälischen Sprache und Kultur wuchs zwischen den beiden alten Universitätsstädten Gießen und Marburg auf, letztere ist bekannt für eine Atmosphäre, die H.P. Lovecraft selbst würde sehr inspirierend finden, ebenso wie MR James oder Arthur Machen, zwei weitere seiner Lieblingsautoren, die ihn inspirierten, sich der „dunklen Seite“ der spekulativen und übernatürlichen Fiktion zuzuwenden, nachdem er dem Genre der High Fantasy treu geblieben war für den größten Teil seiner früheren Jugend.


Beim Studium der Sprache und Traditionen des Schottischen und des Irisch-Gälischen an den Universitäten Aberdeen und Edinburgh und damit in zwei Altstädten mit ebenso gotischem Flair wie Marburg stieß der Autor auf H.P. Lovecraft zum zweiten Mal in seinem Leben, seitdem er als Teenager in der Sammlung seines jüngsten Onkels klassischer Fantasy und übernatürlichem Horror gestöbert hatte, sowie die beiden anderen oben genannten Autoren in einem angestaubten alten Wälzer, der auf den ersten Blick ein Grimoire hätte sein können In einem abgelegenen Cottage, umgeben von dunklen, unheimlichen alten Wäldern auf der Isle of Colonsay, beschloss der junge Gelehrte (der natürlich auch Monographien und Aufsätze veröffentlicht), selbst Autor in seinem Lieblingsgenre zu werden…


Lovecrafter online: Hallo Axel, vielen Dank, dass Du Dir Zeit für ein paar Fragen nimmst! Erzähl uns ein wenig von Dir: Wer bist Du und was machst Du, wenn Du nicht gerade lovecrafteske Geschichten schreibst?

Axel Koehler: Ich bin eigentlich Vollblut-Keltologe, und auch diplomierter wissenschaftlicher Bibliothekar, arbeite jedoch seit 2016 hauptsächlich als freiberuflicher Sprachlehrer, vor allem in DaF-Integrationskursen. Während der Lockdown-Phase der Pandemie habe ich als Online-Nachhilfekraft gearbeitet, auch in Englisch und Französisch. Überdies habe ich in der Lockdown-Zeit online auch wieder begonnen, Gälisch für Deutschsprachige zu unterrichten (wie ich es mit Michael Klevenhaus' Unterrichtswerk auch schon 2010-14 an der VHS Gießen getan habe), und zwar auf Skype. In der Freizeit, wenn ich nicht schreibe, helfe ich meinen alternden Eltern, oder gehe radeln oder wandern - je uriger und unheimlicher, desto lieber: In Wildnis mit ungewöhnlichen Bäumen, Felsen, alten Hütten oder Ruinen...

Wenn sich mit einem Ort eine unheimliche Sage verbindet, umso besser. Und ich liebe nordländischen Wald: Kiefern, Douglasien, Birken, Heidekraut, Moor, Moosen und Flechten.

Im Sommer schwimme ich auch gerne in Seen. Außerdem, wenn ich nicht gerade in Irland oder Schottland bin, weile ich gerne auch auf unserer Hütte.


Ich liebe traditionelle Musik aus Irland und Schottland, Wales und der Bretagne, und sehr gerne auch die Musik, die sich daraus auf der anderen Seite des Atlantiks oder im australischen Outback entwickelt hat, alten Jazz und Blues, romantische und barocke Klassik, und noch viel mehr.


LCo: Im Lovecrafter online konnten wir bereits Deine Kurzgeschichten "Champignons a la Creme" und "Der Fluch des Maestro" erschienen. Beiden ist ein hoher Anteil gälischer Sprache gemein - Der Fluch des Maestro wurde sogar zuerst in gälisch veröffentlicht. Woher stammt Dein Faible für diese Sprache?

AK: Seit dem Alter von sieben Jahren habe ich mit meinen Eltern mehrfach die inneren Hebriden und das Hochland Schottlands bereist, später selbständig Irland und die Äußeren Hebriden Schottlands. Immer wieder kam ich mit den gälischen Sprachen in Kontakt, und weil mich Sprachen eh faszinieren, wollte ich sie auch lernen - und begann dann 1996 aber zuerst mit Irisch in Connemara, welches ich seit 1998 fließend und verhandlungssicher beherrsche. 1999 begann ich dann während meines Keltologie-Studiums in Aberdeen mit dem schottischen Gälisch. Als Graduierter an der Universität Edinburgh begann ich dann 2005, mich mit der dem Schottisch-Gälischen enger verwandten Ulster-Variante des Irischen zu beschäftigen.

Ich bin noch immer begeistert von den Menschen dieser Sprachen, ihrer Kultur und der Landschaft. Und ich habe seit jeher ein Herz für die Unterschätzten, oft zu Unrecht Totgesagten und Verkannten. Natürlich liebe ich auch die Ausdrucksweise, den Klang und den Witz des Gälischen. Außerdem verdanke ich einer kleinen, urigen und wilden Hebrideninsel unweit der Küste Donegals meine intensive Entdeckung Lovecrafts und Machens als gereifter Erwachsener.


LCo: Erzähle uns von der Figur des "Furchtlosen Fahnders". Welche Geschichten gibt es bereits?

AK: Nun, der Furchtlose Fahnder ist schon ein bisschen alter ego. Er wurde geboren, als ich noch ein sehr tweediger Mensch war, der sich nach seiner nicht ganz freiwilligen Rückkehr nach Deutschland nach einem guten Jahrzehnt in der Wahlheimat erst einmal wieder "in der Heimat" integrieren musste. Zuerst war er nach dem Vorbild der okkulten Detektive Hope Hodgsons und Machens aufgebaut, angesiedelt im Edinburgh der frühen Zwanziger Jahre. Es gibt sogar einen halbfertigen Roman in gälischer Sprache, der leider vorerst in der Schublade verschwunden ist, auf dessen Handlung ich aber im derzeit in Arbeit befindlichen Roman immer mal wieder anspiele: Darin verschlägt es den FF, der ursprünglich aus dem Süden Argylls stammt, mit seinem Freund, Inspektor Cook, sowohl auf die gegen Ende der Handlung zerborstene und versunkene (fiktive) Hebrideninsel Araltsay, gäl. Araltsaigh, als auch ins hessische Marburg zum Showdown. Vielleicht werde ich jenen Roman auch noch mal vollenden, und in deutscher Sprache als Prequel in der geplanten Serie veröffentlichen. Cò aige tha fios - wer weiß?

Durch den Brexit- und Trump-Schock 2016 wurde meine Liebe zu Schottland und Britannien, und meine genau so alte Faszination für Nordamerika, in ihren Grundfesten erschüttert. Das wirkte sich auch auf die Entwicklung des FF aus. Plötzlich begann ich, mich aus Enttäuschung und Reaktion auf die Vorgänge in den Staaten eher Kanada zuzuwenden, woher ich ja immerhin einige Kommilitonen hatte, die muttersprachliche Gälen aus Neuschottland - insbesondere der Insel Cape Breton - waren. Auch habe ich schon länger ein großes Interesse an der traditionellen Kultur der frankophonen Akadier und Festlandskanadier. Schon seit jeher ein Liebhaber der Erzählungen Jack Londons, und der unheimlichen Nordland-Erzählungen Algernon Blackwoods, entwickelte ich schließlich meine YouTube-Amateur-Filme um den FF auf Cape Breton.

Gewiss, nach wie vor liebte ich auch noch die traditionelle Hillbilly-Musik und Kultur der südlichen Appalachen, sowie die seit Mitte der 1920er daraus entstehende Country-Musik, doch mit der Machtübernahme der Trump-Bewegung war erst einmal etwas erschüttert in mir, der Appetit auf Stoff aus den Staaten etwas vergällt. Erst, als ich einige Freunde aus den südlichen Appalachen kennenlernte, oder aus Texas und dem Mittleren Westen, die aufgeschlossen, moderat konservativ oder progressiv und keineswegs Trump-Anhänger waren, und nach wie vor ungetrübt sich der Kultur und Musik der ländlichen Staaten erfreuten, konnte ich mich auch selbst wieder richtig daran freuen. Schließlich haben Afroamerikaner und Ureinwohner auch zur Entstehung der Hillbilly-Kultur beigetragen, wie auch die teilweise noch bis ins frühe 20. Jh. existenten Gälen der Appalachen. Dann stieß ich auf die Geschichten Manly Wade Wellmans, der im Geiste Lovecrafts und Machens die traditionellen Schauersagen der Appalachen mit kosmischen Schrecken verbindet - wie es jetzt auch die Podcaster von Old Gods Of Appalachia tun. Und so schickte ich in zwei bislang nur als YouTube-Beiträge erhältlichen Geschichten den FF von Neuschottland die Appalachen südwärts herunter...

Alle diese Geschichten sollen noch in Romanform, oder als Kurzgeschichten, erscheinen, wie auch die noch unveröffentlichten Kurzgeschichten um den FF in Kanada. Die schottischen Kurzgeschichten um den FF und seine Freunde kennt Ihr ja schon.


Mehr vom Furchtlosen Fahnder gibt es bei YouTube zu sehen:

Alternativ kann man auf meine Filme auch über meine FB-Seite An Rannsaiche Dàna zugreifen: https://www.facebook.com/Rannsaiche1929/


LCo: Nun arbeitest Du an einem Roman rund um die "Kanada-Jahre" des Furchtlosen Fahnders. Worum wird es in dem Roman gehen?

AK: Dieser erste Roman der geplanten Serie führt den FF und sein Team ausgerechnet von Cape Breton an die Lahn, wo ein alter Freund des FF, der für die historische, einst in Europa und Kanada operierende angloschottische Bergwerksgesellschaft Fernie, nach denen bei Gießen noch eine stillgelegte, zum See bewässerte Grube benannt ist, arbeitet, verschwunden ist. In einer Grube bei Braunfels, in der Nähe des (fiktiven) Dorfes Wahnersgrund, wo eine etwas...merkwürdige, auf unheimliche Weise naturverbundene evangelikale Sekte haust, die den Hauptteil der Bergleute stellt und alle anderen Beschäftigten vergrault oder eben mal...verschwinden lässt. Die internationale Minenverwaltung geht nur noch bewaffnet einher, doch tief unter der Mine oder im jene umgebenden Finsterforst lauern noch andere Wesen, die den FF und seine Freunde an deren dunkelste Erlebnisse in den Wäldern von Cape Breton erinnern werden. Schließlich gerät noch die am Braunfelser Hof weilende alte Flamme in Gefahr. Gibt es einen Verräter in der Minenverwaltung, oder ist es der geheimnisvolle Erich Zann Junior, der Ailig (FF) und Rory samt einem Nachfahren der Von Junzts von deren Vorgesetzten beim Royal Investigation Institute for Supernatural Crime aufgedrückt wurde? Wer ist der mysteriöse Texaner, der in der Mine den Sicherheitsdienst leitet, aber auch seine eigenen Ziele zu verfolgen scheint?


Es erwartet Euch ein Eldritch Northern mit hessischem und gälischem Flair, mit tongue in cheek und lauter Keckheiten, derentwegen Onkel Howard in seinem Grab in Providence rotieren würde: Sex, Drogen und keine ethnischen Vorurteile, außer auf der Gegenseite. Denn es ist 1929, und in Deutschland harren schon gewisse Kreise ihrer Machtübernahme, und wenn sie dafür mit den ältesten Feinden der gesamten Menschheit paktieren müssen...

LCo: Wie wird Dein Roman verlegt - hast Du einen Verlag gewinnen können oder erscheint er im Eigenverlag?

AK: Der Roman - und die im glücklichsten Falle daraus entstehende Serie - soll(en) im Blitz-Verlag erscheinen, mit Jörg Kaegelmann habe ich das meiste schon besprochen. Damit wäre mein Werk in der guten Gesellschaft des exzellenten Vexyr von Vettseifen, dessen Rezension bei Euch mir ebenso gefallen hat wie der Roman selbst. Schwarzer ausgefallener Humor kommt - eher im Geiste Clark Ashton Smiths, und Arthur Machens, als Lovecrafts - auch bei mir nicht zu kurz.


LCo: Und wie weit sind die Arbeiten gediehen? Wann dürfen Fans mit einer Veröffentlichung rechnen?

AK: Bin eigentlich schon zu dreiviertel fertig, doch Ihr wisst ja, die Kleinarbeit samt allen Formatierungen, die den Verleger und sein Team befriedigen, ist die eigentliche Arbeit. Am 07. Juno endet vorläufig meine Zeit in der Homeoffice, und ich beginne wieder mit dem Präsenzunterricht, eventuell auch nachmittags, bei meinem bisherigen Kursträger in Marburg. Das muss ich dann mit der Schriftstellerei in Einklang bringen. Gehe davon aus, dass der Roman bis Lùnasdal fertig ist, also Anfang August.

LCo: Danke für Deine Zeit und die ausführlichen Antworten!